1. Startseite
  2. Region
  3. Hanau

Die Biber erobern Hanau und den Main-Kinzig-Kreis

Erstellt: Aktualisiert:

Kommentare

Der Fallbach an der Oderstraße und das durch den Biber entstandene Biotop.
Der Fallbach an der Oderstraße und das durch den Biber entstandene Biotop. © Detlef Sundermann

Mit seiner mutmaßlichen possierlichen Verwandten, der Nutria, will er nicht verwechselt werden. Der Biber erweist sich mit seiner gut doppelten Körperlänge und seinem leicht dreifachen Gewicht, bis zu 30 Kilogramm, als ein ganz anderer Typ. Er macht Landschaften zu Seen, ohne Rücksicht darauf zunehmen, dass Äcker, Straßen oder gar Keller volllaufen.

Hanau - Der Biber ist ein Landschaftsgestalter, ein Könner in Sachen Hochwasserschutz und ein wahrer Meister des Dammbaus – nicht ohne Eigennutz. Im Beritt des Forstamtes Hanau-Wolfgang leben mindestens 50 Biber – und es werden von Jahr zu Jahr mehr. Dass es zu einem einvernehmlichen Miteinander von Natur und Zivilisation kommt, dafür sorgt Biberbeauftragter Michael Heilmann, beim Forstamt für den Naturschutz zuständig.

„Ist hier nicht ein fantastisches Biotop entstanden, in dem sich viele Amphibien entwickeln können, zwischen einer Umgehungsstraße und dem Hanauer Gewerbegebiet Nord?“, fragt Heilmann, wohlwissend, dass die Antwort nur Ja lauten kann. Auf einem langen Abschnitt des dort einst kanalartig geführten Fallbachs gibt es nun eine natürliche Bachlandschaft mit flachen Ufern oder Gräsern, die aus dem Wasser wachsen können. Ein Revier, wo der Silberreiher gern nach Futter Ausschau hält.

„Biber und Bauwerke sind streng geschützt“

Im Dezember bereitete das Stauwerk des Bibers, das aus unzähligen schmalen und dicken Holzknüppeln sowie einem Sockel aus festem Lehm besteht, den Zuständigen bei der Stadt Hanau, den Naturschutzbehörden und Hessen-Forst noch einige Sorgen. Der Wasserpegel auf der Wiese zwischen Oderstraße und der A66 stieg und schien zu einer dauerhaften Seenplatte zu werden – die Fläche wird immerhin auch landwirtschaftlich genutzt. Allerdings entstand auf diese Weise unterhalb des Damms ein guter Hochwasserschutz. Unabhängig von dieser wassertechnischen Betrachtung konnte dieser Zustand nicht bleiben.

„Biber und ihre Bauwerke sind streng geschützt“, sagt Heilmann. Einer Zerstörung des Bauwerks hätte die Obere Naturschutzbehörde beim Regierungspräsidium Darmstadt nicht zu gestimmt. „Es wurde ein Drainagerohr am Damm installiert, sodass der Wasserpegel möglichst nicht die 80-Zentimeter-Marke übersteigt“, sagt Heilmann. Ein Kompromiss, mit dem auch der pelzige Deichgraf offenbar leben kann.

Mehr als 1000 Hektar Schutzgebiet

Eine solche Lösung hat Hessen-Forst zudem erfolgreich am Biberdamm unterhalb der Alten Fasanerie angewendet. Im Mai 2021 hatte das Tier das Hellenbachtal in Steinheim geflutet – das ohnehin eine historisch nasse Ecke ist. Bei normalem Wasserstand bleibt nun auch die Wiese an der Oderstraße trocken. Zurzeit führt der Fallbach jedoch viel zu wenig Wasser, als dass überhaupt ein Tropfen vom Nass durch den ofenrohr-dicken Abfluss gelangen kann.

Michael Heilmann ist seit vergangenen November für den Naturschutz im Zuständigkeitsbereich des Forstamtes Wolfgang verantwortlich, der sich von Maintal bis Wächtersbach erstreckt. In Hessen gibt es rund 50 dieser Funktionsstellen, sagt Heilmann. In seiner Obhut liegen 33 Schutzgebiete verschiedenen Status, etwa FFH-Gebiet oder Natura-2000-Räume. Insgesamt ergeben sich mehr als 1000 Hektar, sagt er.

