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Magisches in der Dämmerung: Steinheimerin Kerstin Lochner lässt sich zur Wildnispädagogin ausbilden

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Die Steinheimerin Kerstin Lochner hat unter einer großen Erle ihren Lieblingsplatz gefunden.
Die Steinheimerin Kerstin Lochner hat unter einer großen Erle ihren Lieblingsplatz gefunden. © Holger Hackendahl

Fährtenlesen, Heilkräuter erkennen, Laubhütten bauen, Feuermachen ohne Hilfsmittel, die Vogelsprache verstehen – für Laien sind das durchaus ungewöhnliche Fähigkeiten. Sie gehören aber zur Ausbildung einer Wildnispädagogin. Diese strebt Kerstin Lochner aus Steinheim an, Künstlerin, Gesundheitstrainerin für Ernährung und seit acht Jahren bei Veranstaltungen mit Kindern als Wildparkführerin in der Alte Fasanerie in Klein-Auheim aktiv.

Steinheim – Die naturverbundene Frau zeigt beim Termin mit unserer Zeitung ihren Beobachtungsplatz am Hellenbach, den sie sich gesucht hat, um sich regelmäßig in aller Ruhe auf die Natur und deren Bewohner einzulassen. „Hier sitze ich am liebsten in der Morgen- oder Abenddämmerung, diese Zeit ist magisch, man kann viel erleben“, sagt die 41 Jahre alte Mutter zweier Söhne und berichtet von ihrer Ausbildung. Seminarleiter Axel Trapp bietet in Kooperation mit der Volkshochschule Offenbach die ein Jahr dauernde berufsbegleitende Ausbildung an. Die sechs Ausbildungsmodule finden alle zwei Monate freitags bis sonntags in der Jugendherberge Hoherodskopf (Vogelsberg) statt. „Nach jedem Modul bekommen wir Unterlagen und Hausaufgaben auf. Wir haben dann zwei Monate Zeit, um diese zu erledigen“, erzählt die kreative Hanauerin, die im eigenen Atelier Kindern Kunst mit natürlichen Farbstoffen näher bringt. „Bisher habe ich das als Workshop in der Fasanerie angeboten, aber sobald Corona es zulässt, werde ich Garten und Arbeitsraum für Besucher und Teilnehmer öffnen.“

Besondere Verbindung: Bis auf einen Meter kommt das Rotkehlchen an Kerstin Lochner heran.
Besondere Verbindung: Bis auf einen Meter kommt das Rotkehlchen an Kerstin Lochner heran. © Holger Hackendahl

Als Wildnispädagogin möchte sie „Menschen zeigen, wie sie ihre Sinne erweitern, indem sie Fauna und Flora auf sich wirken lassen“. Lateinische Namen heimischer Pflanzen auswendig zu können, das sie reine Information. „Mit Weidenrinde Kopfschmerzen zu heilen, ist hingegen angewandtes Wissen“, sagt sie. Oder die Eigenschaften verschiedener Holzarten für ein Lagerfeuer zu kennen, das könne auch im Notfall helfen.

„Je öfter ich im Wald bin, desto mehr lerne ich den Lebensraum, seine Bewohner und Gewohnheiten kennen, aber auch meine Sinne zu schärfen“, erläutert Lochner. „Tiere sprechen miteinander. Vögel warnen zum Beispiel vor Gefahren. Wenn man weiß, wie das bei einem Zaunkönig klingt, kann man auch den Grund für einen Alarm ausmachen“, erzählt sie mit glänzenden Augen.

Wichtig sei bei Seminaren, dass sich die Kursteilnehmer über die gemachten Beobachtungen austauschen. Das hat Kerstin Lochner mit Gruppen, die sie geleitet hat, selbst schon ausprobiert und freut sich, wenn beispielsweise eben noch gelangweilte Viertklässler voller Begeisterung ihre Erlebnisse schildern. Etwa von krabbelnden Insekten, von fallenden Blättern oder den wahrgenommenen Geräuschen des Waldes, die Kinder mitunter sogar Adlern oder Bären zuordnen. „Manchmal werden solche Erzählungen sehr fantasievoll“, schmunzelt Lochner. „Aber das ist vollkommen in Ordnung. Geschichten sind wichtig.“

Blick auf die Streuobstwiese: Hier beobachtet die angehende Wildnispädagogin Flora und Fauna.
Blick auf die Streuobstwiese: Hier beobachtet die angehende Wildnispädagogin Flora und Fauna. © Holger Hackendahl

Wenn die 41-Jährige auf ihrem Beobachtungsplatz unter einer in fünf Stämme verzweigten Erle unweit des Hellenbachs sitzt, schaut sie in aller Ruhe, was um sie herum in der Natur passiert. Sie beobachtet das zutrauliche Rotkehlchen, das sich ihr bis auf einen Meter nähert, oder das Eichhörnchen, das weiter oben wütend über die Störung gegen den Stamm klopft. Sie beobachtet aber auch Feldhasen, Rehe und Wildschweine auf der Wiese oder bunt schillernde Insekten, die vielfältige Kräuterpracht der Feuchtwiese und wie sich die Vegetation im Wechsel der Jahreszeit verändert. „Ich bin erstaunt, wie oft ich hier sitze, dutzende Menschen an mir vorbeigehen und mich keiner bemerkt, weil alle so beschäftigt mit sich oder ihrem Handy sind“, sagt Lochner.

Die entschleunigende Rückkehr zu Ruhe und Besonnenheit könne bei einem respektvolleren Umgang mit Mitmenschen helfen, ist die angehende Wildnispädagogin überzeugt. Die Künstlerin, die an der Frankfurter Städelschule studiert hat, mag ihren idyllischen Ruheplatz sehr. „Er ist für mich die perfekte Mischung: Bachlauf und Feuchtwiese, Blick auf Streuobstbäume, Kulturacker und Waldrand – man könnte denken, es sei langweilig hier eine Stunde zu sitzen, aber es passiert immer etwas Neues.“

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