„So schwierig war es noch nicht mal in den zwei Jahren Corona“: Bäcker kämpfen mit steigenden Kosten

Die Rohpreise für Lebensmittel und Energie steigen an. Die Bäcker in Hanau müssen ihre Preise ebenfalls anpassen, da sie sonst keinen Gewinn mehr haben.
Hanau – Jochen Kolb ist Bäckermeister aus Leidenschaft. In Hanau betreibt er vier Filialen, ist Arbeitgeber für fast 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. „Aber so schwierig wie jetzt war es noch nicht mal in den zwei Jahren Corona-Pandemie“, sagt der 47-Jährige im Gespräch mit unserer Zeitung. Alles ist teurer geworden – Mehl, Butter, Energie.
Vor allem die heimischen Bäcker können ein Lied davon singen. „Die Stromkosten sind im Vergleich zum vergangenen Jahr um 55 Prozent gestiegen, die Ausgaben für Gas werden folgen, wenn mein Vertrag Ende des Jahres ausläuft und ich einen neuen abschließen muss“, so Kolb.
Kunden haben Kaufverhalten umgestellt: Bäcker in Hanau merkt, dass weniger gekauft wird
Für 100 Kilogramm Mehl hat der Bäckermeister vor wenigen Monaten noch 30 Euro bezahlt, jetzt sind es 59. Das Kilo Butter kostet heute 8,60 Euro statt 5,50 Euro. Weitere Beispiele gäbe es zuhauf.
Im April hat Jochen Kolb die Preise in seinen Filialen angehoben. Nahezu alle Produkte kosten jetzt zwischen acht und zwölf Prozent mehr – ein Standard-Brötchen 45 statt 40 Cent. „In der ersten Woche lief es toll, aber dann haben die Kunden ihr Kaufverhalten umgestellt“, berichtet der Bäckermeister. Statt drei Broten in der Woche wird nur noch eins beim Traditionsgeschäft, die beiden anderen beim Discounter gekauft. Und Frühstücksbrötchen werden zuhause belegt. Den genauen Absatz, so Kolb, könne man gar nicht mehr voraussagen.

