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Gebäudeabriss weckt Erinnerungen an Mittelbuchener Kult-Tanzlokal Puth

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Von: Kerstin Biehl

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Das waren noch Zeiten: Diese Aufnahme aus den Siebzigern zeigt die Beatband „Guess Who“ um Frontsänger Peter Müller (vorne sitzend). Die Formation spielte damals mehrmals im Monat im Tanzlokal Puth.
Das waren noch Zeiten: Diese Aufnahme aus den Siebzigern zeigt die Beatband „Guess Who“ um Frontsänger Peter Müller (vorne sitzend). Die Formation spielte damals mehrmals im Monat im Tanzlokal Puth. © Privat

Mit 14 Jahren, das weiß Werner Schreiber noch genau, durfte er das erste Mal ins Tanzlokal Puth. „Früher war es so, dass man, sobald man konfirmiert war, abends ausgegangen ist“, erzählt der Mittelbuchener. Die Erinnerungen an damals wurden bei ihm vor wenigen Tagen geweckt, als er an der Planstraße vorbei kam. Dort wurde jetzt das Gebäudeensemble, in dem sich bis in die Achtzigerjahre das Tanzlokal Puth befand, abgerissen.

Mittelbuchen –„Da habe ich mich erinnert, wie das damals war und wie bekannt unser kleines Dorf durch dieses Tanzlokal geworden ist“, sagt der Ur-Mittelbuchener, der seine Erinnerungen gerne mit unseren Lesern teilt. Weit über die Grenzen hinaus war das Tanzlokal von den Sechzigern bis in die Achtziger ein Magnet für junge Leute. Am Wochenende waren die um die Lokalität liegenden Straßen wie Erbsen- oder Guldengasse zugeparkt. „Die Anwohner akzeptierten das aber, da gab es nie Probleme“, so Schreiber.

Jeden Samstagabend spielten im Puth die besten Livebands der Region. Vier Wochen lang immer dieselbe Band, dann durfte eine neue Formation auf die Bühne. Eine der wohl bekanntesten Bands, die beim Puth auftrat, waren „Guess Who“ aus Freigericht.

„Den Sänger kenn ich noch heute, der hat bestimmt noch Fotos von damals.“ Während des Gesprächs mit unserer Zeitung kommt Werner Schreiber auf die Idee, den Musiker anzurufen und nachzufragen. Zwar ist die Nummer nicht gleich zur Hand, doch einige Telefonate später hat Schreiber den Somborner Müller an der Strippe. „Weißt Du noch, damals beim Puth...“ – Klar weiß Peter Müller noch und freut sich, dass die alten Zeiten in Erinnerung gerufen werden. Fotos, natürlich, die hat er auch noch und verspricht, diese herauszusuchen. „Ja, so war das damals, da kannte jeder jeden“, schmunzelt Schreiber und erzählt, dass die Beatband, deren Frontmann Peter Müller war, noch heute manchmal im Freigericht auftritt.

Andere Bands, die in der Lokalität der Eigentümer Hedi und Philipp Puth spielten, hießen beispielsweise Five Lappins, Five Tornados, Heartbreakers, Hit Cats, Gents oder Savages. Nach vier Wochen Puth zogen sie weiter, um dann zum Beispiel im Schuwiak in Altenmittlau die Gäste mit Tanzmusik zu verwöhnen.

„Wir gingen zum Puth natürlich nicht nur wegen der guten Livemusik. Auch zum Kennenlernen“, erinnert sich der heute 71-jährige Schreiber. Wobei es immer sehr gesittet zugegangen sei, wenn die Herren die Damen zum Tanz aufgefordert haben. „Darf ich bitten“, habe man am Anfang noch gesagt, später „Hast Du Lust zu tanzen?“. „Beim Puth haben sich Hunderte junge Leute kennengelernt, nicht nur Hanauer. Die Gäste kamen teils bis aus Offenbach und Frankfurt zu uns ins kleine Mittelbuchen“, blickt Schreiber zurück.

Nach dem Tanz stellten die Männer den Damen dann die Frage, ob man sich am kommenden Wochenende denn wiedersehen werde. „Hatte das Mädchen Interesse, ist sie wiedergekommen“, erzählt Schreiber.

Einen Tanzkurs hatten die Mittelbuchener Buben nicht belegt. „Dafür war damals kein Geld da. Wir haben uns das Tanzen bei den Älteren abgeschaut und sind dann selbstbewusst auch auf die Tanzfläche gegangen und haben Mädchen aufgefordert. Manch einer hat aber davor zuhause mit der Mutter geübt.“ Getanzt wurde Twist, Rock, Fox oder Blues, manchmal sei auch ein Walzer gespielt worden.

Auch die auf dem Fliegerhorst in Langendiebach stationierten Amerikaner waren Gäste beim Puth. „Da damals der US-Dollar bei über vier D-Mark stand und noch richtig etwas wert war, konnten sich die amerikanischen Soldaten viel leisten.“ Zum Beispiel das Bier, das für sie umgerechnet für unter einer Mark zu haben war oder das legendäre Zwiebelschnitzel, das es in der Gaststätte „Zum Schwanen“ gab. Diese war nur durch einen Flur vom Musiklokal getrennt und wurde ebenfalls von der Familie Puth betrieben.

Die Gaststätte „Zum Schwanen“ gab es in Mittelbuchen übrigens noch bis vor wenigen Jahren, wenn auch unter anderem Besitzer. Doch auch dieser Gebäudeteil ist jetzt abgerissen worden.

Unter den Amerikanern, so die Erinnerung Schreibers, sei reichlich Alkohol getrunken worden, was dazu führte, dass es häufiger zu Schlägereien kam. „Dann kam die MP und kurz darauf war alles geklärt.“

Natürlich lernten auch die Amerikaner Mädchen beim Puth kennen. „Allein drei meiner Klassenkameradinnen gingen mit einem Soldaten nach Amerika.“

Um die Masse an Besuchern stemmen zu können, musste damals die ganze Verwandtschaft der Puths mit anpacken. Und auch die Mannschaftskameraden des Wirts und Handballers Philipp Puth – zu dieser Zeit gab es in Mittelbuchen noch eine Handballmannschaft, die auf Rasen spielte – waren eingespannt und unterstützten das bunte Treiben.

Dass Werner Schreiber und seine Freunde mit 14 Jahren schon in einem Tanzlokal Einlass fanden, war nicht selbstverständlich. Auch damals gab es schon den Jugendschutz, der auch ernst genommen wurde. Doch der pfiffige Wirt wollte es auch den Jüngeren im Dorf möglich machen, seine Lokalität zu besuchen. Also wendete er einen Trick an: Er gründete einen Club samt Clubausweis innerhalb des Tanzlokals. Zu diesem Club hatten auch jüngere Leute ab 14 Jahren Zutritt, wie sich Schreiber, der auch einen solchen Clubausweis besaß, erinnert.

„So konnten wir Jungen ganz legal zum Puth gehen“, lacht er und ist sich ziemlich sicher: „Wer das Tanzlokal Puth in Mittelbuchen damals miterleben durfte, wird diese Zeit in seinem Leben nicht missen wollen und niemals vergessen.“

Von Kerstin Biehl

Dort, wo früher die Mädchen zum Tanz aufgefordert wurden, stehen jetzt Container mit Abrissmaterial. Bald soll an der Planstraße Wohnbebauung entstehen.
Dort, wo früher die Mädchen zum Tanz aufgefordert wurden, stehen jetzt Container mit Abrissmaterial. Bald soll an der Planstraße Wohnbebauung entstehen. © Reinhard Paul

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