HANAUER ANZEIGER erhält Lokaljournalistenpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung in Konstanz

Er gilt als die wichtigste Auszeichnung im Lokaljournalismus, als Oscar der lokalen und regionalen Medienschaffenden: der Deutsche Lokaljournalistenpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung. Gestern Abend wurde er in Konstanz am Bodensee verliehen. Für ihre erste Ausgabe nach dem Attentat von Hanau vom 19. Februar 2020 durfte die Redaktion des HANAUER ANZEIGER die Auszeichnung für den dritten Platz entgegennehmen.
Konstanz/Hanau – Die Begründung der Jury: „Am 20. Februar 2020 war in Hanau nichts mehr wie vorher. Der 43-jährige Sportschütze Tobias R. hatte in der Nacht zuvor neun Menschen mit ausländischen Wurzeln, seine Mutter und sich selbst erschossen. In der Stadt gab es kein anderes Thema mehr – und der Hanauer Anzeiger reagierte entsprechend: Alle redaktionellen Kräfte – Online, Print, Layout und freie Fotografen – erarbeiteten ein Konzept und stemmten eine Ausgabe, die die Jury mit dem dritten Preis auszeichnet. Dem kleinen Team ist es von der ersten bis zur letzten Seite der Ausgabe eins nach dem Terroranschlag gelungen, ein allumfassendes Bild der Ereignisse zu zeichnen. Dabei ist es dank einer sehr guten Bildarbeit und sensibler Berichterstattung gelungen, die Opfer des Attentats und das Leid der Angehörigen in den Mittelpunkt der Berichterstattung zu stellen. Die Redaktion hat den Opfern ein Gesicht und Würde gegeben.“
Journalistenpreis: Über 350 Einreichungen
Für die Berichterstattung rund um die Grenzschließung zwischen Deutschland und der Schweiz 2020 infolge der Corona-Pandemie wurde der Südkurier mit dem ersten Hauptpreis dieses wichtigsten Branchenpreises ausgezeichnet.

In dem Teilnehmerfeld mit über 350 Einreichungen wurde die Redaktion der Hamburger Morgenpost mit einer Serie über jüdisches Leben in Hamburg als der zweite Preisträger vor dem HANAUER ANZEIGER gekürt. Der Volontärspreis wurde an zwei Volontärinnen der Rheinischen Post für ihr multimediales Projekt „Die RheinStories“ verliehen.
Stiftung hebt Bedeutung des Lokaljournalismus hervor
Bei dem Festakt im Bodenseeforum wurden die Preisträger vom früheren Bundestagspräsidenten und Vorsitzenden der Konrad-Adenauer-Stiftung, Prof. Dr. Norbert Lammert, zur nunmehr 41. Preisverleihung begrüßt. Der Lokaljournalismus habe sich in den vergangenen 40 Jahren verändert, so Lammert. „Aber an der Relevanz im Grundsatz hat sich nichts Wesentliches verändert. Ich bin fest überzeugt, dass Lokaljournalismus nicht ersetzbar ist.“ Denn: Mancher Lokalredakteur wisse Dinge, von denen selbst Google keine Ahnung habe.

Der Oberbürgermeister der Stadt Konstanz, Uli Burchardt, betonte in seinem Grußwort die Wichtigkeit der Würdigung des Lokaljournalismus durch den Konrad-Adenauer-Preis. „Ohne Lokaljournalismus wäre Kommunalpolitik nicht handlungsfähig.“ In diesen unsicheren Krisenzeiten wachse das Bedürfnis nach Zuverlässigkeit. Der Lokaljournalismus trage einen wichtigen Teil dazu bei.
Appell an die Zukunft des Lokaljournalismus
Volker Kauder, ehemaliger Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, lieferte in seinem Zwischenruf eine Hommage an den Lokaljournalismus. Der Journalismus müsse eine gute Zukunft haben, vor allem in einer Zeit, in der im Netz viel Schwarm-Dummheit verbreitet werde. „Weisheit und Dummheit voneinander zu trennen, das vermag der Journalismus zu leisten. Der Journalist als Wahrheitsfanatiker ist eine wichtige Beschreibung.“

Der Lokaljournalismus als Königsdisziplin sei aber auch eine riesengroße Herausforderung. Denn der Lokaljournalist habe es täglich mit der Nahwelt der Menschen zu tun. Diese gelte es abzubilden. Das erfordere hoch qualifizierte Persönlichkeiten. „Diese Qualität auch in Zukunft zu erhalten ist eine Überlebens- und Existenzfrage für den Journalismus und auch für den Lokaljournalismus“, so Kauder, der dem Lokaljournalismus Identitätsstiftung mit der Heimat bescheinigte. „Schwierige Themen in einfacher Sprache darzustellen, das ist eine hohe Kunst des Journalismus.“ Seine Bitte an die Verlage: Nicht an der Qualität sparen!

Jana Klameth, Sprecherin der Jury, schmunzelte über die „ungewohnten Komplimente seitens der Politik für den Lokaljournalismus“. Sie warf einen Blick zurück auf die veränderten Arbeitsbedingungen für den Journalismus unter Pandemiebedingungen (weg vom Terminjournalismus, hin zum Setzen eigener Themen), bevor sie den Höhepunkt des Abends einleitete: die Preisverleihung. Die vier Preisträger, so Klameth, hätten sich gegen eine sehr starke Konkurrenz durchgesetzt.
HANAUER ANZEIGER stellt Opfer des Anschlags vom 19. Februar in den Vordergrund
Preisgekrönter Journalismus könne freilich nur im Team entstehen, so die Redaktionsleiterin des HANAUER ANZEIGER Yvonne Backhaus-Arnold, die gemeinsam mit ihren Kollgen Holger Weber-Stoppacher und Kerstin Biehl die Auszeichnung entgegennahm. „Bereits ganz früh am Morgen haben wir an diesem schrecklichen Tag als Redaktion entscheiden, dass die Opfer absolute Priorität haben müssen“, sagte HA-Redakteur Weber-Stoppacher während der Preisverleihung. Redaktionsleiterin Backhaus-Arnold freute sich über das Lob aus der Leserschaft, das vor allem nach Bekanntwerden des Preisgewinns an die Redaktion herangetragen wurde.

Der Chefredakteur der Gewinnerredaktion, Stefan Lutz vom Südkurier, bedankte sich in seinem Schlusswort bei allen und betonte einmal mehr die Wichtigkeit der Presse vor Ort: „Dort, wo Lokalzeitungen verschwinden, verändert sich die Gesellschaft.“
Die Preisverleihung in voller Länge im Video.
HANAUER ANZEIGER verdoppelt Preisgeld und spendet
Das Preisgeld in Höhe von 1500 Euro verdoppeln die HA-Redaktion und der Verlag auf 3000 Euro und spenden das Geld zu gleichen Teilen an die Hanauer Hilfe, die sich um die Beratung für Opfer und Zeugen von Straftaten kümmert, an die Hanauer Tafel, die überschüssige, qualitativ einwandfreie Lebensmittel an Menschen in Not weitergibt, sowie an die Bildungsinitiative Ferhat Unvar, die sich als Anlaufstelle für Kinder, Jugendliche und deren Eltern versteht, die im Alltag von Rassismus betroffen sind.

Von Kerstin Biehl