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Die Pressestimmen zum Terror-Anschlag in Hanau: „Deutschland macht uns wieder Angst“

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Bei dem Terror-Anschlag in Hanau starben inklusive des Täters elf Menschen. Die Tat war rassistisch motiviert. Wir haben für Sie die Pressestimmen zusammengefasst.

Hanau - Bei dem mutmaßlichen rechtsradikalen und rassistischen Terror-Anschlag in Hanau hat ein 43-jähriger Mann neun Menschen mit ausländischen Wurzeln erschossen. Anschließend soll der Sportschütze seine 72 Jahre alte Mutter und sich selbst getötet haben. Der mutmaßliche Täter habe eine „zutiefst rassistische Gesinnung“ gehabt, erklärte Generalbundesanwalt Peter Frank. Die nationale und internationale Presse zeigte sich, genau wie zahlreiche Politiker, erschüttert über die Ereignisse. Wir haben die Pressestimmen für Sie zusammengefasst.

Pressestimmen zu den Schüssen in Hanau: „Wer AfD wählt, stellt sich selbst in rechte Ecke“

Die „Süddeutsche Zeitung“ (München) kommentiert den Terror-Anschlag in Hanau (Hessen): „Synagogen und Moscheen müssen besser bewacht werden, solange die Gefährdung so groß ist. Zur Prävention gehört auch, dass vielschüssige Handfeuerwaffen nicht mehr von Privatleuten, auch nicht von Sportschützen, zu Hause aufbewahrt werden dürfen. Das ist kein Generalverdacht gegen Schützen, sondern die nötige Konsequenz aus etlichen Mordtaten. Staatliches Handeln aber reicht nicht aus. Jeder und jede Einzelne steht in der Pflicht. Das fängt bei schlechten Witzen an und hört bei widerspruchslosem Hinnehmen von Alltagsrassismus nicht auf. Man muss die Dinge klar benennen, zum Beispiel: Wer die AfD wählt, stellt sich selbst in die rechte Ecke, weil er auch die Rechtsextremisten wählt, die es in dieser Partei gibt. Dieses Land und seine Gesellschaftsordnung, seine Menschen, egal ob aus Kaufbeuren, Edirne oder Krakau stammend, sind es wert, dass seine Bürger sie verteidigen - vor allem gegen jene, die mit Wort und manchmal mit Mord die Zeit zurückdrehen wollen.“

Die „Neue Zürcher Zeitung“ aus der Schweiz schreibt über den Terror-Anschlag in Hanau (Hessen): „Die wehrhafte Demokratie vermag allerdings zu unterscheiden zwischen rechter Demagogie im Stil eines Björn Höcke und Rechtsterrorismus wie in Hanau*, Halle oder Kassel. Sie konnte das in den siebziger Jahren, als eine vernünftige Mehrheit Linksterrorismus nicht mit Linksextremismus gleichsetzte. So wurde die Grundlage gelegt, um die Täter der Rote-Armee-Fraktion gesellschaftlich zu isolieren und den Linksterrorismus zu vernichten. Vielleicht ist das die größte Tugend des Rechtsstaats: dass er Grenzen definiert, wo andere sie zum Zweck der Propaganda verwischen. Heute wird Deutschland ebenfalls klug genug sein, nicht alles aus einer verständlichen Empörung heraus in einen Topf zu werfen - Terroristen und Populisten.“

Pressestimmen zum Terror-Anschlag in Hanau: „Merkels Abschied bedeutet Periode politischer Turbulenzen“

Der Londoner „Guardian“ schreibt am Freitag über den Terror-Anschlag in Hanau (Hessen): „Eine der Schlüsselfragen unserer Zeit besteht darin, inwieweit das Ausmaß der Wiederauferstehung des Nationalismus den Rechtsextremismus* und tödlichen Rassenhass angefacht und legitimiert hat. Die Sache ist kompliziert. In gewisser Weise ähnlich wie (die rechtspopulistische britische Partei) Ukip hatte die AfD als eine vor allem euroskeptische Partei begonnen. Doch seit der Migrationskrise von 2015 hat sie sich in eine breitere Bewegung mit starken Elementen verwandelt, die bewusst Islamophobie und Rassismus schüren. (...) Angela Merkels bevorstehender Abschied von der Bühne bedeutet, dass eine Periode politischer Turbulenzen unvermeidlich ist. Doch während die erfolgreichste Partei der Nachkriegsära in Deutschland über ihre künftige politische Richtung nachdenkt, sollten die Ereignisse von Hanau all jenen stark zu denken geben, die versuchen möchten, die äußerste Rechte zu zähmen, einzubinden oder zu imitieren. Der Sperrgürtel zur Isolierung der AfD und ihresgleichen muss aufrechterhalten werden.“

