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„Ruhe vor dem Sturm“: Tierheim Hanau fürchtet große Abgabewelle

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Von: Katrin Stassig

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Scheuer Blick: Die vier Monate alte Mia, eine Straßenkatze, sitzt in der Quarantänestation.
Scheuer Blick: Die vier Monate alte Mia, eine Straßenkatze, sitzt im Tierheim Hanau in der Quarantänestation. © -

Haustiere sind in der Corona-Pandemie im Trend. Doch jetzt im Sommer, wo viele in den Urlaub fahren, wird das wohl anders. Das Tierheim Hanau fürchtet eine Abgabewelle.

Hanau – In der Corona-Pandemie war die Nachfrage nach Haustieren groß. Die Menschen mussten im Lockdown zu Hause bleiben, arbeiteten im Homeoffice, da blieb Zeit, sich um ein Tier zu kümmern. In diesem Sommer, wo viele nach langer Zeit erstmals wieder in den Urlaub fahren können, wird manchen der Schützling zur Last. Tierheime rechnen deshalb vermehrt mit Corona-Rückläufern.

Im Hanauer Tierheim ist die Situation zu Beginn der Sommerferien noch entspannt. „Die Ruhe vor dem Sturm“, befürchtet Leiterin Marion Dragoman. „Ich denke, dass wir in ein bis zwei Monaten wieder mit Wartelisten arbeiten müssen.“ Schließlich steht nur eine begrenzte Anzahl von Zwingern und Quarantänestationen zur Verfügung. Dragoman hat aus anderen Tierheimen schon gehört, dass die Plätze knapp werden, und erwartet das auch für Hanau.

Nach dem Sommer werden, auch zu normalen Zeiten, immer viele Kleintiere abgegeben. „Kaninchen werden meist im Frühjahr angeschafft, und wenn das Gehege im Garten nicht winterfest ist, müssen die Tiere im Herbst wieder weg“, berichtet Marion Dragoman. Aktuell sitzt nur ein Kaninchen in den Ställen des Tierheims – ein Fundtier, dessen Besitzer es offenbar nicht vermisst. „Bisher hat sich niemand gemeldet, es wird wohl bei uns bleiben.“

Zwischendurch ein Hund fürs Homeoffice – das geht in Hanau nicht

Die große Nachfrage während der Pandemie kann die Hanauer Tierheimleiterin bestätigen. „Die Telefone standen nicht mehr still.“ Vor allem Hunde oder Katzen waren gefragt; viele hätten auch angeboten, während ihrer Zeit im Homeoffice ein Tier aufzunehmen – also vorübergehend. „Das war nett gemeint, geht aber nicht.“ Das Tier gewöhne sich schließlich an das neue Zuhause und könne nicht verstehen, warum es dann wieder gehen muss.

Grundsätzlich schwärmt Marion Dragoman von der Hilfsbereitschaft, die das Tierheim während der Pandemie erfahren hat: Sei es durch Sachspenden oder durch das Angebot, bei Reparaturen oder Reinigungsarbeiten zu helfen. „Das habe ich so vorher noch nie erlebt, wir fanden das ganz toll und haben uns sehr gefreut über diese Resonanz.“

Marion Dragoman, Leiterin des Tierheims, mit Mischlingswelpe Joy.
Marion Dragoman, Leiterin des Tierheims Hanau, mit Mischlingswelpe Joy. © -

Tierheim Hanau steuert auf Kapazitätsgrenze zu

Das Haus beherbergt zum Zeitpunkt des Gesprächs 18 Hunde, etwa 25 Katzen, ein Meerschweinchen, ein Kaninchen, acht Rennmäuse, eine Farbmaus mit neun Babys, vier Kanarienvögel und einen Wellensittich. Für den Nachmittag werden weitere Neuzugänge erwartet: fünf Meerschweinchen und zwei Schildkröten.

Bei den Katzen steuert das Tierheim jetzt schon auf die Kapazitätsgrenze zu. 35 bis 40 Tiere können in den fünf Katzenzimmern untergebracht werden. Die Quarantänestation mit zwölf Boxen ist derzeit voll belegt. Dort bleiben die Tiere, bis der Tierarzt sie untersucht hat und feststeht, dass sie keine ansteckenden Krankheiten haben.

