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Hanauer Unternehmer Dr. Jürgen Heraeus zieht sich zurück

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Von: Christian Dauber

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Eines der Abschiedsgeschenke: Dr. Jürgen Heraeus blättert einen liebevoll von Kindern gestalteten Band durch.
Dr. Jürgen Heraeus zieht sich aus der Öffentlichkeit zurück. © CHRISTIAN DAUBER

Dr. Jürgen Heraeus zieht sich aus der Öffentlichkeit zurück. Den Vorsitz der Kathinka-Platzhoff-Stiftung übergibt er. Er blickt zurück und ist stolz.

Hanau - Als Dr. Jürgen Heraeus am Ende der Feierstunde das Fotoalbum in Ruhe durchblättert, hat er schnell ein Lächeln im Gesicht. Jungen und Mädchen, die in Einrichtungen der Kathinka-Platzhoff-Stiftung betreut werden, haben in das Präsent ihre kreativen Wünsche zum Abschied samt Fotos eingeklebt. Den Nachwuchs zu fördern, das war und ist für Heraeus stets Herzensangelegenheit und Antrieb, auch und gerade als Vorsitzender der Stiftung. Nun ist Schluss mit seiner Arbeit in Hanau.

„Das Zusammenleben fängt bei Kindern an. Da darf es keine Differenzierungen geben“, sagte er am Montagabend im Gespräch mit unserer Zeitung. Kurz zuvor hatte in den Räumen der Stiftung an der Wallonisch-Niederländischen Kirche seine letzte Vorstandssitzung stattgefunden, bei der Christoph Obladen zum Nachfolger gewählt wurde. Der 67-Jährige war bis 2016 Personalchef beim Hanauer Technologiekonzern. Auch im Ruhestand pflegt er noch engen Kontakt mit Heraeus, der nach der Sitzung bei einer kleinen Feierstunde mit netten Worten und Geschenken verabschiedet wurde.

Dr. Jürgen Heraeus zieht sich zurück: Bewusste und kalkulierte Entscheidung

Es war ein bewusster Schritt des 85-Jährigen, nun auch diesen Posten – und damit das letzte öffentliche Amt in der Region – niederzulegen. 33 Jahre lang war der Hanauer Unternehmer als Vorsitzender der Stiftung aktiv. „Man muss akzeptieren, dass man ein gewisses Alter erreicht“, betonte der 85-Jährige.

Er blicke dankbar zurück und übergebe die Stiftung „in gutem Zustand“ an seinen Nachfolger. Diese profitiert als Gesellschafter des Technologiekonzerns von dessen wirtschaftlichem Erfolg. Wie viel Geld der Stiftungsarbeit in all den Jahren zugutegekommen ist, wollte Heraeus nicht beziffern. Aber schließlich habe das Unternehmen noch nie rote Zahlen geschrieben.

Dr. Jürgen Heraeus aus Hanau zieht sich zurück: Stiftung setzt auf Integration

Die Kathinka-Platzhoff-Stiftung fördert und begleitet Familien, Kinder und Jugendliche in verschiedenen Einrichtungen sowie durch Projekte und Veranstaltungen. Auch Senioren gehören zur Zielgruppe.

Mit der Anlaufstelle „Mittendrin“ im Freigerichtviertel will die Stiftung seit einiger Zeit die Integration im sozialen Brennpunkt voranbringen. 18 Kinder im Alter von sechs bis zwölf Jahren werden zur Zeit betreut. „Die Stadt sieht das Problem dort nicht so“, kritisiert Heraeus. Die Fassade des markanten Hochhauses an der Leipziger Straße sei zwar schön bunt gestrichen worden, „aber das war es auch“, so Heraeus. Die Integrationsarbeit der Stiftung sei sehr wichtig und solle ausgebaut werden. „Wir müssen aus den Blasen herauskommen. Die Stiftung muss den Anspruch hochhalten und Eltern und Kinder auf diese Stufe holen“, betont er.

