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Ansichten aus dem Stall

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Dieser aufwendige Nachbau zeigt die der Kapelle von Saneberg/Oberstaufen im Allgäu, inklusive der dortigen großen Krippe.
Dieser aufwendige Nachbau zeigt die der Kapelle von Saneberg/Oberstaufen im Allgäu, inklusive der dortigen großen Krippe. © Detlef Sundermann

Das frisch geborene Jesuskind mal mit Lockenpracht auf dem Haupt, als miniaturisierter Erwachsener mit zum Segenerteilen geformter Hand oder gar einfach als Säugling, dem man vermutlich aus Scham einen winzigen Streifen blauen Stoff über das Geschlecht gelegt hat. Jesus in der Krippe in einem Stall bei Bethlehem, auf der einen Seite Maria, auf der anderen Josef, sich nähernd die heiligen Könige und ruhende Schafe, das sind zumeist die Bestandteile einer Weihnachtskrippe.

Hanau – Dass diese Dioramen zum Heiligabend dennoch ziemlich unterschiedlich ausfallen können, zeigt sich nicht allein in der Darstellung des Jesus-Kindes in der mit Stroh gefüllten Futterkrippe. Der Heimat- und Geschichtsverein Klein-Auheim (HGV) präsentiert derzeit im Museum Radwerk zum 22. Mal eine Sonderausstellung mit Krippen. Die Exponate sind Leihgaben zumeist von Privatleuten.

Über 30 Jahre lang soll nach und nach an dieser Krippe gearbeitet worden sein.
Über 30 Jahre lang soll nach und nach an dieser Krippe gearbeitet worden sein. © Detlef Sundermann

Eine besondere, nicht nur durch ihre Größe beeindruckende Version einer Weihnachtskrippe in der Schau stammt von der renommierten Kirchenbildhauer-Dynastie Busch, die in der Steinheimer Vorstadt ihre Werkstatt hatte. Rund 120 Jahre alt ist die über Jahre ergänzte Figurengruppe in realistischer und ausdrucksstarker Darstellung. Es sind Gesichter, die keine Freude über das Ereignis zeigen, wohl ahnend, wie das Leben des Säuglings mal enden wird. Die Buschs haben sich augenscheinlich die Mimik in Madonnenbildnissen der vorangegangenen Jahrhunderte zum Vorbild genommen.

Manch kleine Krippe in der Schau nimmt diesen religiösbestimmten Duktus zwar ebenso auf, gleichwohl bei keiner wirkt der Gesichtsausdruck der Figuren so lebendig wie bei denen der Buschs. Die Krippe stand einst in der katholischen Kirche Peter und Paul in Klein-Auheim samt der obligatorischen Sammelbüchse des „Päpstlichen Werks der hl. Kindheit“ in Gestalt eines afrikanischen Knaben, der bei jedem Münzeinwurf dankbar mit dem Kopf nickt.

Diese Krippe stammt aus dem Klein-Auheimer Lokal „Zum Grünen Baum“.
Diese Krippe stammt aus dem Klein-Auheimer Lokal „Zum Grünen Baum“. © Detlef Sundermann

Es gibt aber auch die moderne Darstellung der Stall-Szene, bei der auf Abstraktion der Figuren gesetzt wird, etwa die handgemachte Kofferkrippe von Ulrich Noll. Die Püppchen sind aus Holz, mit rundlichen Leibern und Köpfen ohne Gesicht. Das hat etwas von schlichter skandinavischer Moderne der 60er Jahre. „Die Krippe habe ich in diesem Jahr aus Buchenresten gearbeitet, die bei einem Bekannten beim Brennholzmachen anfielen“, sagt Noll. Die Bauzeit habe ein halbes Jahr betragen. Das verwundert nicht, denn das Stalldach allein soll aus 1220 winzigen Holzschindeln bestehen. „Nichts ist geklebt oder geschraubt, alles ist nur gesteckt und mit Schellack überzogen“, sagt der 76-Jährige, der etwa auch in Kitas bastelt. Er baute während der Corona-Zeit sogar eine zweite Krippe, die nun für einen guten Zweck versteigert wurde. Die Kofferkrippe aber bleibt in der Familie, wo dieser Weihnachtsbrauch Tradition hat. „Ich habe zu meiner Tochter gesagt, die Kofferkrippe ist ein Erbstück“, so Noll.

Unter den Exponaten sind auch nicht wenige, die fix und fertig gekauft wurden wie die von Lorey aus den 1990er Jahren, die die Besitzerin nun mangels Interesse der Familie verkaufen will, oder die der Porzellanmanufaktur Goebel, eine Krippenszene mit niedlichen Püppchen besetzt. Da passt es nur ins Bild, dass das Jesus-Kind im rosa Babykleidchen in einem Weidenkorb liegt. Infos zur Ausstellung: Die Ausstellung ist im Radwerk, Gutenbergstraße 7, am 7. und 8. Januar von 13 bis 17 Uhr zu sehen.

Von Detlef Sundermann

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