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Puppenmuseum-Gründerin Gertrud Rosemann ist gestorben

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Von: David Scheck

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Mit der Ehrenbürgerwürde von Tottori bekam Gertrud Rosemann 2021 einen Drachenkopf als Geschenk eines japanischen Holzschnitzers. Archivfoto: Jutta Degen-Peters
Mit der Ehrenbürgerwürde von Tottori bekam Gertrud Rosemann 2021 einen Drachenkopf als Geschenk eines japanischen Holzschnitzers. Archivfoto: Jutta Degen-Peters © Archivfoto: Jutta Degen-Peters

Ohne sie würde es das Hessische Puppen- und Spielzeugmuseum im Arkadenbau des Staatsparks Hanau-Wilhelmsbad nicht geben, ebenso wenig die Städtepartnerschaft der Brüder-Grimm-Stadt mit dem japanischen Tottori: Am vergangenen Montag ist Gertrud Rosemann nach kurzer, schwerer Krankheit gestorben, wie ihr Ehemann, Dr. Gerd Rosemann, der Redaktion am Dienstag mitteilte. Ende Oktober vergangenen Jahres hatte die langjährige Museumsleiterin und frühere Pädagogin ihren 100. Geburtstag gefeiert.

Hanau – Gertrud Rosemann war eine Jahrhundertzeugin. Wer auf die Anfänge ihres Lebens blickt, schaut in eine andere Zeit: Als sie 1922 in Kettwig, heute ein Stadtteil von Essen, geboren wird, ist der Erste Weltkrieg gerade einmal vier Jahre her. In Wuppertal wächst sie auf. 1945, am Ende des noch verheerenderen Zweiten Weltkrieges, ist sie bereits eine junge, erwachsene Frau. Als Lehrerin in Ostpreußen eingesetzt, erlebt sie den Einmarsch der Roten Armee, wird in ein sowjetisches Internierungslager gesteckt, kommt erst 1948 wieder nach Hause, nach Wuppertal. Doch trotz dieser Erfahrungen bleibt Gertrud Rosemann ihr Leben lang ein positiver, vorwärtsgewandter Mensch. „An meinem Lebenslauf sieht man, dass ich ein Glückskind bin“, sagt sie im Gespräch mit unserer Zeitung im Vorfeld ihres 100. Geburtstages. Zu diesem Glück zählt sie in jenem Gespräch auch ihre vier Söhne und deren Familien sowie, dass sie mit ihrem Ehemann gemeinsam alt werden konnte.

Gertrud Rosemanns Söhne spielten mit Puppen - der Grundstein für das spätere Museum

Und in ihrer Familie liegt quasi auch die Quelle dessen, was später einmal das Hessische Puppenmuseum werden sollte. Denn die Anfänge ihrer Puppensammlung verdankt sie der Tatsache, dass ihre Söhne im Kindergartenalter zielstrebig auf die Puppen in der Spielecke zusteuerten, wenn sie mit der Mutter den als Arzt der Uniklinik Duisburg tätigen Vater besuchten. „Sie spielten mit den Puppen das nach, was ich mit dem Kleinsten machte: Windeln wechseln, anziehen“, erzählt Gertrud Rosemann unserer Zeitung im vorigen Herbst. So schafft die Mutter auch für zu Hause Puppen für ihre Jungs an, zunächst aus Zelluloid, später dann Käthe-Kruse-Puppen, und findet Spaß an der Nachbildung der aktuellen Lebenswirklichkeit im Puppenformat.

Die Söhne werden mit den Jahren älter, doch Rosemanns Begeisterung für Puppen, Puppenhäuser und noch mehr Zubehör hört nicht auf. So entsteht im Lauf der Zeit eine Sammlung. Ab Mitte der Siebzigerjahre verfolgt sie die Idee eines Museums. 1981 beschließt die Hanauer Stadtverordnetenversammlung, im ersten Stock der historischen Kuranlage in Wilhelmsbad gemeinsam mit dem Land Hessen zur Finanzierung der Einrichtung und der laufenden Kosten eines Puppenmuseums beizutragen, während die Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten in Hessen die Räumlichkeiten zur Verfügung stellt. Die Ausstellungsstücke bringt Rosemann mit ihrer inzwischen beachtlichen Sammlung ein.

Bis 1997 leitete Gertrud Rosemann das Hessische Puppenmuseum in Hanau

1983 nimmt das Hessische Puppenmuseum – seit 2016 inhaltlich und namentlich um den Zusatz „Spielzeug“ erweitert – seinen Betrieb auf, dessen Leitung Gertrud Rosemann bis 1997 ehrenamtlich innehat. Heute steht das Museum unter wissenschaftlicher Leitung, ehrenamtliche Museumsmitarbeiterinnen und Mitarbeiter übernehmen Besucherbetreuung, Puppenberatung und Museumspädagogik.

1987 ziehen die Rosemanns nach Wilhelmsbad. Bis Ende 2021, so sagt es die Statistik, leistet Rosemann 91 800 ehrenamtliche Arbeitsstunden. Im selben Jahr erhält sie die Ehrenbürgerwürde der japanischen Stadt Tottori und einen Drachenkopf – ein Geschenk eines japanischen Holzschnitzers. Denn die Städtepartnerschaft Hanaus mit Tottori ist maßgeblich Gertrud Rosemann zu verdanken. Die Wahl-Hanauerin hatte 1988 mit einer Japan-Ausstellung im Puppenmuseum den Grundstein gelegt und sich über die Jahrzehnte hinweg nicht nur durch die Sammlung von Puppen intensiv um die Freundschaft mit den japanischen Museumsschaffenden, Künstlern und Bürgern bemüht.

Ihr großes ehrenamtliches Engagement wird der früheren Pädagogin mit zahlreichen Auszeichnungen gedankt: Landesehrenbrief, Bundesverdienstkreuz, Kulturpreis des Main-Kinzig-Kreises. Die Stadt, die ihre Wahl-Heimat wurde, ehrt Gertrud Rosemann mit Bürgerplakette und August-Gaul-Plakette. Und mit Worten, so zuletzt im Oktober 2022 anlässlich ihres 100. Geburtstages: „Ihr Einsatz für das Ehrenamt und die Museumspädagogik sind und bleiben wegweisend für viele“, schreiben Oberbürgermeister Claus Kaminsky und Stadtverordnetenvorsteherin Beate Funck der Jubilarin.

Von David Scheck

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