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Hanau: Verein emptyFull unterstützt Menschen mit Essstörungen

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Von: Yvonne Backhaus-Arnold

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Packen es gemeinsam an: Marc Merges (rechts) war in der Redaktion, um das Projekt vorzustellen. Zusammen mit Dr. Jochen Becker, Dr. Holger Hofmann, Sarah Brooks, Sonia Feick, Beatrice Güntner, Sara Reza-Amiri, Dunja Scheibel-Hofmann, Daniel Löber und Henrik Statz hat er einen Verein für Menschen mit Essstörungen gründet. Auf dem Bild fehlt nur Gründungsmitglied Sebastian Dziambor.
Packen es gemeinsam an: Zusammen mit Dr. Jochen Becker, Dr. Holger Hofmann, Sarah Brooks, Sonia Feick, Beatrice Güntner, Sara Reza-Amiri, Dunja Scheibel-Hofmann, Daniel Löber und Henrik Statz hat Marc Merges einen Verein für Menschen mit Essstörungen gründet. Auf dem Bild fehlt nur Gründungsmitglied Sebastian Dziambor. © Privat, Patrick Scheiber

Normalerweise hat Marc Merges seine Gitarre dabei, zum Beispiel dann, wenn er mit seinen Bandkollegen von „Hautevolee“ durch die Hanauer Straßen zieht, um Jahr für Jahr zehntausende Euro für den Ambulanten Kinderhospizdienst zu sammeln. Diesmal kommt er ohne Gitarre ins Verlagshaus, dafür mit seinem Laptop und einer Liste mit elf Namen.

Hanau/Main-Kinzig-Kreis – Es sind die Namen der Gründungsmitglieder eines Vereins, den es erst seit ein paar Wochen gibt. emptyFull heißt er und kümmert sich um Menschen mit einer Essstörung.

Marc Merges ist ruhig, nachdenklich. Ja, es sei seine Idee gewesen, diesen Verein zu gründen, weil er im privaten Bereich mit dem Thema zu tun gehabt habe. Mehr will der Hanauer nicht erzählen, muss er auch nicht, denn die Sache zählt und die ist – wenn auch nicht immer auf den ersten Blick zu erkennen – ein gesamtgesellschaftliches Problem.

Essstörungen gehören in der westlichen Welt zu den häufigsten psychosomatischen Erkrankungen, mal mit mehr, mal mit weniger deutlichem Suchtcharakter. Magersucht, Ess-Brech-Anfälle, Übergewicht durch Esssucht: „Allen Erkrankungen“, sagt Merges, „liegt ein gestörtes Verhältnis zum Essen und dem eigenen Körper zugrunde.“

Stress und Trauma können Auslöser für Essstörungen sein

Die Gründe für diese Erkrankungen sind vielfältig und vielschichtig. Oft wirken mehrere Aspekte wie zum Beispiel eine besondere Einfühlsamkeit und eine hohe Sensibilität zusammen. Auslöser können aber auch Stress, ein Trauma oder ein ursprünglich harmloser Schlankheitstick sein. Essstörungen betreffen mittlerweile die breite Gesellschaft: Frauen, Männer, aber auch Kinder, die im Jugendalter häufiger von Gleichaltrigen beeinflusst werden als vom Elternhaus und so anfällig für falsche Ermutigungen bei gesundheitsgefährdender Schlankheit sind.

Das mache Essstörungen zu einem wachsenden Problem mit zunehmender sozial- und gesundheitspolitischer Relevanz. „Die Scham bei den Betroffenen“, sagt Merges, der sich in den vergangenen Monaten intensiv in das Thema eingearbeitet hat, „ist groß. Die Essstörung wird geheim gehalten, eine Scheinwelt aufgebaut.“

Zahl der Essstörungen nimmt in der Coronapandemie stark zu

Vor allem in der Zeit der Coronapandemie haben sich Essstörungen deutlich vermehrt, doch die Zunahme der Erkrankungen hat keine automatische Zunahme professioneller und flächendeckender Beratung und Therapie nach sich gezogen. Dass es in Hanau und der Umgebung weder ein professionelles Angebot, noch eine reine Kontaktmöglichkeit für dieses zunehmende Problem gibt, sei der Auslöser gewesen, den Verein emptyFull zu gründen. In den vergangenen Monaten suchte Merges Mitstreiter, um in Hanau eine erste Anlaufstelle für die vielschichtigen Essstörungen realisieren zu können.

Marc Merges  war in der Redaktion, um das Projekt vorzustellen.
Marc Merges war in der Redaktion, um das Projekt vorzustellen. © Patrick Scheiber

Am 27. August fand die Gründungsversammlung von emptyFull statt. Zu den Gründungsmitgliedern zählen Kinderarzt Dr. Jochen Becker, der Allgemeinmediziner Dr. Holger Hofmann und seine Frau Dunja Scheibel-Hofmann, die Psychotherapeutin Sara Amiri, Psychologin Beatrice Güntner und die Sozialarbeiterin Sarah Brooks sowie Menschen, die selbst oder deren engstes Umfeld von Essstörungen betroffen waren. Sonia Feick, die den Vereinsnamen erdacht hat, möchte ihre Expertise als Fachkrankenschwester in der Psychiatrie einbringen. Koch und Gastronom Sebastian Dziambor will in Ernährungsfragen beraten.

Verein will als Anlaufstelle für Menschen mit Essstörungen dienen

„Ziel des Vereins ist es gar nicht immer, sofort ein professionelles Therapieangebot zu vermitteln, sondern an die jungen Menschen, vorwiegend Mädchen, zu kommen und erst einmal den Druck aus dem Problem bei den Betroffenen und ihren Angehörigen herauszunehmen,“ erklärt Marc Merges. „Wir sind keine Spezialisten, wollen aber sukzessive das Netzwerk ausbauen und Wege zu professionellen Angeboten verkürzen. Bis dahin sind wir Anwalt des wachsenden Problems und versuchen, mit Zeit und Empathie zu helfen, wo wir können.“

Neben Marc Merges wurden von der Gründungsversammlung Dunja Scheibel-Hofmann und Henrik Statz in den Vorstand gewählt. Statz möchte sich als Netzwerker und Kommunalpolitiker für den Ausbau der therapeutischen Infrastruktur einsetzen. Daniel Löber, Inhaber der Agentur Innovationsraum, wird die Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit begleiten.

Verein will Bekanntheit vergrößern und Vertrauen aufbauen

An Schulen gehen. Aufklärungsarbeit leisten, weil viele nichts über die Krankheit wissen. Das ist der Plan. „Die Betroffenen lassen häufig niemanden an sich heran, essen normal zusammen mit ihrer Familie und erbrechen sich danach heimlich.“ Die Experten am Zentrum für Essstörungen in Frankfurt, mit denen Merges in Kontakt steht, gehen davon aus, dass es eine Welle geben könnte, wenn der Verein erst mal bekannter ist, Vertrauen aufgebaut hat.

„Vielleicht gelingt es uns, gemeinsam mit der Hanauer Politik, eine Stelle oder mehrere zu schaffen“, erklärt Merges. Die Hotline des Vereins lautet 0176 72691862. Noch ist sie auf sein Handy umgeleitet.

Von Yvonne Backhaus-arnold

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