Ortsbeirat Mittelbuchen nennt Schließung des Stadtteilladens vertragswidrig

„Man könnte es als Vertragsbruch bezeichnen.“ – Mittelbuchens Ortsvorsteherin Caroline Geier-Roth ist sauer. Und mit ihr der gesamte Ortsbeirat. Unisono, parteiübergreifend. „Was hier gemacht wird, ist ein Unding“, sagt die Ortsvorsteherin. Sie spricht vom Magistratsbeschluss, sämtliche Stadtteilläden im Stadtgebiet zu schließen. Ein Beschluss, der auch vom Stadtparlament grünes Licht bekommen hat. „Wir wurden darüber im Vorhinein nicht einmal informiert“, so Geier-Roth.
Hanau – Die Ortsvorsteherin verweist im Gespräch mit unserer Zeitung auf den Auseinandersetzungsvertrag, der mit der Stadt Hanau getroffen wurde, als sich Mittelbuchen vor 50 Jahren im Zuge der Gebietsreform entschloss, sich Hanau anzuschließen. „Darin sind die Bedingungen festgehalten, unter denen Mittelbuchen zu Hanau geht. Damals gab es in Mittelbuchen ja noch ein eigenes Rathaus. Dort konnten die Bürger alles erledigen. Diesen Service, wollte man für den Stadtteil erhalten. Man hat sich zu jener Zeit die Vertragsbedingungen also schon sehr gut überlegt“, so die Ortsvorsteherin.
Änderungen bedürfen der Zustimmung des Ortsbeirats Mittelbuchen
Demnach sollte es, so sagt es der Vertrag, auch nach dem Zusammengehen mit Hanau eine Außenstelle der Stadtverwaltung für alle laufenden Verwaltungsgeschäfte in Mittelbuchen geben. Heißt: Personalausweis, Reisepass, Führungszeugnis, Jagd- und Fischereischein konnte man weiterhin vor Ort im Stadtteil erhalten. „Also genau das, was bis zur Schließung des Stadtteilladens 2019 in Mittelbuchen angeboten wurde“, so Geier-Roth.
In diesem Auseinandersetzungsvertrag steht zudem, dass „wesentliche Änderungen, die die Angelegenheiten der Verwaltungsstelle betreffen, der Zustimmung des Ortsbeirates bedürfen“. Der Ortsbeirat hat diesbezüglich ein Vetorecht. Und weiter: „Gegen ein eingebrachtes Vetorecht kann die Stadtverordnetenversammlung keine Beschlüsse fassen.“
Das aber hat sie. Deshalb hat der Ortsbeirat Mittelbuchen nun in seiner jüngsten Sitzung sein einstimmiges Veto gegen die Schließung des Stadtteilladens eingelegt. Er fordert den Magistrat auf, den Stadtteilladen Mittelbuchen zeitnah wieder zu eröffnen. Man wäre sogar mit nur einem Öffnungstag, zumindest aber einem halben, zufrieden, sagt die Ortsvorsteherin.
Hanau hatte Stadtteilläden wegen Corona-Pandemie und geringer Besucherzahlen geschlossen
Auf die Frage, was passiere, wenn die Stadt darauf nicht reagiert, verweist Geier-Roth erneut auf den Auseinandersetzungsvertrag: „Laut Paragraf 20 ist darin festgehalten, dass der Ortsbeirat ermächtigt ist, bei Nichteinhaltung der Vertragsvereinbarungen das Regierungspräsidium einzuschalten und alle rechtlichen Schritte herbeizuführen, um die Erfüllung des Vertrags zu gewährleisten.“
Die Stadt hatte sich unter anderem deshalb für die Schließung der Stadtteilläden entschlossen, da es aufgrund der Pandemie und der geringen Besucherzahlen nicht vertretbar sei, den Stadtteilladen aufrechtzuerhalten. Auch sei das Büro in Mittelbuchen nicht für die Hygienevorschriften ausgerüstet. Darüber informierte Uwe Triebel, der den Bürgerservice Hanau leitet, auf der vergangenen Ortsbeiratssitzung. Dies, sagt Geier-Roth verärgert, sei aber erst auf ihre ausdrückliche Einladung erfolgt.
Die genannten Gründe für die Schließung des Stadtteilladens Mittelbuchen seien nahezu sämtlich mit zahlreichen Gegenargumenten aus den Reihen der Ortsbeiratsmitglieder entkräftet worden, so Geier-Roth. Dem zugehörigen Protokoll ist zudem zu entnehmen, dass es aufseiten der Stadt Hanau keinerlei Eingang von Beschwerden der Bürger über die Schließung gebe. „Alle Ortsbeiräte haben sich der Reihe nach zu Wort gemeldet und zahlreiche Argumente vorgebracht, die für den Erhalt des Stadtteilladens sprechen.“
Ortsvorsteherin spricht von „fadenscheinigen Schließungsgründen“
Geier-Roth spricht von „fadenscheinigen Schließungsgründen“ und führt als Beispiel die Digitalisierung an. „Ich komme selber aus der Branche und weiß, dass gerade die digitalen Möglichkeiten in Sachen Stadtteilladen eine Chance sind. Denn durch die Digitalisierung ist es doch egal, wo derjenige sitzt, der die Arbeit verrichtet. Wenn in Mittelbuchen dann gerade kein Publikumsverkehr herrscht, können dank der digitalen Möglichkeiten andere Arbeiten verrichtet werden.“
Sie verweist zudem auf den CO2-Fußabdruck. „Statt dass 100 Menschen von Mittelbuchen aus zum Bürgerservice in die Stadt fahren, wäre es doch besser, wenn ein Verwaltungsangestellter von Hanau nach Mittelbuchen fahren würde.“ Zudem zählt sie Argumente wie die Altersstruktur im Stadtteil auf und verweist darauf, dass ohnehin nur sehr wenige Services rein digital ablaufen. „Oft kann man online nur einen Termin vereinbaren und muss den Rest dann doch vor Ort erledigen.“ Auch das Argument der Mietkosten entkräftet der Ortsbeirat und verweist darauf, dass das Gebäude an der Wachenbuchener Straße, in dem sich der Stadtteilladen befindet, ohnehin der Stadt gehöre.
Für den Ortsbeirat und Geier-Roth bestätigt sich mit der Schließung einmal mehr das Gefühl, abgehängt zu sein. „Mittelbuchen scheint im Rathaus weit weg. Wir mussten in der letzten Zeit ja auch die Schließung der Sparkasse hinnehmen. Deshalb haben wir, als dieser Rückzug im vergangenen Jahr bekannt wurde, und unter dem Eindruck des gefühlten Zurückziehens und eines zunehmenden Zentralismus der Kernstadt, einen Antrag gestellt, dass wir einen fundierten Stadtteilentwicklungsprozess für Mittelbuchen mit hauptamtlicher Unterstützung ins Leben rufen wollen.“
Alle neun Ortsbeiratsmitglieder verlassen sich nun auf das, was im Auseinandersetzungsvertrag festgehalten ist, und hoffen auf eine Wiedereröffnung des Stadtteilladens. „Solange uns nicht eine höhere Ebene sagt, dass der Vertrag nicht mehr gültig ist.“ Dann aber stelle sich eine ganz andere Frage: Was ist mit den anderen im Vertrag festgehalten Punkten? Der Ortbeirat formuliert es drastisch: Wenn der Auseinandersetzungsvertrag nicht mehr gelte, dann gelte auch nicht mehr, dass Mittelbuchen zu Hanau gehöre.
Von Kerstin Biehl