Hanauer Theatergruppe Stückgut spielt „Woyzeck“

Hitzewelle hin oder her – im Dachgeschoss des Schulgebäudes am Schlossplatz kamen am Wochenende nicht die Schüler der Karl-Rehbein-Schule ins Schwitzen, sondern die „Stückgutler“. Die Theatergruppe Stückgut probte hier ihr aktuelles Stück. Regisseur Christian Nabroth und Coach Hannah Schassner gaben dem Drama „Woyzeck“ von Georg Büchner den letzten Schliff.
Hanau - Den allerletzten Feinschliff erhält die Inszenierung dann bei der Generalprobe im Lokschuppen. Der letzte Aufführung der Hanauer Theatergruppe Stückgut liegt, – wie sollte es anders sein – bereits über zwei Jahre zurück. Anfang März 2020 feierte das Ensemble Stückgut mit einem zweiten Loriot-Abend mit Musik Premiere vor ausverkauftem Haus und musste dann alle Vorstellungen ab Mitte des Monats absagen.
Jetzt also soll es endlich wieder losgehen, die Vorfreude auf die Premiere im Lokschuppen ist riesig. Zur Abwechslung wollte die Gruppe ein ernstes Stück zur Aufführung bringen. Das hatten die Mitglieder gemeinsam beschlossen und sich für das Dramenfragment „Woyzeck“ von Georg Büchner entschieden.
Viel Raum zur Interpretation
Obwohl nur fragmentarisch überliefert, gehört das zeitlose Stück zur Pflichtlektüre in der Oberstufe und ist ein Theaterklassiker. „Die Reihenfolge der Szenen ist nicht festgelegt“, sagte Regisseur Christian Nabroth. Das lasse viel Raum zur Interpretation und so gleiche keine Inszenierung der anderen.
Für das Hanauer Ensemble hat der Regisseur das Stück bearbeitet. Dabei hat er den Nebenrollen ein etwas größeres Gewicht verliehen. Marie, gespielt von Johanna Nabroth und ihre Nachbarin, dargestellt von Marion Liese, kommen so stärker zu Geltung. Als behandelnde Ärztin wird Judith Gerner auf der Bühne zu sehen sein. Hauptfigur des Dramas bleibt natürlich Woyzeck. Hierfür konnte die Theatergruppe Julian Herget gewinnen. Der Hanauer lebt inzwischen in Mainz, nimmt aber die Fahrten für eine Hauptrolle sehr gerne auf sich. „Welcher Schauspieler würde das verlockende Angebot einer Hauptrolle nicht annehmen?“, meinte Herget.
Woyzeck hat mehrere Seiten
Zustande kam die Zusammenarbeit über das Coaching durch Hannah Schassner. Die freiberufliche Regisseurin, Dramaturgin und Schauspielerin arbeitet unter anderem bei den „Landungsbrücken“ in Frankfurt und macht Theater-Projekte mit Jugendlichen. Sie unterstützt die Inszenierung der Hanauer Theatergruppe. Stückgut hat sich für eine „moderne“ Darstellung entschieden.
So braucht es nur wenige Requisiten, schlichte weiße Quader genügen, um die Szenen an verschiedenen Orten spielen zu lassen. Vor allem wird die Hauptfigur aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet. „Woyzeck ist … Soldat. Versuchskaninchen. Barbier. Vater. Geliebter. Mensch“, heißt es in der Programmvorstellung.
Diskriminierung als Thema
Woyzeck hat mehrere Seiten, er kann alles sein – Mann, Frau, Täter, Opfer. Wo liegt die gesellschaftliche, wo die individuelle Verantwortung? Im Blick auf die Gesellschaft spielt die Frage von Hierarchien und Macht zum Verständnis von Woyzeck ebenfalls eine Rolle.
Mit der Inszenierung will Stückgut den Finger auf das Thema Diskriminierung legen. Es geht um Diskriminierung von Menschen, die im Leben kaum eine Chance haben – eine Fragestellung so aktuell wie zeitlos. Die sozialkritischen und gesellschaftspolitischen Aspekte des Stücks wurden in einem Seminar diskutiert und herausgearbeitet.
Seminar und Coaching gehören zum Projekt Theaterfestival Jetzt! UN(D)sichtbar. Das Theaterfestival bietet eine Plattform für kulturellen Austausch in Hanau vom 29. September bis 3. Oktober. Für das Festival ausgewählt wurden sieben Laientheater, vier Schultheatergruppen und drei Amateurtheater, darunter auch Stückgut. Die Amateur- und Schultheatergruppen erarbeiten im Rahmen des Theaterfestivals ihre inhaltlichen wie künstlerischen Ansätze zu gesellschaftlich relevanten Themen. Das Format – Workshop und Coaching – kam durch das Festival zustande. Das Coaching habe der Inszenierung neue Impulse gegeben, die Ausgestaltung habe sich mehrfach verändert. Bei Stückgut können alle Mitglieder ihre Ideen einbringen.
Termine und Karten
Aufführungstermine sind Samstag, 2. Juli, 19.30 Uhr, Sonntag, 3. Juli, 18.30 Uhr, Freitag, 8. Juli, 19.30 Uhr, Samstag, 9. Juli, 19.30 Uhr und Sonntag, 10. Juli, 11 Uhr. Einlass ist etwa 30 Minuten vor Spielbeginn. Die Aufführungen finden hier statt: Im Lokschuppen, Heideäcker 1 (über die Auheimer Straße). Tickets beim Buchladen am Freiheitsplatz oder per E-Mail über stueckgut@online.de.
Von Ulrike Pongratz