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Amina Oulghazi hilft als Stadtteilmutter Familien

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Amina Oulghazi ist eine der Stadtteilmütter, die sich im Bereich Lamboy/Tümpelgarten engagiert.
Amina Oulghazi ist eine der Stadtteilmütter, die sich im Bereich Lamboy/Tümpelgarten engagiert. © Privat

Seit 2018 gehört die Hanauerin Amina Oulghazi zu den Stadtteilmüttern in Hanau, die Familien mit Migrationsgeschichte als Lotsinnen durch den Alltag helfen.

Hanau – Die 42-jährige Mutter dreier Töchter ist in Marokko geboren und lebt seit 1994 in Hanau. Sie hat fünf Semester Erziehungswissenschaften in Frankfurt studiert und arbeitet freiberuflich als Dolmetscherin für das BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge). Als Stadtteilmutter sieht sie sich als Bindeglied zwischen den Familien und den Institutionen.

Wie sind Ihre Eltern nach Hanau gekommen?
Meine Eltern sind 1994 nach Hanau gekommen und haben sich bewusst für die Stadt entschieden. Vorher wohnten wir in Erlensee. Wegen unseres Eintritts in die weiterführende Schule zogen sie nach Hanau. Sie wollten uns die Möglichkeit geben, auf eine Hanauer Schule zu kommen, weil es in Erlensee kein Gymnasium und keinen Realschulzweig gab und sie uns den Schulweg mit dem ÖPNV ersparen wollten.

Leben Sie gerne in Hanau?
Ich lebe gerne in Hanau und fühle mich hier sehr wohl. Wenn ich zu Besuch in eine deutsche Stadt reise und wieder nach Hanau komme, habe ich ein Gefühl der Heimat. Ich kann es nicht in Worte fassen. Es fühlt sich aber nach Sicherheit und Geborgenheit an. Auch weil die Stadt multikulturell ist, die Stadt ist bunt und offen. Diese Offenheit gibt mir ein Gefühl der Zusammengehörigkeit und der Gemeinschaft.

Wie sind Sie zu den Stadtteilmüttern gekommen?
Ich kannte das Projekt schon lange und wollte dort gerne mitmachen. Die Stadtteilmütter boten zu den Hanauer Frauenwochen eine Infobörse an, in der Freizeitaktivitäten für Kinder und Familien vorgestellt wurden. Ich besuchte diese Veranstaltung gerne und war von ihrer Arbeit begeistert. Allerdings wurde das Projekt noch von Sponsoren gefördert und so waren nicht immer die finanziellen Mittel vorhanden, um weitere Stadtteilmütter auszubilden. Also ließ ich mich auf die Warteliste setzen. Seit meiner Jugend habe ich durch die Hilfe der Familien mit Migrationshintergrund ein kleines „Helfersyndrom“ entwickelt. Ich unterstütze die Familien gerne, damit sie und ihre Kinder sich hier wohlfühlen und die Angebote trotz fehlender Deutschkenntnisse wahrnehmen können. Ich bin davon überzeugt, dass Menschen, die bekommen, auch zurückgeben können. Ich sehe das Zusammenleben in Hanau wie einen Kreis, der sich immer wieder schließt.

Welche Aufgabe haben Sie dort?
Wir sehen uns als Brücke oder Bindeglied zwischen den Hanauer Familien und den Hanauer Institutionen. Wir handeln als Familienlotsinnen und freuen uns, wenn wir Familien Auskunft geben und Vermittlungsvorschläge machen können. Mittlerweile treffen wir auf Kinder, die wir vor Jahren betreut haben. Viele haben einen tollen Werdegang und sind dankbar, zu uns gefunden zu haben.

