Hanau: Fünf Jahre Haft für „Bankräuber mit hässlichem Schlips“

Wegen einer Serie von acht Überfällen auf Banken, zwei Taxifahrer sowie einen Tankwart hat das Landgericht Hanau am Freitag einen 21-Jährigen aus dem Kreis Fulda, der als „Räuber mit der hässlichen Krawatte“ bekannt geworden war, zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt.
Hanau - Halber Windsor, Cavendish, Atlantik oder Calvin? Einige elegante Krawattenknoten sind schwierig. Herrmann W. hätte jetzt viel Zeit, sich stundenlang über den richtigen Knoten Gedanken zu machen. Denn nach dem Urteil der 2. Jugendkammer am Hanauer Landgericht muss der als „Räuber mit der hässlichen Krawatte“ überregional bekannt gewordene 21-Jährige für fünf Jahre ins Gefängnis. Er hat acht Raubüberfälle auf Banken, zwei Taxifahrer sowie eine Tankstelle im Ostkreis verübt und ist vor allem dadurch bekannt geworden, dass er bei zwei Überfällen einen Schlips im „Stil der 80er Jahre“ getragen hatte, wie Zeugen der Polizei sagten (wir berichteten).
Dr. Katharina Jost, die Vorsitzende Richterin, hat statt Krawattenbinden eine viel bessere Idee und eine eindringliche Empfehlung für den jungen Angeklagten, der keine abgeschlossene Lehre besitzt: „Sie müssen dringend eine Ausbildung machen, um eine Struktur in den Tag zu bekommen und ihr eigenes Geld für den Lebensunterhalt verdienen.“ Auch aus diesem Grund habe die vierköpfige Kammer den Strafrahmen ausgeschöpft, damit W. eine Lehre abschließen kann. „Hinter Gittern ist es nämlich leichter für Sie, dass Sie nicht zu spät an Ihren Ausbildungsplatz kommen“, formuliert es Jost am Freitag in ihrer Urteilsbegründung.
Hanauer Staatsanwältin: „Hochkriminelles Verhalten“
Denn die Arbeitslosigkeit durch die abgebrochene Lehre, das fehlende Geld und zahlreiche Online-Bestellungen, die er am Ende nicht bezahlen konnte, seien die Ursache für diese „untypische Raubserie“, wie Jost sie bezeichnet. W., der bislang nicht vorbestraft war, habe einen „Kaltstart“ hingelegt. Zwischen März und Mai 2021 verübte er seine Raubserie, die sich immer mehr steigerte. „Als Sie gemerkt haben, dass da nicht so viel zu holen ist, haben Sie sich Banken ausgesucht“, so die Vorsitzende. Die Abstände zwischen den Verbrechen sind immer kürzer, die Beute höher. Insgesamt erpresste W. über 61 000 Euro – davon stellte die Polizei nach der letzten Tat nur einen Bruchteil sicher. In ihrem Urteil folgt die Kammer vor allem dem Plädoyer von Staatsanwältin Melissa Pfaffenberger, die trotz des umfassenden Geständnisses eine vergleichsweise hohe Jugendstrafe von fünf Jahren und acht Monaten beantragt und das Verhalten des Räubers als „hochkriminell“ bezeichnet – weil W. einige seiner Opfer massiv bedroht und ihnen die Waffe an den Kopf gesetzt habe.
Darauf verweist auch die Vorsitzende: „Einige der Opfer leiden heute noch an den Folgen der Überfälle.“ Und Jost kommt auch intensiv auf einen großen Unterschied in diesem Prozess zu sprechen, denn W. ist höflich, bittet alle Opfer um Verzeihung, wirkt aber eher bubenhaft. „Das ist ein Verhalten, dass man sich bei Ihnen kaum vorstellen kann“, sagt die Richterin. Dennoch sei es angemessen, den 21-Jährigen noch nach Jugendstrafrecht zu verurteilen. „Sie wirken noch nicht so erwachsen.“ Die Kammer folgt aber ebenso dem Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen, der W. als voll schuldfähig einstuft, ihm hinter der freundlichen Fassade jedoch „Emotionslosigkeit“ bescheinigt.
Dennoch hofft die Vorsitzende, dass beim Räuber mit der hässlichen Krawatte der Knoten platzt. „Wir hoffen, dass Sie einen neuen Weg finden. Denn beim nächsten Mal ist es Erwachsenenrecht – mit einer solchen Vorstrafe wird es dann eng“, sagt die Vorsitzende. Eng dürfte seine finanzielle Situation bleiben, denn 43 854 Euro aus der Beute sollen nach dem Urteil von W. eingezogen werden. Das Urteil ist bereits rechtskräftig, weil W. sowie Staatsanwältin Pfaffenberger auf eine Revision verzichten. (Von Thorsten Becker)