Die italienische Zeitung „La Repubblica“ kommentiert die Taten in Hanau (Hessen): „Das Monster wacht auf, und Deutschland macht uns wieder Angst. Es macht uns noch mehr Angst, denn es sieht uns ähnlich. Seine soziale Krankheit ist unsere. (...) Die Anbindung an die Europäische Union, und damit an eine übernationale Struktur, die jede Bestrebung des wiedervereinigten Deutschlands in Richtung Großmacht abwenden sollte, schürt das Wiederaufleben eines aggressiven Nationalismus in einer zerrissenen Gesellschaft, die sich in ihrem Wohlergehen bedroht fühlt. Genau davor hatte Angela Merkel Angst, als sie das Zusammenwirken ihrer Partei, der CDU, und der Liberalen in Thüringen mit den anti-europäischen Fremdenhassern der Alternative für Deutschland als „unverzeihlich“ bezeichnete. Aber der von der Bundeskanzlerin erwirkte Widerruf der Kooperation hat Teile der deutschen Christdemokraten nicht daran gehindert, weiter der Versuchung zum Dialog mit der extremen Rechten zu erliegen, wie es bereits in Italien und Österreich geschehen ist. Deutschland steht heute bestürzt vor dem Massaker in den Shisha-Bars von Hanau. Und hoffen wir, dass es nicht zu spät ist.“

Pressestimmen zu den Schüssen in Hanau: „Giftiger Glaube an Vorherrschaft der Weißen breitet sich aus“

Die spanische Zeitung „El Mundo“ ordnet den Terror-Anschlag in Hanau (Hessen) ein: „Nach zwei Weltkriegen und den blutigen Erfahrungen des jüdischen Holocausts und des sowjetischen Gulags, die durch die zerstörerischsten utopischen Projekte des 20. Jahrhunderts - den Nationalsozialismus und den Kommunismus - hervorgerufen wurden, glaubte man, Europa sei endgültig gegen Kriegsgelüste geimpft. Die tiefe Wirtschaftskrise (...) und das daraus resultierende Misstrauen der Bürger gegen Gemeinschaftsinstitutionen, die sich als unfähig erwiesen haben, mit den Folgen umzugehen, haben die intoleranten Einstellungen wieder aufflammen lassen, die von den Hassreden des Nationalismus, von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit noch angeheizt werden. Die beiden Schießereien, bei denen am Mittwochabend in der deutschen Stadt Hanau elf Menschen ums Leben kamen, sind die tragische Folge des europaweiten Erwachens des Populismus und der extremen Rechten, die bei den europäischen Wählern immer mehr Unterstützung finden.“

Die französische Regionalzeitung „La Voix du Nord“ kommentiert die Ereignisse in Hanau (Hessen): „Der ultra-rechte Terrorismus ist eine westliche Realität, die tief in den dunklen Tiefen unserer Gesellschaften verwurzelt ist. Der Anschlag in Hanau bei Frankfurt hat am Mittwochabend neun Tote unter den Gästen der Shisha-Bars gefordert, und der Mörder hat Nachrichten hinterlassen, die seine rassistischen Beweggründe bezeugen. Deutschland wird von diesem Phänomen getroffen, das bereits durch den Aufstieg der ultra-rechten Partei Alternative für Deutschland (AfD) und Pegida erschüttert ist, die jeden Montag in Dresden ihren Hass zum Ausdruck bringt. Bundeskanzlerin Angela Merkel räumt ein: ‚Dieses Gift existiert in unserer Gesellschaft‘. Im Juni wurde ein einwanderungsfreundlicher CDU-Politiker ermordet. Im Oktober kamen bei einem Anschlag auf die Synagoge von Halle zwei Menschen ums Leben. Es wäre falsch, sich auf Deutschland zu konzentrieren. Der giftige Glaube an die Vorherrschaft der Weißen breitet sich aus.“

In der niederländischen Zeitung „NRC Handelsblad“ (Online) heißt es am Freitag zum Anschlag in Hanau (Hessen): „Es wirkt ironisch, dass Politiker der rechtsradikalen AfD selbst gern argumentieren, ihre Partei sei „in der Mitte der Gesellschaft“ angekommen. Sie meinen das positiv und wollen damit sagen, dass ihr Anhang aus breiten Kreisen der Bevölkerung kommt. Doch parallel zum Aufschwung der AfD gilt in der Mitte der deutschen Gesellschaft die Feindseligkeit gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund immer weniger als ein Tabu. Das zeigt sich vor allem in einer unverblümt hasserfüllten Sprache - im Internet sowie bei politischen Versammlungen.“

dpa

Über den Anschlag in Hanau soll Tobias R. mit niemandem gesprochen haben. Der Attentäter hat in zwei Shisha-Bars neun Menschen erschossen. Alle Entwicklungen im Live-Ticker.

Der Tag danach: Nach dem Terror von Hanau* mischen sich Fassungslosigkeit und Angst mit der Hoffnung, dass weiterhin ein friedliches Miteinander möglich ist.

Hanau steht unter Schock*. An den beiden Tatorten erzählen die Menschen, wie sie die blutige Nacht erlebt haben, als Tobias R. um sich schoss.

Die Angehörigen der Getöteten des rassistisch motivierten Anschlags in Hanau* versuchen das Trauma zu bewältigen – doch durch die Corona-Regeln wird die Trauerarbeit nicht leichter.

*op-online.de und fr.de ist Teil des bundesweiten Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerkes

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