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Prozess in Hanau: 47-jähriger steht wegen Mordes an seinen Kindern vor Gericht

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Von: Yvonne Backhaus-Arnold

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Mordprozess gegen 47-jährigen Mann in Hanau
Ein 47-jähriger Angeklagter wird zum Prozessauftakt in den Gerichtssaal des Landgerichts geführt. © Arne Dedert/dpa

Ein 47 Jahre alter Mann aus Indien soll seine beiden in Hanau lebenden Kinder getötet haben. Nun beginnt der Prozess gegen ihn.

Hanau – Unter großem Zuschauer- und Medieninteresse hat der Prozess gegen einen 47-jährigen Mann begonnen. Er soll am 11. Mai 2022 seine beiden Kinder heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen getötet haben. Als Staatsanwalt Dr. Oliver Piechaczek die Anklage verliest, ist es mucksmäuschenstill im Saal.

Der Angeklagte, ein Mann mit Vollbart und schwarzem Haar, der sich mit einem Ordner vor den vielen Kameras und Fotoapparaten abgeschirmt hatte, blickt starr geradeaus während der Dolmetscher übersetzt. Immer wieder nimmt er seine Mütze, um sich die Tränen aus dem Gesicht zu wischen.

Ihm gegenüber sitzt seine mittlerweile von ihm geschiedene Frau, die in dem Mordprozess als Nebenklägerin aussagt. Sie hat das Haar zum Pferdeschwanz gebunden, ringt um Fassung. Ihr zur Seite steht ebenfalls eine Dolmetscherin.

Prozess in Hanau: Angeklagter gewalttätig gegenüber Frau und Kindern

Das Paar hatte sich im Januar 2022 getrennt, nachdem der Vater wiederholt gewalttätig geworden war – gegenüber seiner Frau und den beiden gemeinsamen Kindern. In der Römerstraße in Hanau hatten sie ein neues Zuhause gefunden. Der Vater wollte die Trennung nicht akzeptieren – forderte die Rückkehr in die vormals gemeinsame Wohnung, die Rückkehr in die Beziehung, sprach direkte und indirekte Todesdrohungen aus, auch gegen die gemeinsamen Kinder.

Am frühen Morgen des 11. Mai habe er, so heißt es in der Anklage, seine Pläne in die Tat umgesetzt. Zuvor hatte er in Erfahrung gebracht, wann seine Frau und die beiden Kinder, die alleine zur Schule gingen, das Haus verließen. Ab 5.21 Uhr habe er am Marktplatz gewartet und die Umgebung ausgekundschaftet, beobachtet wie die Frau um 5.42 Uhr das Haus verließ und wenig später in den Bus stieg.

Ab 7.10 Uhr habe er – nicht im Besitz eines Schlüssels – vor der Wohnungstür gewartet und den Moment abgepasst, in dem das siebenjährige Mädchen und ihr elf Jahre alter Bruder die Wohnungstür öffneten. Mit Ranzen auf dem Rücken. Vollkommen schutz- und hilflos. Der Vater drückte das Mädchen aufs Bett und schnitt ihr zweimal tief in den Hals.

Hanau: 47-Jähriger war nach der Tat mehrere Tage auf der Flucht

Der Bruder, der das mit ansehen musste, riss die Balkontür auf und stürzte sich, davon ist die Staatsanwaltschaft überzeugt, in Todesangst und Panik neun Stockwerke in die Tiefe. Die kleine Schwester sei – das legen die Spuren nahe – schwer verletzt auf den Balkon gewankt, um nach ihrem Bruder zu sehen, und dort dann zusammengebrochen und verstorben. Der Junge war so schwer verletzt, dass er im Krankenhaus verstarb.

Der Vater flüchtete. Drei Tage nach der Tat nahm die französische Polizei ihn in einem Pariser Vorort fest. Im Juli wurde er nach Deutschland ausgeliefert.

Nach der Anklageverlesung verlässt die Mutter den Saal. An den nächsten beiden Verhandlungstagen wird sie als Zeugin aussagen.

Der Angeklagte hat bisher geschwiegen zur Tat. Über seinen Verteidiger Stefan Bonn lässt er seinen Lebenslauf verlesen. 1975 als einer von drei Söhnen im Nordwesten Indiens geboren, verlässt er das Haus der Familie, die Landwirtschaft betreibt, Ende 2000 Richtung Griechenland. Hier, in Athen, lebt bereits der ältere Bruder des Angeklagten. Nach seiner Einreise erhält S. eine Aufenthaltsgenehmigung für Griechenland, arbeitet 15 Jahre lang auf Baustellen. 2008 kehrt er für dei Hochzeit nach Indien zurück. 2011 und 2014 werden die beiden Kinder des Paares geboren. 2015 und 2016 ist S. für einige Monate in Deutschland, hat Arbeit in einer Papierfabrik. Im Oktober 2016 kommt seine Frau nach Deutschland.

Prozess in Hanau: „Wegen mir sind meine beiden Kinder zu Tode gekommen“

Sie leben in verschiedenen Orten im Rhein-Main-Gebiet. Zwischen 2017 und 2021 reist sie immer wieder zu den beiden Kindern, die bei der Familie in Indien leben. Im Juni 2021 holen Mutter und Vater ihren Sohn und ihre Tochter nach Deutschland. In der Eröffnungserklärung, die der Verteidiger im Anschluss verliest, heißt es: „Wegen mir sind meine beiden Kinder zu Tode gekommen. Ich alleine trage die Verantwortung. Die Tat ist unentschuldbar. Ich bedauere sie zutiefst. Niemand kann mir verzeihen, deshalb frage ich auch nicht nach Vergebung.“

Ob das seine eigene Erklärung sei, will der Vorsitzende Richter Dr. Mirko Schulte wissen. Der Angeklagt nickt, murmelt etwas. Leise. „Ja“, übersetzt der Dolmetscher. Schulte appelliert eindringlich, zu erklären, was am 11. Mai 2022 passiert. „Es ist nur einer dabei gewesen, der es weiß“, sagt er in Richtung Anklagebank.

Dass es noch viel aufzuklären und zu ermitteln gibt, daraus macht Schulte keinen Hehl. So überlegt die Kammer beispielsweise, den Körper des Sohnes nachbilden zu lassen, um Abwurfversuche aus gleicher Höhe wie in der Römerstraße durchzuführen. „Vielleicht“, sagt der Vorsitzende Richter zu S., „sprechen sie mit uns und wir können das umgehen.“

Der Prozess wird am Mittwoch, 1. Februar, um 13 Uhr fortgesetzt. Die Verhandlung in Saal 215 des Landgerichts ist öffentlich. (Yvonne Backhaus-Arnold)

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