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„Zwei Meter Abstand – keine Maske!“: Kritiker der Corona-Politik marschieren durch Hanau

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Von der August-Schärttner-Halle zogen die Kritiker der Corona-Maßnahmen am Samstag in Richtung Hanauer Innenstadt.
Von der August-Schärttner-Halle zogen die Kritiker der Corona-Maßnahmen am Samstag in Richtung Hanauer Innenstadt. © Moritz Göbel/Scheiber

In Hanau ziehen etwa 900 Menschen durch die Innenstadt, um gegen die Corona-Maßnahmen zu protestieren. Auch Gegenprotest formiert sich.

Hanau – „Mit der drohenden Impfpflicht wird es in Hanau 400 Psychotherapie-Plätze weniger geben“, mahnt eine junge Frau auf einem Karton und ihre Nachbarin teilt in gleicher Weise mit, „38 Therapien müssen abgebrochen werden“. Die Schmerztherapeutin könne 250 Patientinnen und Patienten nicht mehr behandeln. Die Brüder-Grimm-Stadt als Mekka der Impfgegner? Der Aufmarsch am Samstag drängt diesen Eindruck auf.

Mehrere Hundert Menschen – das Hanauer Ordnungsamt wird am Ende rund 900 zählen –, die den Schutz vor einer schweren Covid-19-Erkrankung ablehnen, versammeln sich am Mittag vor der August-Schärttner-Halle. Viele von ihnen haben offenbar schon öfter ihre Überzeugung auf der Straße kundgetan, haben allerlei Gerät mitgebracht. Kleinbusse, Geländewagen und Anhänger sind im Wetteraukreis, in Dieburg oder in Aschaffenburg zugelassen, mit Boxen, Musik und Parolen vom Band ausgestattet.

Demonstration gegen Corona-Maßnahmen in Hanau: „Zwei Meter Abstand - keine Maske!“

Aus den Lautsprechern tönt Klassisches, aber auch Liedgut von Künstlern wie Xavier Naidoo, die in ihren Texten Kritik an politischen Weisungen verpacken. Dazu verbreiten Trommler eine lockere Atmosphäre, ein buntes Fahnenmeer mit Flaggen aus aller Welt erhöht die Anliegen der Demonstrierenden auf ein internationales Parkett. Irgendwann beginnt jemand in ein Mikrofon zu rufen, dass sich alle auf den Parkplatz begeben sollen. Dort sei die Aufstellfläche.

Mit Schildern und Transparenten machten die Demonstranten ihre Meinung deutlich.
Mit Schildern und Transparenten machten die Demonstranten ihre Meinung deutlich. © Moritz Göbel/Scheiber

„Zwei Meter Abstand – keine Maske!“ Das sei der Deal, den sie mit der Behörde ausgehandelt haben. Je zehn Personen müssen von einem Ordner begleitet werden. Ein Helfer sucht erst die Armbinden für diesen Job, dann die Leute für die Kennzeichnung. „200 Jahre erfolgreiche Grippebehandlung durch Homöopathie, jetzt schließen die Praxen – mitten in der Pandemie“, stellt ein weiteres Schild gegenüber.

Zwischen den abgestellten Fahrzeugen zitiert eine Dame Berthold Brecht: „Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht.“ Eine andere läuft „auch für deine Freiheit“. Dieses Gut und das Selbstbestimmungsrecht sieht ein großer Teil der Versammelten offenbar durch die Corona-Maßnahmen der Regierungen in Gefahr. Die Forderung „Kinderträume statt Kindheitstrauma“ weist auf die Auswirkungen der Einschränkungen beim Nachwuchs hin.

Hanau: Aufmarsch gegen Corona-Maßnahmen ist gut organisiert

Jetzt steht der Zug vor dem größten Display. Es wirbt für das „Impfen in Hanau“, in der Herrnstraße und im Forum: „Impfen, Pflaster drauf, geschützt“. Doch genau das überschreitet die „Rote Linie“, die einige Protestler auf professionell gefertigten Bannern vor sich hertragen. Auf die ihrer Meinung nach einseitige Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Rundfunksender zielt der Vorwurf einer weiteren Teilnehmerin: „Wascht eure Hände, das Gehirn übernehmen ARD und ZDF!“ Keine Frage, bei allen provokanten Aussagen – der Aufmarsch ist gut organisiert.

Etwa 60 Gegendemonstranten hatten sich in der Nähe der August-Schärttner-Halle positioniert.
Etwa 60 Gegendemonstranten hatten sich in der Nähe der August-Schärttner-Halle positioniert. © Moritz Göbel/Scheiber

Die Gegendemonstranten stehen in zweiter Reihe auf einem Parkplatz an der Martin-Luther-King-Straße, abgeschirmt von einem Aufgebot der Polizei. Die parteiübergreifende Gruppe zählt 50 bis 60 Beteiligte aus der Grünen und der Linken-Jugend, Fridays for Future, der Förderaktion Demokratischer Arbeitervereine (DIDF) und vom Internationalen Jugendverein Hanau. Sie plädieren für „Solidarität statt Hass und Hetze“ und gegen „Verschwörungstheoretiker, Rechtsextreme und Esoteriker“.

Aus der vorüberschreitenden Menge ertönt „Freiheit!“, „Helau!“ und die Aufforderung „schließt euch an“. Der kleine Kreis antwortet im Chor „Nazis raus“, das verlangen auch Stimmen der Impfgegner. Jemand gesteht, „ich hab Gänsehaut“, ein anderer gibt sich als Träger einer Autoimmunkrankheit zu erkennen. Ansonsten ist in dem bunten Spaziergang jedoch nicht erkennbar, was genau die Teilnehmerinnen und Teilnehmer durch die Vakzine befürchten. (Von Michael Prochnow)

Landrat Thorsten Stolz hat die Bürger in Hanau und Umgebung aufgerufen, nicht an den Corona-Spaziergängen teilzunehmen.

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