Hanauer Blumenhändler bangt um Mitarbeiterin in Kabul

Wenn bei Sebastian Blum das Telefon klingelt, zucken er und seine Mitarbeiterinnen im Blumenladen zusammen und starren auf das Gerät. Vielleicht ist Shuglah dran. Die beliebte Kollegin hat am 18. August in Kabul geheiratet. Jetzt sitzt sie dort fest, das Team an der Langstraße, Familie und Freunde fürchten, dass die Frischvermählten und ihre Angehörigen Afghanistan nicht verlassen können.
Hanau - „Wir versuchen alles“, versichert der junge Chef beim Besuch unserer Zeitung im Laden besorgt. „Ich habe sie bei der zuständigen Behörde in Berlin registrieren lassen und mit dem Oberbürgermeister gesprochen“. Blum hofft, dass Claus Kaminsky seinen Einflusses geltend macht, „es sind schließlich zehn Einwohner unserer Stadt“, definiert er den Strohhalm, nach dem er greift. „Mein Ziel ist es jetzt, an die Öffentlichkeit zu gehen, über die Situation in Kabul zu informieren und Hilfe zu erhalten.“
Konkret hoffen die Blumenhändler im Stadtzentrum, dass die Bundeswehr die Familie noch ausfliegen kann. Shuglah und ihr Ehemann fahren täglich mit dem Taxi zum Flughafen, doch sie kommen nicht einmal in die Nähe des Terminals, beschreibt ihr Arbeitgeber die Situation anhand der kurzen Telefonate. „Der Kontakt wird in diesen Tagen immer schwieriger, die Internetverbindung immer schwächer, die Verbindungen brechen ab“, schildert der Geschäftsführer.
Angst vor den Taliban
Die Hochzeitsgesellschaft ist am Freitag, 23. Juli, mit einem Linienflug nach Kabul gereist. Eigentlich wollte Shuglah schon vor zwei, drei Jahre heiraten, im vergangenen Jahr hat Corona das Ja-Wort verhindert. „Sie hat sich riesig auf den Tag gefreut, ihn mit der ganzen Familie vorbereitet“, berichtet Blum, „sie kennt ihren Bräutigam seit Kindesbeinen“. Noch vor dem Fest hatten die Taliban die Hauptstadt eingenommen. Shuglah wollten dennoch ihre Vermählung feiern, „es war eine sehr gedämpfte Feier“.
Seine Mitarbeiterin am anderen Ende der Leitung klinge oft niedergeschlagen, „sie will so schnell wie möglich raus, hat richtig Angst, vor den bösen Menschen mit den schwarzen Augen“, zitiert er sie. Zu zehnt hält sich die Familie im Haus der Großeltern auf. Shuglah will ihre Geschwister nicht zurücklassen, der jüngere Bruder und die Schwester, die als Aushilfe im Blumenladen arbeitet, haben EU-Pässe oder wie Shughlah eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis für die Bundesrepublik.
Die Ehefrau ist jetzt 27 Jahre alt, kam mit ihren Eltern im Alter von neun Jahren nach Deutschland, Brüder und Schwester sind hier geboren. In einem anderem Betrieb ist sie einmal durch die Theorieprüfung gefallen, seit der Neueröffnung der Blume-2000-Filiale gehört sie zum Team. „Sie hat eine Förderschule besucht und ist 2017 als Auszubildende zu uns gekommen, zwei Jahre später hat sie ihre Lehre zur Floristin erfolgreich abgeschlossen“, sagt Blum.
„Bei den Kundinnen und Kunden ist sie sehr beliebt, sie prägt das Geschäft, ihre wunderschönen Sträuße und Gestecke sind sehr gefragt“, schwärmt der Arbeitgeber, „jeden Tag fragen viele nach ihr, machen sich Sorgen“ erzählt Sebastian Blum. „Shuglah kann sich mit fast jedem verständigen, sie spricht sechs Sprachen und ist sehr zuverlässig“, zeichnet ihr Vorgesetzter einen sympathischen Charakter. „Es wäre ein herber Verlust, wenn sie nicht kommen könnte, menschlich und geschäftlich“, sagt er noch, „sie ist eine sehr wichtige Arbeitskraft“.
Von Michael Prochnow