Frauen greifen zum Schweißgerät

Eine Bank oder einen Rosenbogen für den Garten selbst zusammenschweißen – bei der Gesellschaft für Wirtschaftskunde (GfW) in Hanau können das auch Laien lernen. Seit Kurzem bietet das Bildungswerk Schweißlehrgänge speziell für Frauen an. Anderthalb Tage dauert der Schnellkurs, bei dem die Teilnehmerinnen am Ende ihre eigenen Kreationen mit nach Hause nehmen können.
Hanau - Der Anstoß dazu kam von Susanne Goy, die seit 2019 im Unternehmen arbeitet. „Schweißen wollte ich schon immer ausprobieren“, berichtet sie. Schließlich ergab sich die Gelegenheit für einen internen Kurs, an dem Kolleginnen und Kollegen sowie Bekannte teilnahmen. Nach dieser erfolgreichen Premiere, die auch dazu diente, Erfahrungswerte zu sammeln, folgte in diesem Sommer der erste frei zugängliche Schweißlehrgang mit sechs Teilnehmerinnen.
Deren Motivation ist ganz unterschiedlich. Eine Künstlerin ist dabei, die an einer Skulptur arbeitet. Andere wollen es einfach ausprobieren oder sich als Ausgleich zur beruflichen Arbeit am PC mal handwerklich betätigen.
„Das ist überhaupt kein Hexenwerk“
Warum ein Lehrgang speziell für Frauen? Der geschützte Rahmen sei wichtig, meint Susanne Goy. Schweißen werde als Männerdomäne betrachtet, viele Frauen hätten Bedenken, dass sie da nicht mithalten können. Diese Einschätzung teilt auch Monika Kühn-Bousonville. Die ehemalige Frauenbeauftragte der Stadt Hanau war selbst als Teilnehmerin im Schweißkurs dabei. „Es erfordert Selbstvertrauen, zu sagen: Ich kann das genauso gut wie ein Mann.“ Sie und die anderen Frauen hätten aber schnell festgestellt: „Das ist überhaupt kein Hexenwerk.“ Das bestätigt Birgit Höllmer, ebenfalls Teilnehmerin im Kurs. Die Diplom-Pädagogin hat lange in der Hanauer Psychiatrie gearbeitet und hat eine therapeutische Praxis. Handwerkliche Arbeit als Ausgleich empfiehlt sie auch manchen ihrer Patienten. Wenn Menschen im Beruf oder im Alltag festgefahren seien, könne es helfen, mal etwas ganz anderes zu versuchen. Höllmer, die aus einer Handwerksfamilie stammt, hatte beim Kurs mit viel Theorie gerechnet und wurde angenehm überrascht. Etwa 95 Prozent der Zeit sind Praxis.
Großen Anteil daran, dass die Teilnehmerinnen sich wohl und sicher gefühlt und sich die Arbeit zugetraut haben, hatte der Kursleiter. Turgut Karaoglu ist Leiter der Schweißkursstätte Hanau der GfW an der Martin-Luther-King-Straße. Der Schweißwerkmeister war im Laufe seiner Karriere als Ausbilder bei der Handwerkskammer tätig, hat Resozialisierungsmaßnahmen im Gefängnis und Auslandsprojekte in Schwellenländern betreut und Schweißer für die Weltmeisterschaft, den „Weldcup“, vorbereitet.
Gesellschaft für Wirtschaftskunde vermittelt verschiedene Techniken
Das GfW-Bildungswerk richtet sich mit seinen Aus- und Weiterbildungsangeboten an Arbeitssuchende, Auszubildende, Beschäftigte, Zugewanderte und Schüler. Zielgruppe der Lehrgänge der Schweißkursstätte sind metallverarbeitende Berufe wie Schlosser oder Konstruktionsmechaniker. Den Ausbildungsberuf des Schmelzschweißers gibt es bereits seit 1996 nicht mehr. Die berufliche Ausübung ist aber ohne zertifizierten Lehrgang nicht erlaubt, erläutert Karaoglu. Die GfW vermittelt die verschiedenen Techniken, auch seltenere Verfahren wie Titan- oder Nickelschweißen, für die besondere Kenntnisse benötigt werden. Die Zertifikate müssen alle paar Jahre erneuert werden, auch Karaoglu absolviert regelmäßig Fortbildungen.
Die GfW arbeitet mit dem Jobcenter und mit Firmen zusammen, die Schweißer suchen, und bildet spezifisch für die Anforderungen des jeweiligen Arbeitsplatzes aus. Willkommenslotse Hür Tobur führt aktuell viele Gespräche in Unterkünften mit Ukrainern, um sie in Jobs zu vermitteln und dafür zu qualifizieren. Bei Arbeitssuchenden finanziere das Kommunale Center für Arbeit (KCA) den Schweißkurs, wenn dieser Voraussetzung für die Übernahme in einen Arbeitsplatz sei. Zum Programm der GfW zählt zudem die Berufsorientierung für Schüler, die sich an verschiedene Berufe herantasten können.
Für eine Bank im Garten reicht‘s
Nicht zuletzt bietet die Schweißkursstätte auch Schnupperkurse an – nicht nur für Frauen. „Viele kaufen sich eine Maschine und können nicht damit umgehen“, erzählt Turgut Karaoglu. Bei ihm können sie es lernen. Der Crashkurs ermögliche es, anschließend mit einem einfachen Schweißgerät aus dem Discounter zu arbeiten. „Es reicht, um eine Bank für den Garten zu bauen“, sagt Susanne Goy.
Auch der Frauen-Schweißkurs soll eine Fortsetzung finden. Termine sind für Oktober/November avisiert, und sind außerdem auf Anfrage möglich, wenn sich Interessierte privat zusammenfinden. Die Nachfrage ist da. Birgit Höllmer und Monika Kühn-Bousonville haben schon fleißig Werbung im Bekanntenkreis gemacht.
Weitere Infos: Teilnehmen können Frauen von 16 bis 99 Jahren, Vorkenntnisse sind keine Voraussetzung. Infos unter: gfw-bildungswerk.de
Von Katrin Stassig

