Wegen Streit um dreckige Dusche zugestochen: Lebenslange Haft für Mörder aus Flüchtlingsheim

Weil er im Streit um eine dreckige Dusche einen Mitbewohner erstochen hat, ist ein 34 Jahre alter Mann aus Somalia vom Landgericht Hanau zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden.
Hanau/Großkrotzenburg ‒ Die Richter verhängten die Höchststrafe gegen den bereits einschlägig vorbestraften Angeklagten, der im Januar in einen 25-jährigen Mann aus Afghanistan in der Flüchtlingsunterkunft in Großkrotzenburg (Main-Kinzig-Kreis) mit einem 20 Zentimeter langen Messer in Herz und Lunge gestochen hatte. „Das war ein unbedingter Vernichtungswille“, sagt Landgerichtspräsidentin Susanne Wetzel in Richtung des Angeklagten, dem 34-jährigen Somalier Abdiquadir M..
Wenige Minuten zuvor hat sie das Urteil des fünfköpfigen Schwurgerichts in Hanau verkündet: Die schreckliche Bluttat am 13. Januar in der Flüchtlingsunterkunft in Großkrotzenburg war ein „Mord aus niedrigen Beweggründen“. Wegen eines Streits um die mangelnde Sauberkeit der zusammen genutzten Dusche hatte der 34-Jährige den neun Jahre jüngeren Afghanen Nias A. mit drei Messerstichen brutal getötet.
Schwurgericht Hanau: Höchststrafe wegen Mordes aus niedrigen Beweggründen
Die Folge ist die Höchststrafe: lebenslange Haft. Doch es könnte noch länger werden. Denn gleichzeitig verhängten die Richter eine anschließende Sicherungsverwahrung unter Vorbehalt. Das bedeutet, dass der Angeklagte nach der Verbüßung von mindestens 15 Jahren hinter Gittern noch länger eingesperrt bleiben könnte. Diese zusätzlich mögliche Strafe wird ausgesprochen, weil M. bereits rechtskräftig wegen eines versuchten Totschlags in Maintal zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt worden war.
Im Hanauer Gericht: Angeklagter erleidet Schwächeanfall während des Urteils
Neben der Vorsitzenden hat an diesem Nachmittag vor allem die Synchrondolmetscherin Marguerite Bohr sehr viel zu sagen und zu übersetzen. Denn plötzlich sackt Mohamed in sich zusammen, hält sich den Kopf und atmet schwer. Er habe ein Schwindelgefühl. Was ist mit dem Angeklagten los? Die Landgerichtspräsidentin unterbricht die Urteilsverkündung, Justizwachtmeister rufen Hilfe, innerhalb weniger Minuten fährt ein Rettungswagen des Deutschen Roten Kreuzes an der Nussallee vor. Dolmetscherin Bohr übersetzt zwischen Ersthelfern und Angeklagten, der Sitzungssaal wird geräumt, die Juristen beraten unterdessen vor der Tür, wie es weitergehen könnte. Dann kommt die Entwarnung, offenbar war es nur ein leichter Schwächeanfall – die Urteilsbegründung kann nach einer 30-minütigen Pause fortgesetzt werden.
Richter im Mordprozess Großkrotzenburg: „Gefühlloses Nachtatverhalten“
Waren es die eindringlichen Worte von Wetzel, die den bislang völlig desinteressiert wirkenden Angeklagten schockiert haben. Oder die Höhe der Strafe? Denn die Vorsitzende stellt eindeutig fest, dass der Streit um die Sauberkeit der Dusche ein „eklatantes Missverhältnis“ zwischen dem Anlass und der Bluttat gewesen sei. Der 34-Jährige habe das Verbrechen zweimal angekündigt („Ich töte ihn!“) und seinen Plan dann zielgerichtet mit einem 20 Zentimeter langen Küchenmesser ausgeführt. Ebenso bewerten die Richter das Verhalten nach den tödlichen Messerstichen, als Mohamed, der barfuß war, einen Polizisten um Schuhe bat, weil er friere und sich später ganz nebenbei erkundigt habe, ob das Opfer gestorben sei.
„Das war ein ichbezogenes, gefühlloses Nachtatverhalten“, wertet die Landgerichtspräsidentin. Die Aufklärung des Falls ist für die Kammer dagegen nach nur vier Verhandlungstagen keine Schwierigkeit, denn die Zeugenaussagen „sind glaubhaft gewesen, die Spurenauswertung und die Befunde der Rechtsmedizin sind eindeutig“.
Ausführlich beschäftigt sich das Schwurgericht auch mit dem Fall aus der Maintaler Asylbewerberunterkunft, in der M. bereits 2013 einem damals 19-jährigen Landmann in einem Streit um das Licht im Raum ein Messer brutal in den Rücken gerammt und lebensgefährlich verletzt hatte. „Das ist eine Blaupause zu diesem Fall“, bemerkt Wetzel.
Skandalöse Zustände in Flüchtlingsunterkunft Großkrotzenburg: Notausgangstür klemmte
Selbst die kommunalpolitische Dimension kommt zur Sprache. Denn die Beweise für die skandalösen Zustände in der von der Gemeinde betriebenen Unterkunft sind eindeutig. Die Notausgangstür hatte geklemmt. Das hatten Prüfer des Main-Kinzig-Kreises festgestellt, denn der 25-Jährige A. hatte nach rund 50 Metern Flucht verzweifelt versucht, die Tür zur öffnen, um seinem Angreifer zu entkommen. „Wir stellen fest, dass der erste Stich bereits tödlich war. Die Frage, ob die Tür geklemmt hat oder nicht, ist in diesem Fall nicht entscheidend“, so Wetzel.
Mit dem Urteil folgt die Kammer in ganzer Linie dem Plädoyer von Staatsanwalt Dr. Oliver Piechaczek, der lebenslange Haft sowie die vorläufige Maßregel beantragt hatte. Robin Schwarzer und Kerem Yilmaz, die beiden Verteidiger, hatten auf eine mehrjährige Freiheitsstrafe wegen Totschlags plädiert. Beide kündigen an, gegen das Urteil Revision beim Bundesgerichtshof einzulegen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. (Thorsten Becker)