Hanauer Unternehmer will als Erster in Deutschland legal Cannabis verkaufen

Hanauer Unternehmer Rocky Musleh sagt Kiffer-Image von Konsumenten den Kampf an – und hat viel vor.
Hanau – „20 Gramm Cannabis, bitte“: Ein solcher Satz an der Ladentheke könnte künftig zur Normalität gehören. Die Ampel in Berlin hat sich das Thema Legalisierung auf die Fahnen geschrieben. Doch die Koalition ist sich nicht einig. Die FDP möchte voranpreschen und hält es für möglich, dass der legale Verkauf von Cannabis im Frühjahr 2023 starten kann, andere sind zurückhaltender.
Auch Experten sind skeptisch. Anbau, Vertrieb, Prävention – viele Fragen sind noch offen. Doch der Hanauer Unternehmer Khosrau „Rocky“ Musleh gibt jetzt schon Vollgas. Seit Monaten bereitet er sich auf die Legalisierung vor. Mit dem Unternehmen German Medical will er der erste in Deutschland sein, der legal Cannabis verkauft. Wir haben mit Musleh, der in der Region als Gastronom und Betreiber von Testzentren und Flüchtlingsunterkünften bekannt ist, über das Thema gesprochen.
Hanau: Gastronom will ins Cannabis-Geschäft einsteigen
Wo stehen wir in der Legalisierungsdebatte?
Vom Gefühl her würde ich sagen, dass das Thema in den vergangenen Wochen extrem Dynamik bekommen hat. Ich war gestern in Hamburg mit Unternehmern, die seit fünf, sechs Jahren auf die Legalisierung warten. Ich glaube, da ist jetzt viel Druck zu spüren. Es wird jetzt von der Politik und vielen anderen Anspruchsgruppen fokussiert, das Thema nach vorne zu schieben. Es war vor dem Ukraine-Krieg sehr aktuell. Dann hat man zunächst nicht mehr darüber geredet. Ich war fast verwundert, dass man es jetzt doch so schnell realisieren möchte.
Oder es geht aus wie in Luxemburg. Dort wurde die Legalisierung auch angestrengt, und am Ende wurde sie nicht umgesetzt.
Das glaube ich nicht. Wir bekommen mit, dass vonseiten der Politik gerade viel in Bewegung ist. Deutschland bereitet sich auf solche Themen anders vor. Ein Scheitern des Verfahrens kann ich mir einfach nicht vorstellen. Natürlich gibt es Unsicherheiten, wie es am Ende umgesetzt wird, aber wir sind auf alles gut vorbereitet.
Hanau: Unternehmer will als erster in Deutschland legal Cannabis verkaufen
Wer sagt denn, dass ein Unternehmen wie die GM German Medical GmbH in dem ganzen Prozess überhaupt eine Rolle spielen kann? Vielleicht kümmert sich der Bund ganz alleine um Beschaffung, Vertrieb und Verkauf . . .
Medizinisch bilden wir schon heute die komplette Wertschöpfungskette ab. Wir sind Pharmagroßhandel. Das ist die Voraussetzung überhaupt. Wenn der Bund nicht auf die funktionierenden Strukturen zurückgreift, wäre das ein Riesenfehler. Wir glauben nicht, dass der Staat einen solchen Markt selbst bespielen kann.
Welche Auswirkungen wird die Legalisierung aus Ihrer Sicht auf die Kriminalität haben?
Man muss langfristig Erfahrungswerte sammeln, es gibt aktuell nirgends auf der Welt eine entsprechende Datenlage. Die Niederlande können nicht als Beispiel dienen, weil sie nur den Verkauf legalisiert haben, aber nicht den Einkauf. Wir können nur Kanada oder die USA heranziehen. Es braucht langfristige Studien und viele Daten. Ich schätze, dass es auch in Zukunft einen kleinen Teil des Schwarzmarktes immer noch geben wird, bevor die Leute den Absprung schaffen und sagen: Ich will sauberes Cannabis. Das ist genau unsere Arbeit. Wir bieten Konsumenten auch Drug Checking an – die Leute können uns ihr Cannabis bringen und wir analysieren es. Dann können wir ihnen sagen: „Stopp, das ist Straßenzeug! Es ist total belastet mit Blei und vielen weiteren Giftstoffen.“ Die illegalen Strukturen gibt es schon lange. Wer will, kriegt an jeder Ecke in Hanau Cannabis. Wir wollen daran arbeiten, den Leuten Zugang zu sauberem Cannabis zu bieten. Das braucht seine Zeit.
Entscheidend wird auch der Preis sein.
Ja, der Preis ist sehr, sehr wichtig. Wenn der Staat alles wegversteuert, und wenn es dadurch einen Preisunterschied von sechs, sieben, acht Euro gibt, weiß niemand, wo die Reise hingeht. Der Preisunterschied muss gering bleiben, maximal ein, zwei, drei Euro. Nicht mehr. Warum sollte sich sonst etwas verändern? Die alten Strukturen sind bekannt. Oder man bräuchte viel länger für eine Veränderung.
