Tausende erleben Zauber der „Wilhelmsbader Sommernacht“ in Hanau

Mit welcher Musik beendet man am besten die „Wilhelmsbader Sommernacht“? Walzer? Walzer! Was sich die Programmplaner für die letzten von vier Zugaben ausgedacht hatten, zündete in beeindruckender Weise. Denn als die Neue Philharmonie Frankfurt „An der schönen blauen Donau“ von Johann Strauss intonierte, tanzte der ganze Staatspark: Paare, Freundinnen, Väter und Töchter, auf dem Karussellhügel, auf dem Platz vor der Bühne, auf der Promenade.
Hanau - An einem Gastrostand stellte ein älteres Ehepaar, das offenbar schon auf dem Heimweg war, kurzerhand die große Tasche ab, um spontan seine Walzerrunden zu drehen. Der Blick auf den tanzenden Park hatte etwas Anrührendes und zauberte einem unwillkürlich ein Lächeln ins Gesicht.
Vorausgegangen war dem eine im Rhein-Main-Gebiet einzigartigen Open-Air-Veranstaltung mit einer Mischung aus Klassik, Rock und Pop mit großem Orchester, über 60 Musikern und einer besonderen Picknick-Atmosphäre. Wie viele Besucher es waren, ist schwer zu schätzen – zwischen 7500 und 10 000, heißt es.
Unvergleichliche Atmosphäre
Mit der Ouvertüre zur Beethoven-Oper „Fidelio“, dem Eröffnungsstück des Abends, und Auszügen aus Mussorgskys „Bilder einer Ausstellung fiel der rein klassische Teil der 21 Darbietungen vergleichsweise klein aus. Und das grandios-voluminöse „Große Tor von Kiew“ aus Mussorgskys Zyklus, hätte man sich vielleicht etwas später vor der dann herrlich illuminierten Kulisse gewünscht. Aber geschenkt. Denn im Programm unter dem Motto „Friede, Freiheit, Sommernacht!“ fanden sich viele Perlen, bei denem einem das Herz aufging. Etwa die Carol-King-Ballade „You’ ve got a Friend“, interpretiert von Katrin Glenz. Oder der druckvolle Dreierpack mit Titeln von Foreigner („Juke Boy Heroe“), Whitesnake („Here I go again“) und einem herrlich schrammeligen Rock-Oldie von Slade.
Die Musik trägt zu der unvergleichlichen „Sommernacht“-Atmosphäre bei. Aber auch die Besucher, die mitunter Stunden vorher ihr Plätzchen im Staatspark suchen. Ja, es gibt sie noch, die aufwendigen Pavillons, die mit Tisch, Stühlen, Lichterketten und üppigem Essen ausgestattet werden. Aber es sind weniger als noch vor Jahren. Hochkonjunktur haben Klappstühle – vom einfachen Anglerhocker bis zum faltbaren Sessel. Zur Ausrüstung gehören mitunter auch leuchtende Haarkränze, die die beim Tanzen herrlich im Dunklen flirren. Und Decken sowieso. Auch diesmal war im hügeligen Park fast jeder Meter belegt. Bei der frühzeitigen Platzwahl galt es freilich, Weitsicht zu beweisen. „Wir haben uns etwas vertan“, lachte ein Mittvierziger aus einer Freundesgruppe aus Büdingen, die am frühen Abend unter einem großen Baum am Weiher ihre Decke ausgebreitet und später mit reichlich Blendwirkung der untergehenden Sonne zu kämpfen hatte. Aber alles nur eine Frage der Zeit....
Kultoursommer soll in Wilhelmsbad bleiben
Während vor der Pause „Chasing Cars“ von Snow Patrol und der Seal-Hit „Crazy“ erklangen, saß Cheforganisator Bernd Michel endlich entspannt vor dem Zelt des städtischen Veranstaltungsbüros. Ja, es habe im Vorfeld wegen der Nutzung des Geländes Reibereien mit der Landesbehörde Staatliche Schlösser und Gärten gegeben, die den dem Land gehörenden Staatspark verwaltet, bestätigte er. Das sollte an dem Konzertabend mit seiner entspannten Atmosphäre aber ausgeblendet sein. Stattdessen berichtete Michel davon, dass der „Hanauer Kultoursommer 2022“ den von 2019 „klar getoppt hat“.
330 Zuschauer wurden seit 15. Juli im Schnitt bei den Veranstaltungen vor der Bühne neben dem Comoedienhaus in Wilhelmbad gezählt – insgesamt 4000. Dazu kommen die Besucher des jetzigen Final-Wochenendes mit der „Wilhelmsbader Sommernacht“ als Höhepunkt, Alles das auf der großen Bühne unterhalb des Karussellhügels. Und all das ohne Eintritt. Der „Kultoursommer“, der 2019 aus dem Fronhof in der City ans Comoedienhaus verlegt worden ist, soll laut Michel in Wilhelmsbad bleiben. Allein schon wegen der viel gelobten Location.
Als später, kurz vor dem Zugaben-Block, für die Neue Frankfurter Philharmonie unter Leitung von Jens Troester sowie die Band mit Ralf Hübner, Gaby Jüttner, Ulrich Wagner und Philipp Hagemann bei der Vorstellungsrunde eifrig Beifall geklatschet wurde, gab es besonders viel Applaus für die Gesangssolisten Katrin Glenz, Karsten Stiers und Achim Dürr. Und zum Donau-Walzer wurde am Ende einer zauberhaften „Wilhelmsbader Sommernacht“ natürlich auch auf der Bühne im Dreivierteltakt getanzt.
Von Christian Spindler