Verstehen Sie sich als Mittlerin zwischen den Kulturen?
Die Stadtteilmütter sind das beste Beispiel dafür, dass mit der Vielfalt an Sprachen und Herkunft Offenheit und ein gutes Zusammenleben vieler Kulturen möglich sind. Hier sprechen wir Sprachen wie Italienisch, Russisch, Polnisch, Türkisch, Somalisch, Englisch, Französisch und Arabisch mit allen 14 Dialekten. Durch diese Vielfalt können wir authentisch und empathisch vermitteln. Wir leben mit und zwischen verschiedenen Kulturen, die uns immer wieder bereichern.

Wo sehen Sie die größten Probleme im Miteinander von Hanauern mit und ohne Migrationshintergrund?
Das größte Problem sehe ich in der mangelnden Begegnungsmöglichkeit. Auch wenn es bereits Mehrgenerationenhäuser gibt, so fehlt für die Jugendlichen ab 14 Jahren aufwärts ein Ort, an dem sie sich treffen und zusammen sein können, wo sie ihre Interessen vertreten sehen und sich verstanden fühlen. Die Hanauer Innenstadt ist voll von Geschäften und Cafés, hier könnte man für die jungen Leute auch Orte der Begegnung und des Kennenlernens errichten.

Welche Lösungsmöglichkeiten sehen Sie?
In allen Stadtteilen sollten Begegnungen miteinander möglich sein. Ich beziehe mich auf Hanau-Tümpelgarten, da ich hier wohne. Es macht mich traurig, zu sehen, dass wir ein großes Nachbarschaftshaus haben, aber keine Angebote dort für Familien stattfinden. Das ist nicht nur wegen der aktuellen Corona-Situation so, sondern generell fehlen Angebote für Kinder, etwa Förderung in puncto Vorleseangebote oder Hausaufgabenbetreuung.

Hat sich das Verständnis füreinander in den letzten Jahren verbessert?
Ich merke, dass man in den letzten Jahren miteinander in den Dialog gekommen ist. Ich sehe eine gute Zukunft für Hanau, das mit Offenheit und Interesse an den „neuen“ Menschen gekennzeichnet ist. Durch die Flüchtlingssituation 2015 war und ist Hanau eine Stadt, in der Hilfsbereitschaft und Engagement sehr großgeschrieben werden. Meine Arbeit zeigt mir immer wieder, wie engagiert die Hanauer Institutionen hier tätig sind, damit diese Menschen ein würdevolles Leben führen können.

Finden Sie, dass die Stadt viel dafür tut, unterschiedliche Bevölkerungsgruppen zusammenzubringen?
Ich bin der Meinung, dass Hanau gut dabei ist, dennoch finde ich, es geht da noch mehr. Hanau als Stadt in der Nähe von Frankfurt ist jetzt selbst zu einer kleinen Großstadt geworden und hat Bürger, die sie in ein positives Licht führen und weiterführen werden. Wenn man durch die Stadt und ihre Stadtteile läuft, bemerkt man, wie bunt Hanau ist und immer sein wird. Denn eine Stadt, die offen und vielfältig ist, wird immer ein Licht ins Dunkel bringen.

Glauben Sie, dass sich der Zusammenhalt zwischen den Communities mit und ohne Migrationshintergrund seit dem Anschlag vom 19. Februar 2020 verbessert hat?
Durch die Gespräche über den Anschlag mit Bürgern mit Migrationshintergrund und ohne Migrationshintergrund hat Hanau gezeigt, dass es zusammenhält. Durch den Anschlag haben alle Bevölkerungsgruppen zusammengestanden und haben ihre Solidarität gezeigt. Man ist sich nähergekommen, und die Gefühle wurden ausgesprochen und nicht mehr nur in Gedanken festgehalten. Viele Familien fühlen sich seit dem Anschlag bestärkt, dass Hanau eine Stadt ist, in der alle Menschen, egal welcher Herkunft und Religion, zusammenleben und sich als Teil dieser Gemeinschaft sehen, die sich wiederum in ein Ganzes zusammenfügt.

Das Gespräch führte Jutta Degen-Peters

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