Rohstoffe werden teurer: Bäcker in Hanau müssen Preise und Prozesse anpassen
Die Kunden nehmen es hin, manche zeigten Verständnis. Wird’s noch teurer? Jochen Kolb schüttelt den Kopf. „Noch höher geht nicht“, sagt er und schiebt hinterher, „da können sich ja noch weniger Leute Brot und Brötchen leisten.“
Und wo will er dann noch sparen, wenn’s immer teurer wird? Am Sortiment, sagt Kolb. Produkte, die rohstoff- und personalintensiv sind, soll es künftig nicht mehr geben. „Statt Sahnetörtchen werden wir Blechkuchen anbieten, weniger Gebäck und vielleicht die eine oder andere Brot- oder Brötchensorte aus dem Sortiment nehmen“, erklärt er. „Wenn Dinge dann alle sind, ist das so.“
Statt Sahnetorte gibt es in Hanau Blechkuchen: Wegen hohen Lebensmittel- und Energiepreisen
Woanders kann er nicht sparen. Die Öfen sind ausgelastet, die Temperaturen müssen bleiben, die Kühlung, die siebenmal mehr kostet als das Backen, wird genauso gebraucht. 2019 hatte Kolb in neue Öfen investiert. „Das hätte ich nicht gemacht, wenn ich gewusst hätte, was kommt“, ist sich der 47-Jährige sicher.
Dass die Entwicklung stoppt, gar wieder in die andere Richtung gehen könnte, daran glaubt der Hanauer nicht. „Diese Krise ist schlimmer als Corona. Da gab es wenigstens noch staatliche Hilfen, jetzt müssen wir einen eigenen Weg finden. Meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hätten eigentlich eine Lohnerhöhung verdient, aber das kann ich nicht machen.“ Im Oktober soll der Mindestlohn auf zwölf Euro angehoben werden. Das treffe auch seine Branche, so Kolb, der sicher ist, „dass diese Erhöhung viele Arbeitsplätze kosten wird“.
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Bäcker in Hanau müssen Preise anpassen: „Jetzt wissen wir nicht, wie es weitergeht“
Mit den gestiegenen Rohstoff- und Energiekosten hat auch die Bäckerei Schaan in Niederdorfelden zu kämpfen. „Während der Pandemie konnten wir uns wenigstens auf die Bedingungen einstellen, jetzt wissen wir überhaupt nicht, wie es weitergeht“, sagt Betriebsleiter Sascha Brey. Der 49-Jährige blickt sorgenvoll in die Zukunft. Der Bäckereibetrieb mit Hauptsitz in Niederdorfelden unterhält 29 Filialen, beschäftigt 150 Mitarbeiter und backt täglich 20 .000 Brötchen. Das Filialgeschäft ist das größte Standbein des Traditionsunternehmens mit Wurzeln in Frankfurt-Seckbach. Zudem beliefert Schaan Krankenhäuser, Altenheime und Weiterverkäufer. „Wir sind froh, dass größere Veranstaltungen mittlerweile wieder stattfinden können“, sagt Brey. Unter anderem wird Schaan den Ironman mit Backwaren versorgen – ein gutes „Zubrot“.
Ein weiteres Problem: Der Fachkräftemangel im Handwerk. Eigentlich müsste Schaan komplett auf „Handarbeit“ verzichten und mehr Maschinen kaufen. Eine Entwicklung, die das Traditionsunternehmen bisher scheute. Auch die Kosten für die Investitionen müssen erwirtschaftet werden.
Kosten sind explodiert: Bäcker aus Hanau müssen wegen Preiserhöhungen kämpfen
Die Kalkulation werde insgesamt immer wichtiger, so der Betriebsleiter. „Unsere Gaskosten sind um 14. 000 Euro im Monat gestiegen“, nennt Brey ein Beispiel. Um den Verbrauch zu drosseln, wurden unter anderem Leerläufe der Öfen miniert und Abläufe angepasst. Zudem wird das Licht in der Produktionshalle in manchen Bereichen ausgeschaltet. „Wir konnten im Vergleich zum Vorjahr 10 .000 Kilowattstunden einsparen, doch die Kosten sind trotzdem explodiert.“ Auch die Stromrechnung sei deutlich nach oben geschnellt. „Wir überlegen nun, uns Photovoltaik aufs Dach zu setzen. Doch die Anlagen sind natürlich derzeit überall gefragt“, so Brey. Die sieben Lieferwagen fahren statt zweimal, jetzt teilweise nur noch eine Tour am Tag. Denn auch Diesel ist teuer geworden.
Eine Konsequenz aus den gestiegenen Rohstoffpreisen: Auch Schaan hat sein Sortiment gestrafft. „Wir haben uns von Creme- und Sahneartikeln getrennt, es gibt nur noch Blechkuchen“, erklärt der Betriebsleiter. Ein schmerzlicher Schritt für den gelernten Konditor. „Eine reine Vernunftentscheidung“, so Brey.

Kampf wegen steigenden Kosten: Mehl kostet für Bäcker aus Hanau 50 Prozent mehr
Die gestiegenen Kosten gibt der Betrieb in Teilen an die Kunden weiter. Brey rechnet vor: Ein Mehrkornbrötchen kostet aktuell 80 Cent, vor einem Jahr waren es noch 70 Cent. „Das Mehl kostet 50 Prozent mehr, die Sonnenblumenkerne 60 Prozent. Dazu kommen die Energiekosten bei der Produktion. Eigentlich müsste das Mehrkornbrötchen noch teurer sein, aber das kann man den Kunden nicht zumuten.“ Schaan hat deshalb auch entschieden, die Preise für das Kaiserbrötchen (35 Cent) und für das Schaanies (40 Cent) vorerst nicht zu erhöhen. Man wolle den Kunden signalisieren: Wir gucken uns das Produkt genau an, bevor wir die Preise anheben.
Dennoch: Dass der Euro bei den Leuten weniger locker sitzt, merkt man auch in Niederdorfelden. „Bei Brot und Brötchen für den täglichen Bedarf sehen wir das geänderte Kaufverhalten unserer Kunden noch nicht. Einbußen haben wir im sogenannten Zusatzgeschäft. Die Leute verzichten auf ein Stück Kuchen oder ein belegtes Brötchen, was sie sich früher gegönnt haben“, berichtet Brey. Oder sie kaufen beim Discounter ein. Was passiert, wenn die Kostenspirale weiter nach oben geht, vermag er nicht zu sagen. (Yvonne Backhaus-Arnold/Mirjam Fritzsche)