Umstrukturierung soll bessere Entwicklung des Quarzglas-Areals ermöglichen

Die Planer im Rathaus haben bekanntlich Großes vor mit dem Areal zwischen Hauptfriedhof und Hauptbahnhof. Große Pläne, die aufgrund der sogenannten Seveso-Richtlinie ausschließlich Gewerbe umfassten und neuen Wohnbau ausklammerten – bislang. Im Zusammenspiel mit den dort angesiedelten Industrieunternehmen will die Stadt Hanau den Bau von Wohnraum möglich machen.
Hanau – Konkret geht es um das Areal von Heraeus Quarzglas zwischen Ehrensäule, Dettinger Straße, Willy-Brandt-Straße und Hauptbahnhof. Das Gelände ist quasi die Nahtstelle zwischen dem Bahnhof und der Innenstadt und soll mit seinen denkmalgeschützten Backsteingebäuden zu einem urbanen Stadtquartier werden. In der ursprünglichen Planung allerdings nur mit modernen Gewerbeflächen beziehungsweise Büros unter der Bezeichnung „Industrie 4.0“ sowie mit Gastronomie. Denn das Emissionsschutzrecht, in dem die Sicherheitsabstände zwischen Wohnbebauung und Industriestandorten, bei deren Produktion in Störfällen gefährliche Stoffe austreten können, definiert sind, macht eine Nutzung für Wohnungsbau unmöglich.
Für die Stadtentwicklung ein Problem: Denn die Umwidmung des Quarzglas-Geländes bringe hohe Sanierungskosten für die denkmalgeschützten Bereiche sowie Abrisskosten für die übrigen Gebäude mit sich. Kosten, die sich nur mit einer wohnwirtschaftlichen Nutzung refinanzieren ließen, wie Hanaus Stadtentwickler Martin Bieberle im Gespräch mit unserer Zeitung ausführt.
Stadt Hanau will Rechtssicherheit bei Abstandsregelung
Der Kniff: Einer der Störfallbetriebe – so die Bezeichnung für jene Unternehmen, die mit Gefahrstoffen arbeiten –, nämlich die Gerling, Holz & Co. Handels GmbH (GHC) am Kinzigheimer Weg, organisiert ihre Arbeitsprozesse zukünftig so, dass nur noch ein Sicherheitsabstand von etwa 400 Metern einzuhalten wäre. Der Gas- und Kältemittelspezialist mit insgesamt sieben Standorten in Deutschland lagert in Hanau Gase, Kältemittel und Chemikalien und betreibt darüber hinaus Tanklager und Füllanlagen.
Für die mit hohen Kosten verbundenen Verlagerungen und Umstrukturierungen soll die Firma GHC eine Entschädigung bis zu einem Maximalbetrag von 14 Millionen Euro erhalten – vorausgesetzt, die Reduzierung der Sicherheitsabstände kann mit dem Regierungspräsidium Darmstadt dauerhaft öffentlich-rechtlich gesichert werden. Zudem, so die Bedingung der Stadt, sollen auf dieser Grundlage Bebauungspläne zur Ausweisung von Gebieten mit Wohnnutzung störfallrechtlich unbedenklich und rechtsverbindlich aufgestellt werden können.
Die Refinanzierung der Kosten soll über städtebauliche Vereinbarungen mit den Vorhabenträgern erfolgen, die von der möglichen Baugebietsentwicklung wirtschaftlich profitieren.
Der andere Störfallbetrieb ist Heraeus Quarzglas selbst. Das Unternehmen will seine Produktion am Standort Quarzstraße 2023 einstellen und nach Kleinostheim verlagern. Auch mit Heraeus werde bereits eine Beteiligung an den Kosten verhandelt, so die Stadt Hanau.
Beim Thema Wohnbebauung liege der Fokus ausschließlich auf dem Quarzglas-Gelände, verdeutlicht Bieberle. Die Grundsatzentscheidung, am Hauptbahnhof neues Gewerbe entstehen zu lassen, bleibe bestehen. Aus nachvollziehbarem Grund: „Wir brauchen Gewerbeflächen händeringend“, betont der Stadtentwickler. Im ersten Quartal des neuen Jahres, so ist der Plan, soll der Stadtverordnetenversammlung der Abschlussbericht der sogenannten Vorbereitenden Untersuchung vorgelegt werden. Anschließend soll ein angepasstes Strukturkonzept mit allen involvierten Partnern erstellt werden. Das betrifft neben Heraeus Quarzglas und GHC unter anderen die Agentur für Arbeit mit dem Neubau „Haus des Erwerbslebens“ sowie die städtischen Gesellschaften Hanauer Straßenbahn (HSB) und Hanau Infrastruktur Service (HIS), die entgegen der ursprünglichen Planungen an ihren Standorten an der Daimlerstraße bleiben werden.
Auch mit der Deutschen Bahn befinde man sich weiterhin in Gesprächen, deutet Bieberle möglicherweise positive Nachrichten diesbezüglich an. Die Stadt Hanau würde bekanntlich gerne den nicht gerade einladend wirkenden Hauptbahnhof ebenfalls in die Umgestaltungsplanungen miteinbeziehen, hatte der Bahn in der Vergangenheit sogar angeboten, das Gebäude zu erwerben, um es entwickeln zu können.
Von David Scheck