Kinder aus der Ukraine singen am Sonntag als Friedensbotschafter

Die Melodie, den Text, den Rhythmus kennen die kleinen Mädchen, die sich in ihren bunten Sommerkleidchen direkt vors Klavier gestellt haben, seit sie auf der Welt sind. Sie singen voller Inbrunst. Zwei Jahre alt ist die Jüngste, die älteren Kinder im ukrainischen Kinderchor sind zwölf. Die meisten kommen in Begleitung ihrer Mütter am Dienstagnachmittag ins Haus der Musik in Steinheim.
Steinheim - Dort sitzt Ivanna Berkuta am Klavier. Die Flügeltüren zum Hof sind weit geöffnet, als die Pianistin und Chorleiterin das erste von vielen ukrainischen Volksliedern anstimmt.
„Der Chor übt für den großen Auftritt am Sonntag“, sagt Michael Schnadt, Vorsitzender des Vereins Haus der Musik, Gründer, Dozent und Chordirektor. Dann werden die jungen Sänger im Rahmen des Kultoursommers auf der großen Wilhelmsbader Parkbühne stehen. Doch wie kam es überhaupt dazu, dass ukrainische Kinder gemeinsam im Haus der Musik singen? „Die Idee entstand im Rahmen eines Benefizkonzerts, das das Haus der Musik im April in der Steinheimer Kulturhalle zugunsten der Ukraine ausrichtete. Denn Musik kann das Tor zu einer friedvolleren Welt um einen kleinen Spalt weiter öffnen“, sagt der Chordirektor.
Traditionelle ukrainische Volkslieder werden präsentiert
Obwohl damals reichlich Spendengelder gesammelt wurden, habe man habe mehr tun wollen. Und so entstand die Idee, den geflüchteten Kindern durch das gemeinsame Singen ukrainischer Lieder im Chor ein Stück Heimat fern der Heimat zu geben. Gemeinsam mit der aus russland stammenden Aleksandra Zeller, die als Netzwerkerin und Übersetzerin agiert und der ukrainischen Chorleitern Ivanna Berkuta ließ Schnadt den ukrainischen Kinderchor im Mai entstehen. Einen Namen hat der Chor aktuell noch nicht, aber der soll bald gefunden werden. 25 Kinder schart das Musikteam mittlerweile in dem Chor um sich – und die Zahl der neu Hinzukommenden geht stetig nach oben.
„Weil das Singen wirklich toll klappt, haben wir uns entschieden, am Chorfestival teilzunehmen“, sagt Schnadt. Zu Gehör kommen traditionelle ukrainische Volkslieder. Die Kinder, weiß er, lieben diese Lieder. Das schöne sei, dass Musik ihre ganz eigene Sprache habe, eine universelle Sprache, die alle Menschen auf dieser Welt verstehen können und die die Kraft hat, zu verbinden.
Der Versuch, sich frei zu singen
„Alter oder Herkunft spielen im musikalischen keinerlei Rolle. Musik ist neutral und unabhängig. Sie macht Menschen zu Freunden.“ Musik sei nicht nur ein Friedensbotschafter, sondern trage zum Zusammenhalt und zur Solidarität in angespannten Zeiten bei. „Unser Projekt ist in der Region einmalig“, zeigt sich der Musikschulleiter stolz. Bald soll es im Haus der Musik, ebenfalls unter der Leitung von Ivanna Berkuta, deshalb auch ein Projekt mit ukrainischen und deutschen Kindern geben.
Während Schnadt erzählt und die Kinder singen kann eine der jungen Mütter die Tränen nicht mehr zurückhalten. Sie scheint ergriffen vom Gesang, der sie wahrscheinlich zurückträgt in ihre Heimat, sie erinnert, an den Krieg, die Zerstörung, den Verlust. Eine andere Frau nimmt sie in den Arm. Beide singen gemeinsam weiter. „Die Leute kommen auf diese Art aus ihrem Trauma heraus, sie versuchen, sich frei zu singen. Wir wollen den Geflüchteten helfen, nach vorne zu schauen und natürlich auch ein Stück kulturelle Heimat bieten“, so Schnadt.
Die Kinder seien angesichts des großen Auftritts am Sonntag doch ein wenig nervös. Für das Chorfestival, bei dem die Teilnehmer auf der großen Parkbühne – dort wo am Abend zuvor noch die Neue Philharmonie Frankfurt spielt – singen werden, hat er die musikalische Gesamtleitung inne und moderiert die Veranstaltung. Neben dem ukrainischen Kinderchor treten unter anderem ein karnevalistischer Männerchor aus Seligenstadt, die Nika-Lerchen aus Klein-Auheim (gemischter Chor der Nachbarschaftsinitiative), Ton in Ton (Jazz und Modern) aus Klein-Auheim und Happy Voices aus Bruchköbel (gemischter Chor) auf.
Weitere Infos: In einer Kooperation des städtischen Veranstaltungsbüros und dem Haus der Musik e.V. in Steinheim findet das 7. Hanauer Chorfestival am Sonntag, 31. Juli, um 11 Uhr auf der großen Konzertbühne im Kurpark Wilhelmsbad statt. Der Eintritt ist frei.
Von Kerstin Biehl

