Hanauer Firma produziert Weltrekord-Mühle

Eine Firma, deren Namen in unserer Region nur wenige kennen, die aber in ihrer Fachrichtung in der Welt ganz vorne mitspielt, ist die Netzsch Trockenmahltechnik GmbH an der Rodenbacher Chaussee 1. Mit der kürzlich ausgelieferten Dampfstrahlmühle s-Jet 6000, für die wegen ihrer Größe extra ein Montagezelt aufgebaut werden musste, hat die Firma einen Weltrekord produziert.
Und der Bereich Mahltechnik von Anoden- und Kathodenmaterial für die Batterieproduktion ist in den vergangenen zwei Jahren zur „Königsdisziplin“ des Unternehmens geworden. Hervorgegangen ist die Netzsch Trockenmahltechnik GmbH aus dem ursprünglich auf dem Areal der Marienhütte ansässigen Familienunternehmen Condux, das ebenfalls Mahlwerke herstellte. In den 1940er-Jahren siedelte die Produktion nach Wolfgang über und seit 26 Jahren firmiert die Firma dort unter dem heutigen Namen.
„Derzeit beschäftigen wir 100 Fachmitarbeiter, davon vier Azubis. Viele Mitarbeiter sind Ingenieure, denn bei Netzsch werden nicht nur industrielle Mühlen gebaut und in der Verfahrenstechnik nach neuen Ansätzen geforscht, wir bieten den Kunden Komplettlösungen an. Wir beschäftigen hochqualifiziertes Personal, dem wir auch eine ganze Reihe außergewöhnlicher Sozialleistungen bieten“, sagt Geschäftsführer Günter Niedenthal.
Puderzucker als bekanntes Beispiel
„Um unseren Kunden Lösungen ihrer gestellten Anforderungen aufzuzeigen, betreiben wir unter anderem unser Technikum, in dem mögliche Verfahren direkt an Versuchsanlagen demonstriert werden können“, so Vertriebsleiter Thomas Schneider. Die Mahlprozesse können ganz unterschiedlich ablaufen, allerdings gilt bei Netzsch der Grundsatz, dass „alles was trocken und mahlbar ist, auch auf unseren Anlagen gemahlen wird“, erläutert Schneider. „Wer zum Beispiel Puderzucker kauft, kann davon ausgehen, dass dieser mit einer unserer Anlagen, die weltweit vertrieben werden, gemahlen worden ist.“
„Mit unserem Knowhow und einer breit aufgestellten Produktpalette lässt sich so gut wie immer eine Lösung finden. Und wenn es die passende Technologie noch nicht gibt, dann erfinden wir sie“, sagt Niedenthal. Ein Patent von Netzsch kam beim Bau der weltgrößten Dampfstrahlmühle zum Einsatz. In der Anlage werden pro Stunde sieben Tonnen feinstes Kohlenstoffmaterial hergestellt, das als Rußersatz zum Beispiel bei der Reifenherstellung zur Anwendung kommt. Da auf dem Betriebsgelände des deutschen Kunden als Energieträger Dampf zur Verfügung steht, nutzt man diesen beim Produktionsprozess.
Mit Keramik ausgekleidet
Mit über 400 Grad Temperatur und einem Druck von 66 bar steht Mahlenergie zur Verfügung, mit der auch sehr feine Pulverqualität erreicht werden kann - und das zu deutlich geringeren Energiekosten für den Kunden. „Das Mahlen mit Dampf ist nicht neu, aber mit unserer seit gut zehn Jahren mit einem Patent geschützten Weiterentwicklung dieser Technologie sind wir weltweit der einzige Anbieter“, berichtete Günter Niedenthal nicht ohne Stolz.
„Vor zehn Jahren kam das Thema hoch, seit zwei Jahren sind sogenannte Gigafactories in aller Munde und seitdem ist auch für uns die Produktion von Anoden- und Kathodenmassen für Batterien eines unserer Hauptthemen“, stellt Thomas Schneider fest. Dabei werden zum Beispiel Metalloxidverbindungen oder mineralische Produkte wie Graphit auf verschiedenen Mühlentechnologien verarbeitet. Zusätzliche metallische Verunreinigungen müssen dabei vermieden werden, „denn die führen im schlimmsten Fall bei der fertigen Batterie zu unerwünschten Kurzschlüssen.“ Deshalb sind die Mühlen vollständig mit Keramik ausgekleidet, damit bei dem Mahlprozess solche „Verunreinigungen“ vermieden werden.
Hanau mit großem Beitrag
Die Königsdisziplin ist derzeit zusätzlich zum Mahlprozess die Beeinflussung der Partikelform - die Herstellung von so genannten ‚Graphit-Potatoes’ als Anodenmaterial. Das sind kleinste „verrundete“ Graphitteilchen, die unter dem Mikroskop in ihrer Form tatsächlich an eine Kartoffel erinnern - mit einer Größe von wenigen hundertstel Millimetern.
„Die chinesischen Hersteller, die bislang diesen Markt dominieren, haben auf dem europäischen und nordamerikanischen Markt schlechte Karten. Wir können in der geforderten Qualität sogar deutlich größere Systeme bauen und werden zum Jahresende eine große Anlage ausliefern“, blickt Schneider in die Zukunft und Geschäftsführer Günter Niedenthal ist sich sicher: „Dieses Geschäft wird uns in den nächsten Jahren noch weiter beschäftigen.“
Und das sei auch „ein gutes Beispiel, bei dem unsere verfahrenstechnische Entwicklung am Standort in Hanau einen wesentlichen Teil zur Verwirklichung und Markterfolg beigetragen hat. Ohne die Kollegen der F&E Abteilung in Wolfgang wären wir hier nicht so erfolgreich“, sagt Schneider.
Von Thomas Seifert