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Biogas und Energiekrise - passt das zusammen?

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Auffällige Landschaftsmarken sind die drei Kuppeln der Biogasanlage auf dem Hof Wilhelmi in Bruchköbel. In der Region Hanau gibt es weitere Anlagen in Nidderau-Ostheim und in Gründau-Niedergründau.
Auffällige Landschaftsmarken sind die drei Kuppeln der Biogasanlage auf dem Hof Wilhelmi in Bruchköbel. In der Region Hanau gibt es weitere Anlagen in Nidderau-Ostheim und in Gründau-Niedergründau. © THOMAS SEIFERT

Region Hanau – Es sind auffällige Landmarken in der Region, die Kuppeln der Biogasanlagen. In Nidderau-Ost-heim stehen solche Anlagen, in Niedergründau existiert eine Anlage und in Bruchköbel erheben sich drei Kuppeln an der L 3268. Dort, an der Straße nach Oberissigheim, betreibt die Bauer Wilhelmi BiogasAgrar GmbH & Co KG seit 2012 eine Biogasanlage.

Die Energiekrise hat alternative Formen der Energiegewinnung aus ihrer Nische geholt. Zum großen Retter können Biogasanlagen nicht werden, aber in kleinem Maßstab wären sie in der Lage, die Nahversorgung sicherzustellen und lokale Verbrauchsspitzen aufzufangen, weil das Methan in den Gärkuppeln ständig verfügbar ist, um Strom zu produzieren, stellt Martin Wilhelmi fest, Betriebswirt und mit Thomas Bauer (Ostheim) Geschäftsführer des Unternehmens.

Die Anlage der Familien Gebrüder Bauer und Dahlheimer in Nidderau war mit Einschränkungen die Blaupause für die in Bruchköbel, daher rührt die Kooperation, die in einer gemeinsamen Firma mündete, zu der Andreas Spors gehört, Betreiber eines Milchvieh- und Bullenmastbetriebs. Bis 2012 hatte die Familie Wilhelmi eine Rindermast, entschied sich dann zum Umstieg auf Biogas. Die Betreibergesellschaft wagte die Investition von 3,5 bis vier Millionen Euro.

„Wir bekommen die notwendige Silage von langjährigen Lieferanten aus dem Umkreis von 15 bis 20 Kilometern. Und Nachbar Spors leitet seine komplett anfallende Gülle in die Anlage. Anstatt Urproduktion zu betreiben, veredeln wir die Grundstoffe, indem die nachwachsenden Rohstoffe zu Methan mit einer Reinheit von bis zu 55 bis 65 Prozent und einem geringen Anteil CO2 vergärt werden“, erläutert Martin Wilhelmi. Das CO2 haben die Pflanzen beim Wachstum aufgenommen, „das ist also quasi ein Kreislauf“, fügte der Geschäftsführer hinzu. Und einen weiteren positiven Aspekt sieht er: „Die beim Prozess anfallenden Gärreste sind hochwertiger Dünger, weil die Pflanzen die darin enthaltenen vielfältigen Nährstoffe sofort aufnehmen können.“

In Bruchköbel wird vor allem Mais- und Grassilage verarbeitet. „Die Anlage ist wie eine ‚steinerne Kuh’, sie wandelt beim Gras einen Rohstoff um, den der Mensch nicht verarbeiten kann“, so Wilhelmi.

Er hat beobachtet, dass der Maisanbau in der Region um Hanau nicht zu-, sondern abgenommen hat und sieht keine Konflikte mit Ackerflächen, die für Nahrungsmittelanbau genutzt werden. „Unsere Anlage arbeitet zumindest klimaneutral, wenn nicht gar emissionsreduzierend.“ Das in den drei Gärkuppeln produzierte Gas wird zum einen in einem Blockheizkraftwerk (BHKW) mit einer Leistung von 500 kW/h verstromt und ins öffentliche Netz eingespeist.

