Verspiegelte Decke im Hanauer Parlamentssaal sorgt für Verdruss – und hohe Kosten

„Wie Sie sehen, sehen Sie nichts“, witzelte Showmaster Hans-Joachim Kulenkampff einst, nachdem in einer seiner TV-Sendungen das Licht ausgefallen war. Im Hanauer Stadtparlament ist’s genau umgekehrt. Man sieht Dinge, die man nicht sehen soll. Zumindest seit die 59 Stadtverordneten im neuen Sitzungssaal tagen. Der Raum war im Zuge der Sanierung des Neustädter Rathauses mit großem Aufwand komplett neu gestaltet worden.
Hanau – Unter anderem mit einem Element, das in Hanau seinesgleichen sucht, das eine Stange Geld gekostet hat und das für etlichen Verdruss sorgt. Die sogenannte Heizkühldecke im Parlamentssaal ist zwar ein Hingucker, aber eben nicht so, wie es gedacht war. Und darum muss nach einigem Hin und Her nachgebessert werden. Aber der Reihe nach.
Im Zuge der Sanierung des Neustädter Rathauses war der Saal im ersten Stock neu konzipiert worden. Dabei wurde er quasi gedreht. Die Stadtverordneten sitzen nun mit dem Rücken zum Fenster. Vorher blickten sie in Richtung Fensterfront. Die Innenwand des Raums wurde jetzt gewölbt gestaltet. Überall gibt es eine feine Holzvertäfelung. Und als Clou in dem neuen Saal, der insgesamt beengter wirkt als der alte, haben sich die Architekten besagte Heizkühldecke ausgedacht. Durch sie können wahlweise erwärmtes oder gekühltes Wasser sowie warme oder kühle Luft geleitet werden. Verkleidet ist die Decke mit fächerförmigen Aluelementen. Die sind derzeit hochglanz-verspiegelt. Das war bei den bisherigen Sitzungen immer mal wieder Gesprächsstoff. Denn wer zur Decke blickt, sieht ziemlich genau das, was die Parlamentarier in den Reihen davor oder dahinter machen – oder eben nicht machen ...
Neustädter Rathaus: Saaldecke hat eine „schrecklich lange Geschichte“
Wer mit Hiltrud Herbst, Leiterin des städtischen Eigenbetriebs Hanau Immobilien und Baumanagement (IBM), über die wohl prominenteste Decke in der Brüder-Grimm-Stadt spricht, hört die IBM-Chefin förmlich seufzen. Ach, diese Decke „hat eine schrecklich lange Geschichte“, wobei die Betonung auf schrecklich zu liegen scheint.
Die technische und optische Besonderheit mit dem sperrigen Namen zerrt bei den für den Großumbau des Neustädter Rathauses Verantwortlichen schon seit geraumer Zeit an den Nerven. „Wir sind wegen Lieferproblemen ganz schön ins Schwitzen gekommen“, berichtete IBM-Vize Sibylle Jesgarz wenige Wochen vor der Wiedereröffnung des Rathauses. Fehlende Teile für die Decke kamen einfach nicht bei. Und der Eröffnungstermin saß allen im Nacken. Erst auf den letzten Drücker wurde geliefert. Damit nicht genug: Die Elemente waren anders als bestellt. „Nachdem wir die Schutzfolie abgezogen hatten, kam das heraus“, berichtet Hiltrud Herbst. Die Elemente waren verspiegelt. Geordert hatte man hingegen eine matte Ausführung, so die IBM-Chefin, „ähnlich wie gebürstetes Edelmetall“.
Was tun? Weil der Eröffnungstermin drängte (Herbst: „Wir konnten die Decke ja nicht offenlassen.“) mussten die Spiegelelemente montiert werden – mit der Maßgabe, dass sie dann schnellstmöglich ausgetauscht werden sollten. Zu allem Überfluss stellte sich aber heraus: „Die eigentlich bestellte Ausführung gibt es nicht mehr“, so Herbst, warum auch immer.
Nach einigem Gezacker mit den beteiligen Firmen – eine, die Teile liefert, die andere, die sie einbaut – kam man überein, dass die ungeliebten Spiegelelemente einen Überzug erhalten, der aufgesprüht werden soll. Ein von IBM angefragtes Musterstück ist bislang aber noch nicht eingegangen, heißt es auf Anfrage. Und ob der Plan, dass die Elemente bis Weihnachten ausgetauscht werden, verwirklicht werden kann, daran hat auch Hiltrud Herbst ihre Zweifel.
Auch wenn der insgesamt elf Millionen Euro teure Umbau des Neustädter Rathauses reichlich Lob erfährt: Die „falsche“ Decke hat nicht nur Nerven gekostet, sondern auch viel Geld. Ungeachtet dessen, dass die Mehrkosten für die Heizkühldecke wegen der Falschlieferung zulasten der Firma gehen, so zahlt die Stadt immerhin noch 350 000 Euro für das Glanzstück.
Von Christian Spindler