Hohe Landesschule Hanau hat nun ein digitales Schulmuseum

Zur Einweihung seines digitalen Schulmuseums Holadrom hatte Hanaus ältestes Gymnasium – gegründet 1607 – zu einer akademischen Feier eingeladen. Unter dem Motto „Die Hohe Landesschule als Tor zur Welt“ wurde das Projekt öffentlich vorgestellt. Für die Stadt Hanau sprach Bürgermeister und Schuldezernent Axel Weiss-Thiel das Grußwort, Dr. Bernhard Rosenkötter, Hessisches Staatsarchiv Marburg, berichtete darüber, wie das Vorbild des Hanauer Modells, das Histodrom am Philippinum in Marburg, entstanden ist.
Hanau – Als Gastredner konnten Schulleiter Martin Göbler und Dr. André Griemert einen ehemaligen Holaner, Prof. Dr. Jürgen Osterhammel von der Universität Konstanz, und Prof. Dr. Holger T. Gräf, Universität Marburg und Hessisches Landesamt für geschichtliche Landeskunde, gewinnen. Beide Festredner zeigten Aspekte der Schulgeschichte unter globaler und regionaler Perspektive auf. Musikalisch begleitet wurde die Veranstaltung von Zara Meisenzahl am Flügel.
Dr. André Griemert, Historiker aus Leidenschaft, Lehrer an der Hola und maßgeblich für die Realisation des Projektes verantwortlich, führte durch die Veranstaltung und gab zugleich einen Einblick, wie das Holadrom künftig im Unterricht fächerübergreifend eingesetzt werden kann. Das Holadrom sei das kulturelle Gedächtnis der Schule, so Griemert. Damals wie heute könne die facettenreiche Geschichte der Schule in das große Ganze eingeordnet werden.
Hohe Landesschule Hanau: Holadrom wird über Touchscreen bedient
Das digitale Schulmuseum präsentiert sich als ein überdimensionaler Touchscreen im Foyer. Mit einer Berührung lassen sich Themen wie Schulleben, Gebäude, Schulleiter oder Förderer aufrufen und in Text und Bild vertiefen. Schüler ab Klasse sechs sollen das digitale Museum mit weiteren Inhalten füllen. Beispielsweise können hier Aufführungen des Schultheaters oder naturwissenschaftliche Projekte dokumentiert werden.
Spannend, aber mit intensiver Archiv- und Quellenarbeit verbunden, ist es, den Lebensläufen ehemaliger Holaner nachzuspüren. „Was passierte beispielsweise mit den jüdischen Schülern, die in den 1930er Jahren die Hola besuchten?“ wäre ein Forschungsansatz. Die Geschichte über die Entstehung des digitalen Schulmuseums ist ebenso faszinierend wie das Projekt selbst. Am Marburger Gymnasium Philippinum erregte eine Gedenktafel an Gefallene aus dem Ersten Weltkrieg den Unmut einiger Schüler. Die Tafel sei kriegsverherrlichend und müsse entfernt werden. Diese Forderung rief wiederum die Historiker auf den Plan, die sich gegen eine Entfernung und für eine Kommentierung und Einordnung aussprachen. In diversen Archiven fanden sich Fotos und Feldpostbriefe, die Namen bekamen ein Gesicht.
Digitales Museum führt Schüler an das wissenschaftliche Arbeiten heran
Da für ein Schulmuseum kein Raum zur Verfügung stand, kam die Idee einer digitalen Sammlung auf. „Die Anforderungen waren sehr spezifisch“, so Rosenkötter, „auf dem Markt gab es das nicht, da haben wir das Programm selbst geschrieben.“ 2017 wurde Griemert auf das Projekt aufmerksam. „Das müssen wir auch haben“, war sein erster Gedanke. Ein Team aus Helfern, Unterstützern und Sponsoren – darunter an erster Stelle die Sparkassen-Kulturstiftung – war dazu nötig.
Aus Sicht des ehemaligen Holaners und Historikers Osterhammel führe das digitale Museum die Schule an das wissenschaftliche Arbeiten heran. Dazu gehörten der Umgang mit Originalen, mit modernen Forschungsmethoden oder die Lust auf ungelöste Probleme. Schulgeschichte sei mehr als ein Blick in den eigenen Spiegel, sie sei Teil der Sozial-, Kultur- und Verwaltungsgeschichte. Dass man zur Analyse nicht allzu weit in die Vergangenheit schauen muss, machte Osterhammel unter anderem an seiner eigenen Schulzeit an der Hola deutlich. Als Abiturient des Jahrgangs 1970 war er in einer „Welt des alten Gymnasiums, der Feuerzangenbowle-Rituale“ gestartet und hatte erlebt, wie sich die bildungspolitischen Reformen „von oben“ und die 68er-Bewegung auch die Schule veränderten.
Prof. Dr. Holger T. Gräf verwies darauf, dass gerade Personen und deren Biografien die Bedeutung der Hola für die Region deutlich machten. Am Beispiel des Söldners, Botanikers und Forschungsreisenden Eberhard Georg Rumpf (1627 bis 1702), dessen Vater im Dienst der Stadt Hanau stand, zeigte er auf, wie die Voraussetzungen der Gegenwart in die Biografie hineinwirken und umgekehrt eine Biografie eine Epoche aus verschiedenen Blickwinkeln entschlüsseln kann.
Von Ulrike Pongratz