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Steinheimer Schule zeigt Courage gegen Rassismus

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Von: Michael Prochnow

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Willkommen – oder nicht? In einer kurzen Szene, die die Eppsteinschüler im Rahmen der Auszeichnung als Schule ohne Rassismus spielen, soll ein syrisches Mädchen in eine Klasse aufgenommen werden.
Willkommen – oder nicht? In einer kurzen Szene, die die Eppsteinschüler im Rahmen der Auszeichnung als Schule ohne Rassismus spielen, soll ein syrisches Mädchen in eine Klasse aufgenommen werden. © Michael Prochnow

„Leila ist 16 und aus Syrien“, stellt die Lehrerin die neue Mitschülerin vor. Das Mädchen trägt ein Kopftuch, den Blick auf den Boden gerichtet. „Kann die sich nicht neben jemand anderes setzen?“, beschwert sich der Junge neben dem freien Platz lautstark. Die Darsteller nehmen einen zweiten Anlauf. Jetzt wird Leila freundlich willkommen geheißen:

Hanau - „Wenn du irgendwelche Fragen hast, sag" Bescheid.“ Es ist nur eine Szene, die die Jugendlichen spielen. Sie soll verdeutlichen: Ihre Schule, die Eppsteinschule, ist jetzt ganz offiziell ohne Rassismus und mit Courage, und das nicht nur im Spiel.

„Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ ist ein bundesweites Netzwerk. Das Projekt bietet Schülern und Pädagogen die Möglichkeit, das Klima an ihrer Schule aktiv mitzugestalten, indem sie sich bewusst gegen jede Form von Diskriminierung, Mobbing und Gewalt wenden. Eine schwarz-weiße Tafel am Gebäude der Eppsteinschule weist künftig jeden Gast auf die Auszeichnung hin. Sabrina Becker, Landeskoordinatorin für „Schule gegen Rassismus“ an Kultusministerium und Anne-Frank-Bildungsstätte, überreichte außerdem eine Urkunde. Das Courage-Netzwerk wächst seit 25 Jahren, in Hessen seit 2016. Die Repräsentantin bedankte sich bei der Schulgemeinde, dass sie das Projekt umgesetzt hat und mit Leben füllt.

Öffentlichkeit aufmerksam machen

Jetzt soll die Öffentlichkeit aufmerksam gemacht, das Anliegen in die Stadt hinein getragen werden. Unterstützung finden die Lernenden und Lehrenden bei Armin Kurtovic. Der Vater eines der Opfer vom 19. Februar 2020 gebe durch sein Engagement anderen Kraft und helfe, Gesichter und Geschichten mit Betroffenen zu verbinden.

Sabrina Becker bot die Mitarbeit der Bildungsstätte bei Aktionen an. Die Ernennung der Eppsteinschule sei „keine Auszeichnung, sie ist ein Startschuss“, unterstrich sie. Juliana Hamo ist mit ihrer Familie 2015 aus Syrien geflohen und besucht jetzt die Klasse 9cR. „Wir haben in einer Diktatur gelebt, Kinder sind in der Schule misshandelt worden“, berichtet sie in der Aula, wo ihre Zuhörer mucksmäuschenstill verharren.

Viel über Toleranz gelernt

„Wenn ein Schüler ohne Hausaufgaben kam, wurden wir alle geschlagen, mit einem Holzstock auf die Handfläche oder auf die Füße.“ Die Lehrkräfte hätten Jungs bevorzugt, verhielten sich auch respektlos gegenüber Eltern. „Wir waren vier Jahre auf der Flucht, ich habe keine Schule besucht“, fährt Juliana fort. „In Deutschland habe ich mich ab dem ersten Tag sicher gefühlt und viele Freundinnen kennengelernt.“ Durch ihren Fleiß und mithilfe der Lehrkräfte habe sie sich hochgearbeitet, „dafür bin ich froh und dankbar“. Durch die Anschläge habe sie aber wieder Angst verspürt.

Die Neuntklässler Rossel Hamo und Elaha Tajik stellten „Unser Vorbild Rosa Parks“ vor, eine mutige US-Amerikanerin, die hartnäckig für die Abschaffung der Rassentrennung kämpfte. „Wir können jetzt sehr gut verstehen, wie sich Angegriffene durch witzig gemeinte Sprüche fühlen“, fassten die Teenager zusammen. Cynthia Drascher und Fabian Jorda haben in der Anne-Frank-Bildungsstätte viel über Toleranz und Akzeptanz und die Grundlagen der Demokratie gelernt. Als Respekt-Coaches wollen sie ihre Mitschüler motivieren, weltoffen zu sein und sich eine eigene Meinung zu bilden. „An dieser Schule passiert schon lange sehr viel gegen Rassismus, Ausgrenzung und Diskriminierung“, berichtete das Moderatoren-Duo Celina Lyn Schild und Mohamed-Amin Adahchour aus der 8bR von Projektwochen.

„Niemand wird mit Hass geboren“

Schulleiterin Ruth Schrader-Bauer beschrieb ein Rassismus-Problem in allen Schichten. „Wir dürfen das als Gesellschaft mit humanistischen Anspruch nicht tolerieren“. Es sei Aufgabe aller, Rassismus entgegenzuwirken, das schließe Angriffe gegen Menschen mit Behinderungen und anderen sexuellen Orientierungen ein. „Schule spielt da eine herausragende Rolle, hier erfahren Schüler ganz früh die Bedeutung von Toleranz, Mitverantwortung, Wertschätzung und Gleichheit in der Gemeinschaft kennen.“

„Niemand wird mit Hass geboren“, betonte Sabrina Kupresanin. Die Lehrerin, die sich für die Auszeichnung eingesetzt hat, floh mit ihren Eltern 1992 vor dem Krieg in Ex-Jugoslawien und hat später „unschöne Momente wegen meines Nachnamens“ erlebt. „Es ist wichtig, als Schule nicht nur einem Netzwerk beizutreten und eine Plakette aufzuhängen. Alltagsrassismus ist unauffällig. Wir haben schon viel geschafft, mehr wird folgen“, kündigte sie an.

Von Michael Prochnow

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