Biber brauchen Grünstreifen

In Lehrgängen wurde Heilmann zusätzlich zum Biberbeauftragten ausgebildet. Er fungiert als Bindeglied zwischen Biber und Mensch, genauer zwischen all jenen, die von der Existenz des Tieres betroffen sind. Hierzu zählen etwa Landwirte, heißt es von Heilmann. Dort, wo der Biber auftaucht und sich einrichtet, sorgt er für günstige Bedingungen.

„Der Biber benötigt an seinem Gewässer einen 20 bis 30 Meter breiten Grünstreifen auf beiden Uferseiten.“ Da müsse dann mit Landwirten verhandelt oder die nötige Fläche dem Besitzer abgekauft werden. Auf dem Landstreifen von mehreren Hundert Metern Länge findet der monogam lebende Biber sein Fressen. Der Veganer gibt sich mit Weichhölzern und Ästen samt Knospen, mit Grund für seine Leidenschaft als Holzfäller, und krautigen Pflanzen als Mahl zufrieden.

Bestand hat stark zugenommen

Zu Heilmanns Aufgaben gehört aber auch, die Entwicklung der Biberpopulation zu beobachten und an die Naturschutzbehörden zu berichten. Keine ganz einfache Aufgabe. Denn der plump wirkende Geselle ist ein reinliches Tier, das sein „großes Geschäft“ in der Regel im Wasser erledigt. Totfunde seien daher ein wichtiger Indikator. „Der Bestand hat stark zugenommen“, sagt Heilmann. Vor zwölf Jahren seien in Hessen 220 Tiere registriert worden, heute liege die Zahl bei 700 bis 800. Deutschlandweit soll es mehr als 30 000 Tiere geben, die meisten davon in Bayern. Im Gebiet von Heilmann soll es rund 50 Biber geben, vor allem entlang der Kinzig, die ihre Wohnung oft in teilgefluteten Höhlen haben, seltener in der typischen Biberburg mit ihrem Unterwasserzugang, um Feinde aus dem Bau herauszuhalten. Im Damm wohnt der Biber hingegen nicht.

Während der Wolf, der neben dem Bär ein natürlicher Prädator ist, sich durch Wanderung zunehmend in der Region verbreitet, wurde der Neuanfang für den Biber im Kreisgebiet am 13. Oktober 1987 mit einem Neubesatz gemacht. Knapp 30 Jahre zuvor war der Biber dort ausgestorben.

Einst wurde er gejagt

Andernorts war der Dammbauer wegen seines Pelzes, seines Sekrets, dem Heilkraft nachgesagt wird, und wegen seines nach Wild schmeckenden Fleisches schon längst ausgerottet. Der preußische König Friedrich Wilhelm I. erließ bereits 1714 zum Schutz des Bibers eine Anordnung, laut der die übermäßige Bejagung unter Strafe verboten war.

Bei Sinntal wurden vor 35 Jahren drei Pärchen Elbe-Biber ausgesetzt. Eine, wie es damals aus dem hessischen Ministerium für Landwirtschaft und Naturschutz hieß, „geheime Kommandosache“, denn die Tiere kamen aus Magdeburg, also aus der seinerzeitigen DDR.

Das war – das kommt: In der Waldserie 2022, die den Fokus auf die heimische Tierwelt legt, haben wir gemeinsam mit den Förstern des Forstamts Hanau-Wolfgang bisher folgende Themengebiete vorgestellt: „Wiedervernässungsmaßnahmen für Amphibien und Reptilien“und „Klimaerwärmung - wie verändert sich der Wald und die Tierwelt um uns herum?“. Als nächstes steht die Wildkatze im Vordergrund, als heimlicher Bewohner des Waldes. Den letzten Teil widmen wir den freien Flächen im Wald und stellen die Frage „Wald weg? Was lebt dann noch auf den Kahlflächen?“.

Von Detlef Sundermann

Michael Heilmann, Biberbeauftragter beim Forstamt Wolfgang, inspiziert Nageschäden.
Michael Heilmann, Biberbeauftragter beim Forstamt Wolfgang, inspiziert Nageschäden. © -
Meisterhafte Pfotenarbeit mit Holzstöcken und Lehm: Der Damm unterhalb der Fasanerie in Klein-Auheim.
Meisterhafte Pfotenarbeit mit Holzstöcken und Lehm: Der Damm unterhalb der Fasanerie in Klein-Auheim. © -

Auch interessant

Kommentare