Vater aus Hanau wegen zweifachen Mordes angeklagt

Warum hat Jit S. seine Tochter und seinen Sohn getötet? Mit dieser Frage wird sich wohl bald die 1. Schwurgerichtskammer am Hanauer Landgericht beschäftigen. Denn die Staatsanwaltschaft hat nun Anklage gegen den 47-Jährigen erhoben, wie Dr. Oliver Piechaczek, Pressesprecher der Anklagebehörde, auf Anfrage dieser Zeitung berichtet.
Hanau - „Die Anklage lautet auf zweifachen Mord“, so der ermittelnde Staatsanwalt. Als Mordmerkmale sieht er niedrige Beweggründe sowie Heimtücke. Sollte S. in dem Prozess wegen Mordes verurteilt werden, droht ihm die lebenslange Freiheitsstrafe.
Der Fall am Vormittag des 11. Mai sorgt für großes Aufsehen und Bestürzung. Augenzeugen finden den Elfjährigen vor dem Hochhaus an der Römerstraße/Ecke Steinheimer Straße auf dem Boden. Der schwerstverletzte Jugendliche wird von Rettungskräften sofort ins Krankenhaus gebracht, doch trotz aller Bemühungen stirbt der Sohn von S. wenig später. Im neunten Stock machen die Streifenbeamten eine weitere grauenvolle Entdeckung: Sie finden ein totes siebenjähriges Mädchen.
Staatsanwaltschaft geht von Familiendrama aus
Nach umfangreichen Ermittlungen des Kommissariats 11 der Hanauer Kripo, Untersuchungen von Spurensicherung, Rechtsmedizin sowie der Auswertung digitaler Forensik geht der Staatsanwalt davon aus, dass der leibliche Vater seine Tochter vorsätzlich durch scharfe Gewalt gegen den Hals getötet hat und ihr vier Jahre älterer Bruder in Panik über den Balkon in die tödliche Tiefe gesprungen ist.
„Wir gehen nach den bisherigen Ermittlungen davon aus, dass es sich um ein Familiendrama handelt“, so Piechaczek zu dem möglichen Motiv. Es könnte sich bei den niedrigen Beweggründen also möglicherweise um Eifersucht handeln, denn die beiden Eltern sollen sich zuvor getrennt haben. Die beiden Kinder lebten bei ihrer Mutter in Hanau, die sich während der Bluttat aber nicht in der Wohnung aufgehalten hat. Unmittelbar nach der Tat wird nach dem 47-Jährigen als Hauptverdächtigen gefahndet.
In Paris verhaftet
Bereits drei Tage später führt die Suche zum Erfolg. Allerdings in Paris (wir berichteten). Offenbar hatte sich S. in die französische Hauptstadt geflüchtet und wird dort von der örtlichen Polizei verhaftet. Acht Wochen nach dem Geschehen sind Beamte des K 11 sowie Zielfahnder des Hessischen Landeskriminalamts unterwegs und holen im Zuge des Auslieferungsverfahrens den 47-Jährigen in Paris ab.
Unmittelbar danach wird S. der zuständigen Ermittlungsrichterin beim Amtsgericht in Hanau vorgeführt, die umgehend die Untersuchungshaft anordnet. Bislang hat sich der Angeschuldigte laut Staatsanwalt Piechaczek die ihm zur Last gelegte Tat gegenüber den französischen Behörden bestritten und sich bei der Vorführung vor der Haftrichterin nicht zum Tatvorwurf eingelassen. „Bislang gibt es noch keine Einlassung von ihm“, so der Staatsanwalt.
Anklageschrift umfasst 80 Seiten
Piechaczek hat alle Ergebnisse der Ermittlungen in einer rund 80-seitigen Anklageschrift zusammengefasst. „Wir haben ein sehr umfangreiches Beweismaterial“, so der Ankläger, der darin auch zahlreiche mögliche Zeugen benennt.
Nun ist die Schwurgerichtskammer unter dem Vorsitz von Landgerichtsvizepräsident Dr. Mirko Schulte am Zug. Sie ist nun für die Zulassung der Anklage sowie die Terminierung der Hauptverhandlung zuständig. Es ist davon auszugehen, dass der Prozess gegen S. bereits im Januar kommenden Jahres beginnt.
Von Thorsten Becker