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Gedenken an die Opfer der rassistischen Morde in Hanau: „Wir müssen Rassisten widersprechen“

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Von: Isabel Wetzel

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Redner aus Politik und Religion rufen bei der Gedenkstunde für die Anschlagsopfer von Hanau zum Kampf gegen Rassismus auf. Die Hinterbliebenen kritisieren das Vorgehen des Landes.

Hanau – Am zweiten Jahrestag des rassistischen Anschlags von Hanau* haben am Samstag (19.02.2022) die Hinterbliebenen und geladenen Gäste aus Politik und Religion der Opfer gedacht. Vertreter des Bundes, des Landes Hessen und der Stadt Hanau riefen im Rahmen der offiziellen Gedenkfeier zu gemeinsamem Handeln gegen Rassismus, Hass und Hetze in Deutschland auf.

„Dieser Anschlag kam nicht aus dem Nichts. Und er geschah auch alles andere als zufällig“, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) auf dem Hanauer Hauptfriedhof. Nährboden sei „ein Klima der Menschenverachtung, das gewaltbereite Extremisten anstachelt und im schlimmsten Fall zur Tat schreiten lässt“, sagte sie. Die Ministerin erinnerte gemeinsam mit dem hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier und Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky an die Anschlagsopfer und sicherte den Hinterbliebenen ihre Unterstützung zu.

Metin Unvar weint am Grab seines Sohnes Ferhat bei der Gedenkstunde auf dem Friedhof in Hanau.
Metin Unvar weint am Grab seines Sohnes Ferhat bei der Gedenkstunde auf dem Friedhof in Hanau. © Boris Roessler/dpa

Bouffier zum Gedenken an die Anschlagsopfer von Hanau: „Müssen wachsam sein“

„Es heißt, die Zeit heilt alle Wunden. Aber das stimmt so nicht. Es gibt Wunden, die heilen nie“, eröffnet Kaminsky ein Statement, das er am Jahrestag der Terrornacht vom 19. Februar 2020 auf Facebook veröffentlichte. Der rassistisch motivierte Anschlag sei eine Wunde, die immer wieder schmerzen würde – vor allem die Angehörigen der Opfer, aber auch die Stadt Hanau und viele Menschen über diese Grenzen hinaus.

Kaminsky und Ministerpräsident Bouffier betonten gemeinsam, wie wichtig es sei, sich die Menschlichkeit und Persönlichkeit der Getöteten immer wieder vor Augen zu halten. Bouffier betonte, dass den Angehörigen und Freunden trotz des tiefen Leides, das immer bleiben werde, etwas „Besonderes“ bei der Erinnerung gelungen sei: „Die Opfer sind nicht anonym geblieben.“

Er sagte außerdem, Rassismus sei ein Gift, das manchmal unbedacht, manchmal schleichend und immer öfter auch ganz offen zutage trete. „Wir müssen deshalb wachsam sein, wir dürfen nicht gleichgültig bleiben. Wir müssen Rassisten widersprechen und schon gar kein Verständnis zeigen. Der Tod dieser Menschen verpflichtet uns, beieinander zu bleiben und uns nicht spalten zu lassen.“

Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) bei der offiziellen Gedenkstunde auf dem Friedhof in Hanau am zweiten Jahrestag für die Opfer der rassistisch motivierten Anschläge von Hanau im Jahr 2020.
Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) bei der offiziellen Gedenkstunde auf dem Friedhof in Hanau am zweiten Jahrestag für die Opfer der rassistisch motivierten Anschläge von Hanau im Jahr 2020. © Boris Roessler/dpa

Bundeskanzler Olaf Scholz erinnert mit Namen an Opfer des Anschlags von Hanau

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der an der Gedenkveranstaltung in Hanau nicht teilnahm, erinnerte am Samstag (19.02.2022) in einer auf Twitter verbreiteten Videobotschaft namentlich an die Opfer des rechten Terrors in Hanau. „Heute sagen wir laut eure Namen, weil wir euch nicht vergessen“, sagte der Kanzler an die Opfer gerichtet. Und: „Euch, euren Familien und Freunden schulden wir Antworten auf die Fragen, die bis heute offen sind.“ Er versprach außerdem, die Bundesregierung werde „Rassismus und rechten Terror entschlossen bekämpfen“.

Initiative 19. Februar Hanau kritisiert Gedenkstunde: „Viele bleiben ausgeschlossen“

Wegen der Corona-Pandemie* hat das Land Hessen die Teilnehmerzahl bei der offiziellen Gedenkfeier auf dem Hanauer Friedhof die Teilnehmerzahl auf 100 beschränkt. Die Angehörigen kritisierten das Vorgehen des Landes, sie hätten sich mehr Unterstützer und Freunde der Opfer auf der Veranstaltung gewünscht. „Viele, die sonst an jedem 19. an unserer Seite sind, bleiben durch die Auflagen des Landes Hessen ausgeschlossen“, schreibt die Initiative 19. Februar* Hanau in einem Statement.

Die Hinterbliebenen beklagen, dass sie selbst nicht mitentscheiden konnten, wer zu der offiziellen Gedenkstunde eingeladen wird und wer nicht. „Das Land Hessen hat unsere Gedenkstunde vereinnahmt“, kritisierte Emiş Gürbüz, die Mutter des ermordeten Sedat Gürbüz, auf der Veranstaltung am Samstag.

Zwei Jahre nach dem rassistischen Anschlag in Hanau: Gedenken und Aufarbeitung

Ein 43 Jahre alter Rechtsextremer hatte am 19. Februar 2020 in Hanau neun Menschen aus rassistischen Motiven ermordet*: Sedat Gürbüz, Gökhan Gültekin, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov. Danach tötete der psychisch kranke Mann seine Mutter und nahm sich selbst das Leben.

Mit der Aufarbeitung der Tat befasst sich derzeit ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss des hessischen Landtags*, der vor allem der Frage nachgeht, ob es vor, während oder nach dem Anschlag zu einem Behördenversagen kam. Bouffier bat angesichts der andauernden Kritik am Umgang mit den Hinterbliebenen in seiner Rede auch um Verständnis für die Behörden, die das Attentat ebenfalls vor schwere Herausforderungen gestellt habe. „Wir nehmen das alles sehr ernst und es ist sehr wichtig, die Arbeit ist noch lange nicht getan“, betonte der Ministerpräsident.

Neben dem Gedenken auf dem Hanauer Hauptfriedhof waren am Samstag (19.02.2022) zahlreiche weitere Gedenkveranstaltungen, Kundgebungen und Demonstrationen in Hanau, Frankfurt und weiteren Städten in ganz Deutschland geplant. (iwe/dpa) *op-online.de ist Teil von IPPEN.MEDIA.

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