Hanau: Kind erstickt vor 34 Jahren im Sack - Mutter vom Mordvorwurf freigesprochen

Hanau – Die Mutter des vor 34 Jahren im Umfeld einer obskuren Sekte in der Hanauer Weststadt getöteten vierjährigen Jan ist vom Vorwurf des Mordes an ihrem Sohn freigesprochen worden. Dieses Urteil hat das Landgericht Hanau am Dienstagnachmittag verkündet.
Die 61-Jährige hatte in dem rund einjährigen Schwurgerichtsverfahren den Tod ihres Sohns bedauert, eine Beteiligung an dessen Tod jedoch abgestritten. Der Vierjährige war in einem Sack verschnürt an Erbrochenem erstickt. Die Schwurgerichtskammer unter dem Vorsitz von Susanne Wetzel entsprach damit den Forderungen der beiden Verteidiger Wiebke Otto-Hanschmann und Thomas Scherzberg, die Freispruch für ihre Mandantin gefordert hatten. Die beiden Staatsanwälte Dominik Mies und Florian Hübner hatten dagegen wegen Mordes eine lebenslange Freiheitsstrafe beantragt.
In dem Mammutverfahren war die Frau, die im ersten Prozess als Zeugin die zunächst wegen Mordes verurteilte, mutmaßliche Sektenanführerin Sylvia D. als „kinderlieb“ und „selbstlos“ bezeichnet hatte, deutlich auf Distanz gegangen. Die Begründung: „Ich war die ganze Zeit im festen Glauben, dass Sylvia nichts mit dem Tod von Jan zu tun gehabt habe.“ Die heute 61-Jährige hatte beteuert, ihren Sohn „nie misshandelt“ zu haben, räumte jedoch ein, dass sie sich „nicht genug gekümmert“ habe und eine „Mitschuld an seinem Tod“ eingeräumt.
In dem Mammutverfahren hatten zahlreiche Zeugen über Misshandlungen, psychischen Druck und obskure Rituale innerhalb der Gruppe berichtet, damit aber erneut nur die mutmaßliche Sektenanführerin belastet, die den Vierjährigen als „von den Dunkeln besessen“ und „Reinkarnation Hitlers“ bezeichnet hatte. Aussagen, die die Mutter des Kindes eindeutig für eine Tatbeteiligung belastet haben, gab es jedoch nicht.
Die 75-jährige D. war im September 2020 vom Landgericht Hanau wegen Mordes aus niedrigen Beweggründen zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Im Mai hatte der Bundesgerichtshof in Karlsruhe das Urteil jedoch aufgehoben. Der erneute Prozess Verfahren soll nun vor der 21. Großen Strafkammer des Landgerichts Frankfurt verhandelt werden. Ein Termin für den Auftakt des Verfahrens steht derzeit noch nicht fest. Der Fall war 1988 von Polizei und Staatsanwaltschaft als Unfall eingestuft und zu den Akten gelegt worden. Erst 2015 war das Geschehen neu untersucht worden, nachdem Sektenaussteiger ausgesagt hatten. (Von Thorsten Becker)