Hanau: Unternehmer über Risiko und Chancen im Cannabis-Geschäft
Genügen die Kanäle, die für das medizinisch genutzte Cannabis verfügbar sind, um die nach der Legalisierung zu erwartende Nachfrage zu befriedigen?
Mit dem aktuell legal erhältlichen Volumen könnte man den Freizeitmarkt nicht bespielen. Die Menge ist minimal. Das ist auch ein wichtiges Thema: Wie kommt man an Cannabis? Wie viel kann man nach Deutschland importieren? Damit beschäftigen wir uns aktuell. Ich bin nächste Woche in Israel. Dort unterschreiben wir einen Vertrag für die Belieferung mit 30 Tonnen Cannabis. Momentan liegt der Bedarf in Deutschland bei zehn Tonnen pro Jahr.
Was geschieht damit, wenn die Legalisierung nicht kommt? Ist das nicht ein großes Risiko?
Wir kaufen noch nicht direkt. Wir schließen Lieferverträge ab. Das wird alles konzipiert. Man muss vorplanen. Bei Cannabis ist das wegen der Ernte nicht so einfach. Natürlich ist ein Risiko vorhanden. Man muss sich das vorstellen wie bei Lebensmitteln. Cannabis hat eine gewisse Haltbarkeit, danach geht es kaputt. Deswegen ist das Bestellsystem hochkomplex. Durch den medizinischen Bereich haben wir damit große Erfahrung.
In Deutschland anzubauen, ist nicht möglich?
Es gibt momentan einen lizenzierten Anbau als Modellprojekt, dort gibt es aber immer noch keine Ernte. Zudem sind in Deutschland die Energiekosten zu hoch. Man muss sich die Entwicklung und die künftigen Gesetze angucken. Wenn im versiegelten Bunker angebaut werden müsste, wäre das alles viel zu teuer. Man kann momentan aus den verschiedensten Gründen in Deutschland nicht rentabel anbauen.
Wie lange sind Sie bei GM tätig?
Das ist alles nach Corona entstanden. Die vergangenen Monate habe ich mich sehr auf das Cannabisthema mit allen Logistik-, Rechts- und Präventionsthemen konzentriert.
Erst die Testzentren, dann die Infrastruktur für Flüchtlingsunterkünfte und jetzt Cannabis . . .
Rocky Musleh bespielt den Engpass. Wäre ja schlimm, wenn nicht (lacht). Wenn ich solche großen Projekte angehe, dann hole ich mir die besten Leute. Ein Beispiel: In Deutschland gibt es zwölf in dem Bereich anerkannte Toxikologen. Einer von ihnen, Professor Dr. Johannes Schulze von der Uni Frankfurt, arbeitet jetzt mit uns zusammen. Wir haben ein Team aufgebaut, mit den Besten in Deutschland. Es war wichtig, Erfahrungswerte im Medizinbereich zu sammeln und den Markt zu kennen und zu bespielen – um mitreden und sagen zu können, wir machen das schon hochprofessionell und kennen die Wege. Weil es sich um Betäubungsmittel handelt, glaube ich, man wird viel aus dem medizinischen Bereich adaptieren. Die Strukturen stehen, angefangen beim Thema Betäubungsmittellager. Das können wir gut für den Freizeitbereich anwenden.
Können Sie von den Erfahrungen aus ihren vergangenen Projekten profitieren?
Durch Corona sind wir deutschlandweit extrem vernetzt. Wir hatten in der Spitze 130 Testzentren. Da ist ein umfassendes Netzwerk mit vielen Entscheidungsträgern entstanden. Wenn wir bei Behörden anrufen, wird uns zugehört; die Wege sind nicht mehr so lang. Davon profitieren wir gerade. Wenn wir einmal keine ausreichende Expertise haben, holen wir uns die Leute, die es können.

Hanauer Unternehmer: Warum die Stadt ein Standort werden soll
Warum Hanau als Standort, was soll hier genau passieren?
Hanau ist meine Heimat. In Hanau sind viele meiner Unternehmen. Ich kenne Hanau und die Strukturen. Man kennt mich und meine Arbeit in Hanau. Ich bin in Hanau immer noch zu Hause (Musleh wohnt mittlerweile in Düsseldorf, Anm. d. Red.). Mein Team sitzt in Hanau. Wenn ich ein spannendes Projekt habe, dann kommt immer erst einmal Hanau in Frage. Als ich es den Verantwortlichen der Stadt Hanau präsentiert habe, waren diese auch begeistert, weil alles Hand und Fuß hat.
Wird es in Hanau neben Unternehmenssitz und Lager auch Ladengeschäfte geben?
