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Hanau: Viele Prozesse um falsche Impfpässe

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Von: Thorsten Becker

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Falsche Impfausweise werden nach dem Gesetz wie Urkundenfälschungen bestraft.
Falsche Impfausweise werden nach dem Gesetz wie Urkundenfälschungen bestraft. © Thorsten Becker

Die aktuelle Corona-Welle ebbt ab, die Inzidenzen sinken. Vor dem Hanauer Amtsgericht geht die Kurve derzeit in genau die andere Richtung. Es ist eine Bugwelle von Verfahren, in denen der Vorwurf immer gleich lautet: Urkundenfälschung. Laut Staatsanwaltschaft Hanau sind es rund 150 Strafverfahren, die wegen der Vorlage von gefälschten Impfausweisen anhängig sind.

Hanau/Maintal - Dazu gehört die 52-Jährige aus Bischofsheim, die sich vor Amtsrichterin Judith Schlootz verantworten muss. Ihr wirft Staatsanwältin Bettina Fauth vor, im Dezember 2021 in einer Apotheke einen gelben Pass vorgelegt zu haben. Laut Papier ist sie zweimal gegen das Coronavirus geimpft. Daher möchte sich ein kostenloses Covid-Zertifikat bekommen, um dieses auch digital nutzen zu können.

Hanauer Amtsgericht: Apotheker entpuppt sich als „Sherlock Holmes“

Eine Kopie dieses Impfpasses nimmt Richterin Schlootz aus der Akte und hält es hoch. Datum und Uhrzeit sind darauf vermerkt sowie das Wort „Fake“. „Ist das Ihre Schrift?, will Richterin Schlootz von dem Mann wissen, der vor ihr auf dem Zeugenstuhl sitzt. „Ja, dieser Vermerk ist von mir“, sagt der 37-jährige Apotheker.

Er erinnert sich ganz genau an die Frau, die heute links von ihm auf der Anklagebank sitzt. „Ich habe sie gesehen.“ Die 52-Jährige habe ihren Impfpass sowie den Personalausweis vorgelegt. „Anders haben wir das nicht gemacht. Die Leute mussten persönlich erscheinen“, bekräftigt der Pharmazeut und Filialleiter.

Die Nachfrage nach digitalen Impfzertifikaten sei gerade besonders hoch gewesen, seitdem Mitte September 2021 die 3G-Regel gegolten hat. Für die Apotheken eigentlich ein einträgliches Geschäft, denn pro Zertifikat, das kostenlos an die Bürger ausgegeben wird, sind es jeweils sechs Euro, die für den Ausdruck über das Rechenzentrum geltend gemacht werden.

Mit detektivischem Spürsinn: Apotheker entlarvt zahlreiche Fälschungen

Der Apotheker, der heute als Zeuge aussagt, vertraut den vorgelegten Impfausweisen aber keineswegs blind. „Es gibt die klare Linie bei uns: Alle Bescheinigungen werden genau überprüft“, berichtet er. Und so entwickelt der 37-Jährige einen kriminalistischen Spürsinn wie Sherlock Holmes. Fehlt eigentlich nur noch die Pfeife – aber die ist im Verhandlungssaal verboten. Die Fälschung der 52-Jährigen habe er „auf den ersten Blick erkannt“. Denn es gebe verschiedene Merkmale, an denen die Fälschungen zu erkennen seien. „Es sind vor allem gefälschte Stempel gewesen, die angeblich aus dem Impfzentrum in Frankfurt stammen sollten. „Es war die Kennung 913/1020 – einen solchen Arzt gibt es überhaupt nicht“, sagt „Sherlock“. Auch die Seitenzahlen der Bescheinigungen machen ihn stutzig. „An einem Tag hatten wir zigmal die Seite 20 vorgelegt bekommen – das konnte nicht sein.“ Auch bei den Chargennummern sind die Apotheker aufmerksam.

„Im Zweifelsfall haben wir in den Arztpraxen angerufen, um uns zu vergewissern“, berichtet der Zeuge weiter. Richterin und Staatsanwältin sind beeindruckt. Die Angeklagte und ihr Verteidiger dagegen weniger. „In jedem Verdachtsfall haben wir eine Kopie von Impfausweis und Personalausweis gemacht, Datum und Uhrzeit notiert – und die Polizei gerufen.“ Die Schutzleute seien stets schnell vor Ort gewesen. Daher ist sich „Sherlock“ sicher, noch „öfter eine Zeugenladung vom Amtsgericht Hanau zu bekommen“.

Die Aussagen des Zeugen lassen sich nur schwer mit den Angaben der Angeklagten in Einklang bringen. Sie behauptet steif und fest, sie habe von allem nichts gewusst, ihr Sohn habe den Impfausweis vorgelegt.

Doch der Sprössling macht tags darauf keine gute Figur. Angeblich will er den gefälschten Impfausweis „für 30 Euro in Frankfurt“ gekauft haben. Es sollte eine „Überraschung für die Mama“ werden. Doch diese Geschichte glaubt kaum jemand im Verhandlungssaal. Und so wird aus der „Überraschung für Mama“ eine ziemlich teure Angelegenheit, denn der ursprüngliche Strafbefehl bei solchen Impfpassfälschungen lautet auf 60 Tagessätze zu jeweils 40 Euro.

Gefälschten Impfpass vorgelegt: 3200 Euro Geldstrafe

Mit dem Urteil von Amtsrichterin Schlootz wird es – vor allem, weil ein Geständnis fehlt – noch ein wenig teurer. „Schuldig der Urkundenfälschung“, heißt es am Ende der Verhandlung. Die Richterin verweist zudem auf die „Gefährlichkeit“ dieser Tat hin. Unterm Strich sind es nun 80 Tagessätze – insgesamt eine Geldstrafe von 3200 Euro. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. (Von Thorsten Becker)

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