Kindertagesstätte
Integration für Kinder ist vor allem bei sozialen Brennpunkten sehr wichtig. (Symbolbild Kinder) © Sebastian Kahnert/dpa-Zentralbild/dpa/Symbolbild

Nach dem Rückzug des Hanauers Dr. Jürgen Heraeus will auch der Nachfolger ein offenes Ohr haben

Die bewährte Arbeit auf allen Ebenen will auch Christoph Obladen als neuer Vorstandsvorsitzender fortsetzen. Man habe zusätzliches Personal akquiriert, plane weitere Aktivitäten und eine stärkere Vernetzung. Ein großes Projekt in nächster Zeit sei der geplante Neubau der Kita Dammstraße, eine weitere Einrichtung der Stiftung, die außerdem das Familienzentrum am Rodenbacher Weg betreibt. Ein Teil der Einrichtung an der Dammstraße solle abgerissen und neu gebaut werden. Derzeit liefen Gespräche mit der Stadt, so Obladen.

Christoph Obladen
Christoph Obladen © -

Im offiziellen Teil des Abends würdigte Andreas Noll, der stellvertretende Stiftungsvorsitzende, die Arbeit von Heraeus. Dieser sei die kleinen Themen genauso angegangen wie die großen. „Es gab keine zwei Maßstäbe“, sagte Noll. „Du hast für alles ein offenes Ohr gehabt.“ Kinder und Familien seien stets Mittelpunkt des Wirkens von Heraeus gewesen, der dafür gesorgt habe, dass die Stiftung in der Region enorm an Bedeutung gewonnen habe.

„Das ist auch dein Verdienst“, so Noll, der Heraeus im Namen der Stiftung herzlich dankte. Nachfolger Obladen übergab Heraeus ein Präsent mit Symbolcharakter: eine gläserne Figur in dynamischer Pose, gesäumt von Bergkristallen und Mini- Goldbarren – in Anspielung auf Geschäftsbereiche des Unternehmens. „Ich bin mir der Rolle und Verantwortung bewusst. Es wird nicht immer einfach sein“, sagte Obladen zu seiner neuen Aufgabe.

Dr. Jürgen Heraeus aus Hanau zieht sich zurück: Weggefährten blicken zurück

Dankesworte gab es zudem vom Pfarrer der Wallonisch-Niederländischen Gemeinde, Torben W. Telder. Mit der Gemeinde verbindet die Stiftung eine enge Zusammenarbeit. Telder blickte zurück auf die Zeit, als er Heraeus kennenlernte. „Ich hatte keine Angst, aber Respekt“, sagte er. Dieser sei bis heute gewachsen. Geschenke und Worte für Heraeus gab es auch von Simone Brill, Leiterin der Familienakademie, und von Bettina Vögele aus der Stiftungs-Geschäftsstelle.

„Es war eine lange Zeit“, sagte der scheidende Stiftungsvorsitzende und bedankte sich herzlich. Auf die Frage, was er mit dem Mehr an Zeit anfange, sagte Heraeus unserer Zeitung mit einem Schmunzeln: „Ich schlafe gern länger.“ Er verbringe mehr Zeit mit seiner Frau und der Familie, gehe gerne ins Museum und reise viel. „Ich werde bald 86. Die nächsten fünf Jahre muss ich nutzen“, meinte Heraeus, das sehe er an Freunden, denen es leider nicht mehr so gut gehe. Der Unternehmer lebt in Frankfurt und Berlin, in beiden Städten verbringt er etwa die Hälfte seiner Zeit.

Aus dem Konzern, der von seinem Schwiegersohn Jan Rinnert hervorragend geführt werde, halte er sich heraus. „Wenn ich gefragt werde, dann habe ich eine Antwort.“ Eine Veränderung seit seinem Rückzug habe er bereits festgestellt: „Bei Geschäftsfreunden liegt die Betonung auf der ersten Silbe“, das habe schon sein Vater gesagt. „Man ist für viele nicht mehr so interessant. Aber das ist auch gut so.“ (Christian Dauber)

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