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Ukraine-Krieg: Geflüchtete Familie findet Wohnung in Hanau

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Von: Yvonne Backhaus-Arnold

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Wow: Als Myroslava und ihr Bruder David die Wohnung betreten, staunen sie nicht schlecht.
„Wow“: Als Myroslava und ihr Bruder David die Wohnung betreten, staunen sie nicht schlecht. © Patrick Scheiber

Eine vor dem Ukraine-Krieg flüchtende Familie findet in Hanau eine neue Bleibe. Die Kinder strahlen. Die Eltern sind sprachlos.

Hanau - Mittwoch. Kurz vor halb zwölf. Mit zwei Taschen in den Händen tritt Ghaleb Omar aus der Tür des Hotels Villa Stokkum in Steinheim. Der Familienvater ist mit seiner Frau Kateryna, dem neun Jahre alten David, der vierjährigen Myroslava und den sieben Monate alten Zwillingen Arina und Darmir aus der Ukraine geflüchtet. Vor eineinhalb Wochen sind sie in Hanau angekommen, haben seither in zwei nebeneinanderliegenden Hotelzimmern gelebt.

Heute ist Auszug. Und Einzug in eine Wohnung. Sven Holzschuh hat den kleinen David auf dem Arm, während der Kleinbus der Feuerwehr Klein-Auheim beladen wird. Das Baby strahlt. Holzschuh auch. Er freut sich, dass die Stadt der Familie eine Wohnung der Baugesellschaft zur Verfügung stellen kann. Nennt es „ein Erfolgserlebnis“. Und nicht nur das. „Auch dass so viele geholfen haben, finde ich klasse“, sagt Holzschuh, der gemeinsam mit Uwe Niemeyer und Alessandra Zeidler die Ukraine-Hilfe der Stadt Hanau koordiniert. Timo Friedmann, auch Teil des Ukraine-Hilfe-Teams, schiebt den Kinderwagen und dann die letzte Tasche in den Wagen.

Bevor die Fahrt beginnt, nimmt Hoteldirektor Achim Hunzinger die Familienmitglieder zum Abschied noch einmal in den Arm. „Super“, sagt er. Und: „Good luck, alles Gute.“ In der Villa Stokkum sind mehrere Dutzend Kriegsflüchtlinge untergebracht. „Auch die beiden Zimmer der Familie Omar werden am Abend schon wieder neu belegt sein“, so Hunzinger. Zehn Minuten dauert die Fahrt über die Steinheimer Brücke ins Hafengebiet. Vor einem Eckhaus hält der Feuerwehrbus. Friedmann überreicht die Schlüssel. Als David und Myroslava die Wohnung betreten, staunen sie nicht schlecht, rennen einmal durch alle Zimmer. In den beiden Tagen zuvor haben mehr als 20 Mitarbeiter des schwedischen Möbelhauses Ikea in Hanau gebohrt, gehämmert und Möbel aufgebaut. Auf dem Tisch stehen Getränke und ein bisschen Obst, im Flur hängt ein Plakat, in Deutsch und Ukrainisch heißt es hier „Herzlich willkommen, Familie Omar“.

Familie aus der Ukraine mit neuer Wohnung in Hanau: Die Kinder strahlen

„Wenn wir einen kleinen Beitrag leisten können, damit es den Menschen und unserer Gesellschaft besser geht, dann geben wir dafür alles“, sagt die Einrichtungshausleiterin Catharina Jank auf Nachfrage unserer Zeitung. Mit Möbelspenden von Ikea wurde die rund 100 Quadratmeter große Wohnung binnen weniger Stunden für die sechsköpfige Familie ausgestattet. „Wir sind stolz auf unsere Region und ihr Engagement“, so Jank. „Die aktuelle Lage in der Welt beschäftigt uns alle, und wir sind froh, dass wir mit diesem Projekt und Sachspenden der Stadt Hanau und einer geflüchteten ukrainischen Familie helfen konnten.“ Auch künftig stehe weiteren Anfragen offen gegenüber, so Jank. „Das ist für uns selbstverständlich als Teil der Stadt und guter Nachbar.“

Schlüsselübergabe: Der städtische Mitarbeiter Timo Friedmann (rechts) hat beim Umzug in die Hafenstraße geholfen.
Schlüsselübergabe: Der städtische Mitarbeiter Timo Friedmann (rechts) hat beim Umzug in die Hafenstraße geholfen. © -

Zu Hause hatten David und seine kleine Schwester auch ein Doppelstockbett, fast so eines wie es hier aufgebaut ist. Eine Holzeisenbahn ist da, ein Farbkasten liegt auf dem Schreibtisch, daneben buntes Papier. Die Kinder strahlen. Die Eltern sind sprachlos.

Ukraine-Krieg: In Lemberg alles zurückgelassen

Ghaleb Omar ist in Syrien geboren, zum Studieren Ende der 1990er in die Ukraine gezogen. Bis 2014 haben er und seine Frau Kateryna in Donezk gelebt. Omar hat im pharmazeutischen Bereich gearbeitet, seine Frau war daheim beim ersten Kind. Dann kam der Krieg. Bomben fielen in ihrer Straße. Sie flüchteten, lebten sogar ein Jahr in Russland, dann im ukrainischen Cherkasy, 150 Kilometer entfernt von Kiew, zuletzt in Lemberg. Geflüchtet seien sie aus Angst, das Land in ein paar Wochen nicht mehr verlassen zu können, hatte die 35-jährige Kateryna bei unserem ersten Gespräch im Hotel gesagt. Und: „Wir haben nur an die Kinder gedacht.“

In Lemberg haben sie ihre Mietwohnung mit allem Hab und Gut zurückgelassen. Freunde haben sie zur Grenze gebracht, dann ging es weiter zu Fuß und mit dem Bus in ein Flüchtlingscamp und weiter nach Dresden. Von dort fuhren sie mit dem Zug nach Hanau. Omars Bruder lebt mit seiner Familie hier, hat Hilfe über die Stadt organisiert. „Zu ihm können wir nicht. Die Wohnung ist zu klein“, sagt der Familienvater.

Ukraine-Flüchtlinge in Hanau: David könnte bald in die Grundschule gehen

Ikea hat die Stadt bei der Einrichtung der Wohnung unterstützt, der Elektronikfachmarkt Saturn eine Waschmaschine gesponsert, ein städtischer Mitarbeiter seinen alten Fernseher abgegeben. Der Besitzer des Restaurants im Erdgeschoss hat die Familie zum Essen eingeladen, seine Reinigungskraft am Morgen noch mal durch die Wohnung gewischt – ehrenamtlich.

Auszug: Ghaleb Omar und sein Sohn tragen Tüten mit Windeln und Kleidung aus dem Hotel.
Auszug: Ghaleb Omar und sein Sohn tragen Tüten mit Windeln und Kleidung aus dem Hotel. © -

Und jetzt? Die Omars sind registriert in Deutschland, waren beim DRK am Hauptbahnhof, um Kleidung und Hygieneartikel zu holen. Die Innenstadt haben sie sich auch schon angeschaut. David könnte bald in die Grundschule gehen. „Das ist in Planung“, sagt Holzschuh.

Kateryna Omar ist täglich mit ihrer Familie in Kontakt. Sie leben in einer Gegend, in der der Krieg noch nicht angekommen ist. „Meine Großmutter ist noch da – und will auch nicht weg“, sagt die 35-Jährige. Zum Abschied winken sie, die Babys auf dem Arm. Jetzt heißt es ankommen in Hanau und in einem neuen Alltag. (Yvonne Backhaus-Arnold)

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