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Gelungene Premiere von „Brüderchen und Schwesterchen“ im Hanauer Amphitheater

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Von: Monica Bielesch

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Verwandlung: Soufjan Ibrahim (links) bringt die Unbeschwertheit und Selbstsicherheit des verzauberten Rehs überzeugend und liebenswert auf die Bühne.
Verwandlung: Soufjan Ibrahim (links) bringt die Unbeschwertheit und Selbstsicherheit des verzauberten Rehs überzeugend und liebenswert auf die Bühne. © Patrick Scheiber

Es ist ein Klassiker der Brüder Grimm, das Märchen Brüderchen und Schwesterchen. Mit einer bösen Stiefmutter, die zaubern kann, einer dummen Stiefschwester, einem jungen Prinzen, einem König samt Königreich und mit zwei vom Schicksal geprüften Geschwistern als Helden. Bei der Premiere dieses Grimm-Märchens am Samstag im Hanauer Amphitheater bekommt das Publikum eine sehr modernen Version (unter der Regie von Adisat Semenitsch) des Klassikers zu sehen.

Hanau - Ob es an dem kargen Bühnenbild oder an den überzeichneten, teils schrillen Kostümen liegt? Aber am Anfang dauert es einige Zeit, bis der Funke von der Bühne auf die Zuschauer überspringt. Zu diesem Familienstück sind viele Kinder gekommen, die gebannt die Geschichte von den Geschwistern Klaus und Klara verfolgen. Leider bleiben nicht zum ersten Mal bei diesen 38. Brüder-Grimm-Festspielen viele Sitzplätze im großen Rund des Amphitheaters leer.

Gleich das erste Lied, das Katja Straub als Klara und Soufjan Ibrahim als Klaus singen, während sie einige Momente der Ausgelassenheit im Schutze des Waldes erleben, bleibt durch seine eingängige Melodie im Ohr. Überhaupt haben Lukas Nimscheck (Kompositionen und Arrangements) und Franziska Kuropka (Buch und Liedtexte) einen besonderen musikalischen Rahmen für ihre Version von Brüderchen und Schwesterchen geschaffen. Besonders beeindruckend ist, wie es ihnen immer wieder gelingt, mit einem Lied die verschiedensten Charaktere in ihren jeweiligen Situationen zu einem Chor zusammenzufassen.

Das ist eine große Herausforderung sowohl für das Ensemble als auch für die Tontechnik, die überwiegend gemeistert wird. Dabei ragt stimmlich Kira Primke als böse Stiefmutter Melania heraus. Primke, die ein klassisches Gesangsstudium sowie eine Tanz- und Schauspielausbildung absolviert hat, ist zum zweiten Mal in Hanau dabei und wird auch noch im Stück „Ein Sommernachtstraum“ auftreten.

Die böse Stiefmutter will die Kinder ihres verstorbenen Mannes vergiften, um an deren Erbe zu kommen. Klaus und Klara entgehen knapp einem Giftanschlag und fliehen in den Wald. Dort trinkt Klaus schließlich von einer verzauberten Quelle. Auch dabei hat Melania ihre Finger im Spiel. Die Quelle wird dargestellt von Florian Rast (der auch des Königs Diener spielt), der mit einem sehr langen, blau glitzerndem Umhang über die Bühne tänzelt. Ein optisches Highlight der Aufführung.

Als Klaus schließlich von einer Quelle trinkt, wird er in ein Reh verwandelt. Wie Ibrahim dieses Reh mit Hilfe zweier kurzer Krücken spielt, ist großes Kino. Aus dem stotternden und ungeschickten Jungen wird ein selbstbewusstes, schnelles, und graziles Reh. Während Klara im Wald die Bücher als geistige Nahrung vermisst, ist Klaus, das Reh, im Wald glücklich wie nie zuvor.

Er macht keinen Hehl daraus, dass er die zufällige Bekanntschaft seiner Schwester mit Prinz Roman (Leonard Schärf), der sich auf der Jagd ungeschickt selbst in den Fuß schießt, nicht gut heißt. Dabei ist dieser Prinz so gar nicht prinzenhaft, er spielt am liebsten mit Marionettenpuppen und macht sich wenig aus traditionellen Rollenbildern: Er versteht zum Beispiel gar nicht, was am Schlagen und Tiere töten männlich sein soll. Als er Klara begegnet, die ständig mit ihrem Reh spricht, ist er begeistert: „Du bist merkwürdig, ich bin auch merkwürdig“, strahlt er sie an und die Liebesgeschichte nimmt ihren Lauf.

Überhaupt hat das Stück viele kleine Anspielungen an den Zeitgeist. Das Kind, das Klara als angehende Prinzessin aber noch unverheiratet schließlich auf die Welt bringt, wird vom König in einer Bauchtrage transportiert, die Heerführerin bietet der jungen Mutter eine Milchpumpe an und der König und sein Diener erscheinen wie ein altes Ehepaar, sind dem Prinzen wie zwei Väter. Anspielungen, die für die Erwachsenen den Zeitgeist zeigen. Für die Kinder im Publikum werden durch solche Geschichten vielleicht neue Rollenbilder geprägt.

Nach der Pause geht es turbulent im Schloss weiter. Alle sind glücklich und bereiten sich auf die Hochzeit von Prinz Roman und der schwangeren Klara vor – bis auf Klaus, das Reh, der sich nach dem Leben im Wald sehnt. Und auch als genervtes, missmutiges Reh kann Soufjan Ibrahim glänzen und sorgt für viele Lacher.

Klara fällt schließlich doch den bösen Hexenkünsten ihrer Stiefmutter zum Opfer und kommt als Geist zu ihrer Familie zurück. Aber natürlich gibt es ein Happy-End mit einem furiosen musikalischem Schlusspunkt, der für die Längen am Anfang des Stücks mehr als entschädigte. Das Publikum dankte mit Standing Ovations.

Neue Männer braucht das Land: Ein Prinz (Leonard Schärf, rechts), der lieber mit Puppen spielt und ein Diener (Florian Rast), der ihm die Mutter ersetzt.
Neue Männer braucht das Land: Ein Prinz (Leonard Schärf, rechts), der lieber mit Puppen spielt und ein Diener (Florian Rast), der ihm die Mutter ersetzt. © Patrick Scheiber
Beim Familienstück der Brüder Grimm Festspiele „Brüderchen und Schwesterchen“ begrüßte Intendant Frank-Lorenz Engel (auf der Bühne) das Publikum.
Beim Familienstück der Brüder Grimm Festspiele „Brüderchen und Schwesterchen“ begrüßte Intendant Frank-Lorenz Engel (auf der Bühne) das Publikum. © Mike Bender
Überzeugend und mitreißend: Kira Primke als böse Stiefmutter mischt gerade einen Hexentrank.
Überzeugend und mitreißend: Kira Primke als böse Stiefmutter mischt gerade einen Hexentrank. © Patrick Scheiber
Noch haben die böse Stiefmutter Melania (links) – famos gespielt von Kira Primke – und Tochter Melanie (Johanna Haas, 2. von rechts) gut lachen. Anders die Stiefkinder Klaus und Klara (Soufjan Ibrahim und Katja Straub).
Noch haben die böse Stiefmutter Melania (links) – famos gespielt von Kira Primke – und Tochter Melanie (Johanna Haas, 2. von rechts) gut lachen. Anders die Stiefkinder Klaus und Klara (Soufjan Ibrahim und Katja Straub). © Patrick Scheiber

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