„Möglich wären bei einer Maximalproduktion von 2,36 Millionen Kubikmetern Biogas pro Jahr 53,8 Millionen Kilowattstunden Strom“, rechnet der Geschäftsführer vor. Die im BHKW entstehende Abwärme wird zur Heizung von Wohnhäusern, der Gärbehälter sowie zur Trocknung von Silage und Holz verwendet. Im Gespräch ist Wilhelmi mit dem benachbarten Biohof Ackerlei, um dort Gewächshäuser zu beheizen. Eine Gasleitung führt von der Landwehr in die Röntgenstraße, wo ein BHKW das Frei- und Hallenbad der Stadt mit Strom und Wärme versorgt.

Nach Auskunft von Bürgermeisterin Sylvia Braun beträgt der Anteil der Abwärme aus Biogas 30 bis 50 Prozent der benötigten Heizenergie. Für Biolandwirt Rainer Vogel (Grüne), Erster Stadtrat von Nidderau, stellen Biogasanlagen in kleinem Maßstab mit der richtigen Beschickung eine sinnvolle Methode dar, aus Reststoffen wie Mist, Gülle, Gras und anderen in der Landwirtschaft anfallenden „Abfallstoffen“ Energie zu gewinnen und vor Ort in Form von Strom oder Abwärme zur Verfügung zu haben.

Kritisch sieht Vogel den intensiven Anbau von Mais für die Biogasanlagen, denn Produktion und Transport schlagen sich negativ in der Ökobilanz der damit erzeugten Energie nieder. Auch die Konkurrenz der Maisanbauflächen zu Äckern, auf denen Nahrungsmittel angebaut werden, sieht der Biolandwirt kritisch. Seiner Meinung nach müsste der Gesetzgeber die Möglichkeit schaffen, noch mehr Reststoffe wie Lebensmittelreste aus der Gastronomie oder weggeworfenes Gemüse aus Supermärkten in den Biogasanlagen zu verarbeiten.

Für Hartmut Schneider, stellvertretender Leiter des Referats Wirtschaft, Arbeit, Soziales der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck und Mitglied der Kreissynode des Kirchenkreises Hanau, stellen Biogasanlagen die beste Möglichkeit dar, Energie aus Wirtschaftsdüngern wie Mist und Gülle, pflanzlichen Reststoffen, Grünschnitt, Ernteresten, nachwachsenden Rohstoffen und Lebensmittelresten zu gewinnen. „Kurze Wege und eine rasche, gasdichte Lagerung der Wirtschaftsdünger sind dabei die wesentlichen Elemente, um Treibhausgas-Emissionen zu reduzieren“. Die Vorteile: Biogas sei CO2-neutral und könne im Unterschied zu Sonnen- und Windenergie witterungsunabhängig erzeugt werden. Allerdings müssten „für den Betrieb einer Biogasanlage genügend Flächen für einen nachhaltigen und ökologisch sinnvollen Anbau der Biomasse zur Verfügung stehen“, so Schneider.

Für den Naturschutzbund Deutschland (Nabu) ist der Anbau von Energiepflanzen wie Mais und Raps für Biokraftstoffe und Biogas mit vielen negativen Folgen auf Natur und Umwelt verbunden: Verlust von Lebensräumen und Artenvielfalt sowie der Gefahr für das Oberflächen- und Grundwasser durch den verstärkten Einsatz von Dünger und Pflanzenschutzmitteln.

Das Bundesumweltministerium hat errechnet, dass „für die Produktion von nachwachsenden Rohstoffen für die energetische Nutzung 2020 in Deutschland eine Anbaufläche von 2,34 Millionen Hektar genutzt wurde. Dies sind 20 Prozent der Ackerfläche. Die Anbaufläche für Energiepflanzen zur Biogasgewinnung betrug geschätzt 1,55 Millionen Hektar, während für Biokraftstoffe (überwiegend Raps) 782 000 Hektar beansprucht wurden.

Von Thomas Seifert

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