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Für ihren Seelenfrieden: Mutter der beiden getöteten Kinder sagt im Mordprozess aus

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Von: Julius Fastnacht, Yvonne Backhaus-Arnold

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Die Akten im Prozess gegen den Hanauer Kindermörder füllen einige Ordner.
Die Akten im Prozess gegen den Hanauer Kindermörder füllen einige Ordner. © Patrick Scheiber

Nach dem doppelten Kindermord in Hanau, sagt die Mutter der beiden Opfer vor Gericht aus. Sie will, dass ihr Ex-Mann – der mutmaßliche Täter – angemessen bestraft wird.

Hanau – Ihre Stimme ist ganz leise, als sie das erste Mal zu sprechen beginnt. Aber das, was sie sagt, ist dafür umso klarer. „Es ist mir wichtig, dass er bestraft wird, dass die Kinder ihren Seelenfrieden finden.“ Er, das ist der 47-jährige Ex-Mann der Frau, der am 11. Mai 2022 seine Tochter (7) und seinen Sohn (11) getötet haben soll.

Im Mordprozess hat am Mittwoch (1. Februar) zum ersten Mal die Mutter der beiden getöteten Kinder das Wort. Der Vorsitzende Richter, Dr. Mirko Schulte, nimmt sie bildlich an die Hand und führt sie geschickt, aber vorsichtig zurück nach Indien. Eine schöne Kindheit mit Mama und Papa, sagt die 38-Jährige, habe sie gehabt.

Aufgewachsen und zur Schule gegangen ist sie in der Stadt Bathinda im indischen Bundesstaat Punjab. 280.000 Menschen leben hier. Im Sommer sind es 42 Grad. „Ganz schön heiß, oder?“, fragt Schulte. Mit Klimaanlage lasse es sich aushalten, antwortet die Frau mit den langen schwarzen Haaren. Bekannt ist die Stadt für ihren großen Bahnhof. Auch die heute 38-Jährige fährt oft mit der Bahn, nach Delhi, zum Goldenen Tempel nach Amritsar.

Kindermord in Hanau: Mutmaßlicher Täter war jahrelang gewalttätig

Eine Bekannte vermittelt die Ehe. „Ich kannte meinen Mann bis zum Tag der Hochzeit nicht“, sagt die Frau, die im Mordprozess als Nebenklägerin auftritt und deren Aussagen eine junge Dolmetscherin von Punjabi ins Deutsche übersetzt. Ihre Eltern heißen die Ehe gut, ein Nein gibt es nicht. „Das wäre nicht gegangen.“

2008 findet die Hochzeit statt, dann zieht die junge Frau ins Haus der Schwiegereltern, die in einem Dorf 30 Minuten entfernt leben. „Mein Mann kam aus Griechenland und ist eine Woche später direkt wieder dorthin, um auf dem Bau zu arbeiten.“ Eineinhalb Jahre bleibt er fort, kommt dann für einen Monat wieder nach Indien und kehrt erneut nach Griechenland zurück.

Sie habe ihn angebettelt, sich um ein Visum zu kümmern, weil es ihr Traum gewesen sei, in Europa zu leben. Das Paar pendelt zwischen Indien und später Deutschland. Am Anfang ist zwischen den beiden alles gut, aber je mehr Zeit vergeht, desto unberechenbarer und aggressiver zeigt er sich. „Er hat mich geschlagen und gewürgt. Ich habe gehofft, dass es besser wird, wenn wir Kinder haben.“

Schwiegervater machte Druck: „Wenn nicht, passiert etwas Schlimmes“

Aber der Wunsch geht nicht in Erfüllung. Der Vater tut auch den Kindern weh, schüttelt die kleine Tochter durch. „Deshalb wollte ich mich von ihm trennen.“ Hat er Stärken, will Schulte über den Mann wissen, der fast regungslos neben seinem Anwalt sitzt? „Er ist ein schlechter Mann. Eine Stärke kann ich nicht nennen.“

Ihr ganzes Leben an seiner Seite habe sie in Angst vor ihm gelebt. Nach der Trennung lauert der 47-Jährige ihr einmal auf der Arbeit auf, sie verpackt Obst und Gemüse. Er droht, sich mit Benzin anzuzünden und ihr die Tat anzuhängen. Arbeitskolleginnen reden auf ihn ein. Die Situation eskaliert nicht. So wie ihr Mann zu ihr und später auch zu den Kindern gewesen sei, seien ihre Brüder nicht. Sie und auch ihr Vater in Indien hätten ihre Frauen immer gut und gleichberechtigt behandelt. „Mein Mann hat uns geschlagen, wenn etwas nicht nach seinem Willen lief.“

Auch die Schwiegereltern wissen, dass der Sohn aggressiv ist, darüber reden sie offen. Mit ihnen stellt die Frau die Kommunikation ein, nachdem sie sich von ihrem Mann getrennt hat. Doch der Schwiegervater in Indien lässt nicht locker, ruft bei ihren Eltern an, die der Tochter ins Gewissen reden sollen. „Wenn nicht, passiert etwas Schlimmes“, soll er gesagt haben.

Der Kontakt des mutmaßlichen Täters zu seiner Familie in Indien, ihn hat er in den Tagen, ja sogar in den Stunden vor den Tötungen immer wieder gesucht. Das zeigen Handy-Protokolle, die im Gerichtssaal verlesen werden. Unklar ist, worum genau es in den Gesprächen mit dem Vater, der Familie, ging – auch der zweite Prozesstag kann das nicht beleuchten, denn der Angeklagte wird nicht befragt.

Der Tattag selbst und wie die Frau ihn erlebt hat, bleibt vorerst im Dunkeln – er wird in den rund drei Stunden Verhandlung nicht thematisiert. Zu belastend und anstrengend ist die Schilderung für die 38-Jährige, die in der Pause Kopfschmerztabletten nehmen muss, um die Aufmerksamkeit aufrechtzuerhalten. Richter Schulte zeigt sich von den Schilderungen trotzdem überzeugt: „Wir haben gar nicht so viel erwartet, wie sie uns heute erzählt haben“, sagt er zum Abschluss.

Weiter geht der Prozess am Mittwoch, 15. März, um 13 Uhr. Die Verhandlung ist öffentlich. (Yvonne Backhaus-Arnold/Julius Fastnacht)

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