Das ist unser Ziel. Wir müssen abwarten, was der Gesetzgeber vorschreibt, wo solche Läden entstehen dürfen. Es gibt eine Arbeitsgruppe mit der Stadt Hanau, in der mit Fachleuten solche und viele weitere Fragen erörtert werden. Wir bereiten uns mit einem großen Team auf dieses Projekt vor, machen uns auch Gedanken um das Thema Suchtprävention. Wir arbeiten aktuell mit fast 30 Leuten in dem Projekt. In ganz Deutschland ist keiner so weit wie Hanau – weil wir schon vor neun Monaten angefangen haben. In Kanada war es so: Die Legalisierung war da, die Shops haben aber erst acht Monate später aufgemacht, weil diese Vorarbeit nicht geleistet wurde. Wir gehen auf die Politik und Entscheidungsträger zu und stellen uns vor. Und uns wird zugehört.
Wenn die Legalisierung kommt, könnte der Betrieb direkt losgehen?
Ihr kennt doch Rocky Musleh (lacht). Wir bauen in Düsseldorf und in Frankfurt gerade Showrooms. Wenn ich mit Politikern spreche, ist meist die erste Frage: „Wie soll das aussehen?“ Deswegen bauen wir jetzt schon ein Handelsformat. Wir können zeigen, wie es aussehen wird. Wir sind ganz weit vorne dabei, um auf Knopfdruck alles bespielen zu können. Deswegen geht darin auch mein Herz auf. Wir sind Pioniere in dem Projekt. Ich habe ganz großes Interesse, Sachen als erstes zu realisieren. Mein Wunsch ist, die erste Abgabestelle in Deutschland zu sein. All meine Energie steckt gerade in diesem Projekt, und das macht jede Menge Spaß.
Apropos Spaß: Rauchen Sie selbst ab und an eine Tüte und wenn nein, werden Sie anfangen, wenn es legal ist?
Ich bin medizinischer Patient – wenig und medizinisch. Ich stehe zu dem Produkt. Mein Herz brennt dafür. Es ist ein Wundermittel. Man muss sich dafür öffnen. Das ist genau das, was wir machen wollen. Ich möchte dieses Kiffer-Image komplett killen. Dafür brenne ich. Raucher sind keine dummen Leute. Mein Mitarbeiter hat Multiple Sklerose, ist halbseitig gelähmt. Durch Cannabis ist er wieder auf die Beine gekommen. Wir sehen es ja live, wir sehen die Patienten.
Ist bei dem Geschäft eine Konkurrenzsituation zu erwarten?
Es gibt ein Vergaberecht. Es wird nicht so sein, dass German Medical oder mein anderes Unternehmen, die Kineo Medical, mit der ich auch das Thema Cannabis bespiele, Lizenzen an einem Standort bekommt. Aber so etwas kann nur der Pharmagroßhandel. Ein BTM-Lager kostet zwei Millionen Euro, wenn man das aufbaut. Die Konkurrenz ist nicht so groß, die das leisten kann. In Deutschland sind das etwa eine Handvoll Firmen. Aber: Die Großen beobachten den Markt. Rewe oder andere. Vielleicht kaufen die Großen die Kleinen dann auch.
Welche Rolle wollen Sie spielen?
Mein Ziel ist es, zu den Großen zu gehören und das Projekt von Hanau deutschlandweit zu bespielen. Düsseldorf und Krefeld haben länger gebraucht, um zu entscheiden, deshalb ist unsere Betreibergesellschaft jetzt in Hanau, unser Lager wird hier sein, unsere Schulungsräume auch. Mein Traum ist, dass die Leute irgendwann mal sagen: Das kommt aus Hanau. Das hat mal so ein kleiner Hanauer gemacht.
Gibt es schon einen genauen Standort?
Nein, noch nicht. Wir stecken aktuell keine Arbeit in die Suche, weil wir noch nicht wissen, was im Gesetz stehen wird.
Cannabis-Verkauf in Hanau? So soll der Laden aussehen
Wie soll der Laden aussehen?
Es wird kein Bling-Bling-Laden. Nicht in der Nähe von Schulen. Er soll eher eine Anlaufstelle sein. Prävention wird dort eine sehr wichtige Rolle spielen. Das soll nicht zum Amüsement der Jugend beitragen, genau das Gegenteil ist der Fall. Wir werden nicht werblich aktiv – eher Apotheke als Sneaker-Store.
Aber Geld wollen Sie damit doch auch verdienen?
Wenn ich das da vorne erzähle, denken alle: Ja, der will damit viel Geld machen. Ich mache das Projekt aber nicht wegen des Geldes. Mir geht es finanziell sehr gut. Ich habe andere Firmen im Düsseldorfer Raum, die gerade sehr erfolgreich arbeiten. Ich habe aber große Lust, etwas Neues zu bespielen. Wir wollen den Leuten, die ohnehin rauchen, den Zugang zu sauberem Cannabis verschaffen. Natürlich bin ich trotzdem Kaufmann und Unternehmer. Ich stecke viel Geld in das Projekt und klar soll irgendwann auch etwas zurückkommen. Aber Professor Johannes Schulze, der uns wissenschaftlich begleitet, sagt immer wieder, sobald wir einen zum neuen Konsumenten machen, ist er raus.
Das Gespräch führten Yvonne Backhaus-Arnold und Christian Dauber.