Alte Handys als Rohstoffquelle

Hanau/Alzenau - Der Name „Fraunhofer“ ist den meisten ein Begriff – er steht für Forschung, genauer gesagt für angewandte Forschung.
Doch was heißt das eigentlich konkret? Und woran arbeiten die Forscher in unserer Nachbarschaft? In einer Serie stellen wir verschiedene Projekte vor. Heute geht es um das Recycling von Elektroschrott.
Laut Statistiken besitzen über 80 Prozent der Bevölkerung in Deutschland mindestens ein Smartphone – allein zwischen 2017 und 2018 wurden 23,6 Millionen neue Smartphones verkauft. Doch tatsächlich sind die meisten Altgeräte nicht kaputt: Nach einer Umfrage der Bitkom Anfang 2018 liegen rund 124 Millionen alte Handys zuhause quasi in der Schublade.
Dabei enthalten die Geräte viele Wertstoffe, darunter kostbare Rohstoffe wie Kobalt, Lithium oder Edelmetalle wie beispielsweise Gold, die eigentlich in den Stoffkreislauf zurückgeführt werden sollten.
Verschiedenste Sammelstellen nehmen bereits Altgeräte an – das Recycling ist allerdings oft schwieriger als vielleicht zunächst gedacht. Um hier für eine effiziente Rückführung der Wertstoffe zu sorgen, forscht die Fraunhofer-Projektgruppe IWKS an innovativen Trenn- und Sortierverfahren.

Eines der Hauptziele in der Forschung bei der Auftrennung von Abfällen ist die Gewinnung möglichst sortenreiner Materialien. Bei vielen Elektro-Kleingeräten sind die einzelnen Komponenten verklebt, was eine Auftrennung schwierig und aufwendig macht. Die Forscher der Projektgruppe suchen hier nach neuen Technologien. Eine davon ist die Elektrohydraulische Zerkleinerung (EHZ), die mittels elektrischer Entladung Schockwellen durch ein Medium – üblicherweise Wasser – leitet und die Komponenten somit an den Materialgrenzen „brüchig“ werden lässt. Damit lassen sich einzelne Bestandteile – beispielsweise auf einer Platine – leichter ablösen. Das gleiche Prinzip wird auch bei der Aufbereitung von Altbatterien genutzt und den in Smartphones enthaltenen Li-Ionen-Akkus.
Im nächsten Schritt werden die nun zerkleinerten Smartphone-Bestandteile mit der modularen Sortieranlage sortiert. Das Besondere der Anlage ist ihr Aufbau in einzelne Abschnitte, die je nach Materialienmix verschieden hintereinander geschaltet oder beliebig oft wiederholt werden können. Darüber hinaus können die Forscher die Anlage in Echtzeit regeln, um so das optimale Verfahren zu finden. Die Sortieranlage nutzt dazu Siebung, Abscheidung von Eisen- und Nichteisenmetall sowie eine sensorbasierte Sortierung. Die Sensoren ermöglichen die Sortierung nach Farbe sowie Form, Größe, Textur und Helligkeit.
Der Vorteil liegt in der größeren Effizienz durch eine automatisierte Abtrennung beispielsweise der Metallkomponenten. Über die Kombination aus Elektrohydraulischer Zerkleinerung und Sortierstraße werden nachfolgende Aufreinigungsschritte oder Schlackenbildung beim Einschmelzen vermieden.
Aber warum der ganze Aufwand? Auf den ersten Blick mag die Menge der Wertstoffe wie Gold, Silber, Kobalt oder Tantal pro Gerät zwar gering erscheinen. Sie liegt im Milligramm-Bereich. Dennoch kann eine intelligente Sortierung Smartphones zu einer wichtigen Rohstoffquelle machen. So sind in einer Tonne alter Smartphones etwa 50 Gramm Gold enthalten. Zum Vergleich: In einer Tonne Erz findet sich durchschnittlich nur ein Gramm Gold.
Darüber hinaus gelten einige Stoffe und Elemente als versorgungskritisch – darunter zum Beispiel Tantal oder Gallium, die durch herkömmliche Verfahren bisher nicht aufgearbeitet werden können. Somit dient die Forschung in diesem Bereich gleich zwei Zielen: Die Umwelt zu schonen und den Zugang der Industrie zu wertvollen, aber seltenen Rohstoffen für die Zukunft durch die Etablierung eines Stoffkreislaufs zu sichern. (did)