Tierheim Hanau: Manchmal kommt der Hund nicht mit den Kindern zurecht

In einem der Quarantäne-Käfige sitzt an diesem Vormittag die vier Monate alte Mia. Die Mutter des Kätzchens ist eine Streunerin. Zusammen mit ihren Geschwistern hat Mia an der Straße gelebt, bis sie in einer Lebendfalle gefangen und ins Tierheim gebracht wurden. Streuner sind oft sehr scheu, erzählt Marion Dragoman, weil sie den Kontakt zu Menschen nicht kennen. „Sie gewöhnen sich aber daran und fassen Vertrauen, wenn sie merken, dass wir uns um sie kümmern und ihnen Essen bringen.“

Neben Fundtieren werden Tiere aufgenommen, die aus verschiedenen Gründen nicht bei ihren Besitzern bleiben können. Manchmal kommt der Hund nicht mit den Kindern zurecht oder die häusliche Situation verändert sich, und das Tier kann nicht in die neue Wohnung mitgenommen werden. Ältere Menschen sind beim Umzug ins Pflegeheim gezwungen, ihr Haustier abzugeben.

Durchgewühlt: Zu den derzeitigen Bewohnern des Hanauer Tierheims gehören auch einige Mäuse wie dieses possierliche Tierchen.
Durchgewühlt: Zu den derzeitigen Bewohnern des Hanauer Tierheims gehören auch einige Mäuse wie dieses possierliche Tierchen. © Patrick Scheiber

Gassigehen wegen Corona in Hanau momentan nicht im Angebot

Bei der Vermittlung an einen neuen Besitzer finden zunächst Beratungsgespräche und Hausbesuche statt, um zu schauen, ob Mensch und Tier zueinander passen. Trotzdem kommt es vor, dass die Beziehung nicht harmoniert, das Tier sich in seiner neuen Umgebung nicht eingewöhnt und zurück ins Tierheim muss.

Auch Langzeitbewohner gibt es. Hunde, die traumatisiert sind, schlecht gehalten wurden und deshalb schwierig sind und viel Arbeit bedeuten. Die Hundetrainer des Tierheims versuchen, die Vierbeiner auf den rechten Weg zu bringen. An diesem Vormittag trainieren sie im Hof des Tierheims mit Max, der große Probleme mit seinen Artgenossen hat und unter anderem lernen muss, beim Gassigehen und der Begegnung mit anderen Hunden ruhig zu bleiben.

Apropos Gassigehen: Aufgrund der Corona-Pandemie kann der Tierschutzverein das Gassigehen für seine Mitglieder nach wie vor nicht anbieten. „Wir arbeiten aber an einem Konzept, um das wieder zu ermöglichen“, sagt Marion Dragoman.

Am 5. September feiert das Hanauer Tierheim Sommerfest

Das Hanauer Tierheim (Landstraße 91/Am Wasserturm) lädt für Sonntag, 5. September, 13 bis 16 Uhr, zum Sommerfest ein. Es gibt einen Flohmarkt, Kaffee und Kuchen und einen Infostand. Besucher müssen geimpft, genesen oder getestet sein. (Katrin Stassig)

Vermittlung nach Terminvereinbarung

Das Tierheim Hanau wird finanziell und organisatorisch vom Tierschutzverein Hanau und Umgebung geführt, der etwa 1000 Mitglieder zählt. Grundsätzlich werden alle Tiere aufgenommen. Reptilien können allerdings (mit Ausnahme von Schildkröten) nicht beherbergt werden. Aufgrund der Corona-Pandemie ist eine Tiervermittlung derzeit nur nach vorheriger Terminvereinbarung möglich. Telefonisch erreichbar ist das Tierheim freitags von 14 bis 16.30 Uhr und samstags von 13.30 bis 16.30 Uhr unter Telefon 06181 45116.

Auch im Tierheim Offenbach wird ein enormer Ansturm erwartet – denn Urlaubszeit ist Abschiebezeit.

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