Eva Bollandt-Ditzen sucht Vorbilder und arbeitet an einem Theaterprojekt

Vielfalt kennt Eva Bollandt-Ditzen aus den eigenen vier Wänden. Die Mutter von sechs Kindern zwischen sechs und 21 Jahren weiß, welche Herausforderung es bedeuten kann, die unterschiedlichen Bedürfnisse unter einen Hut zu bringen. Und sie erlebt genau so oft, wie sich die verschiedenen Sichtweisen ihrer frisch schulpflichtigen Zwillinge mit denen der neun und zehn Jahre alten Brüder oder der beiden Ältesten von 19 und 21 Jahren ergänzen und wie gelöste Konflikte die Familie weiterbringen.
Hanau. Das wünscht sich die Hanauerin auch für ihre Heimatstadt. „Auch hier ist Vielfalt eine große Chance, aber nur, wenn es uns gelingt, die Konflikte gemeinsam anzupacken.“ Dazu will die Studienrätin, die an einem Hanauer Gymnasium Englisch und Französisch unterrichtet, ihren Beitrag leisten. Nach dem Anschlag vom 19. Februar, bei dem neun Menschen mit Migrationsgeschichte starben, hat sie ein Märchen über Hanau und für Hanau geschrieben. Jetzt arbeitet sie daran, dass es von Hanauer Schulen als Theaterstück aufgeführt wird. Die Heinrich-Heine-Schule hat Interesse bekundet, auch zur Bruder-Grimm-Schule gibt es Kontakte.
Bollandt-Ditzen wirbt für ihre Idee und sucht Sponsoren (wir berichteten). Seit wenigen Wochen ist sie Mitglied in einem Gesprächskreis, in den Geschäftsmann Gerhard Klassert eingeladen hat. Dort sitzen Menschen aus Hanau, die sich um das gedeihliche Miteinander in der Stadt Gedanken machen und sich dafür engagieren wollen - Menschen mit und ohne Migrationshintergrund.
Der zunehmenden Spaltung etwas entgegensetzen
Seit dem Anschlag vom 19. Februar, so hat die Pädagogin wahrgenommen, seien die Sympathien der Hanauer zunächst stark bei den Familien der Opfer und der Initiative des 19. Februar gewesen. Doch in den letzten Monaten, als die Vorwürfe nicht verstummt und die Forderungen drängender und kompromissloser geworden seien, sei bei vielen Hanauern die von Mitgefühl getragene Toleranz durch Unverständnis getrübt worden.
Einer zunehmenden Spaltung, die sich überwiegend zwischen den Menschen mit und ohne Migrationsgeschichte abspiele, möchte Bollandt-Ditzen etwas entgegensetzen. Ihr Märchen von den Pastellanern, die sich entfremdet haben und sich wiederfinden, indem sie alle aufeinander zugehen, ist dabei nur ein Baustein. Ein weiterer ist das Projekt Lieblingsmensch. Auf ihrer Homepage stellt Bollandt-Ditzen jeweils einen Hanauer mit einem Menschen mit anderen kulturellen Wurzeln vor. Zwei Personen, die sich mögen, die den Gemeinschaftsgedanken leben und ihre eigenen Interessen zugunsten der Allgemeinheit zurückstellen können.
„Man sollte den Menschen auch etwas Zeit geben“
Vor allem zeigten diese Beispiele, dass zwischen vermeintlich verschiedenen Menschen die Gemeinsamkeiten größer seien als das Trennende. Und dass das Miteinander beiden Seiten voranbringt. „Ich finde, dass Vorbilder ganz wichtig sind“, sagt die Frau, die nach dem Anschlag Armbändchen mit dem Aufdruck „Hanau steht zusammen“ entworfen und verkauft hat. 1200 Euro sind zusammengekommen. Der Erlös soll einem Buchprojekt für traumatisierte Polizisten zu Gute kommen und fließt an die hessische Polizeistiftung. Denn die Erfahrung habe nach dem Anschlag gezeigt, dass auch Polizisten oft mit Situationen konfrontiert würden, die für sie neu und traumatisch seien. Das werde bei er Diskussion über Rassismus häufig vergessen, wenn Strukturen kritisiert würden.
„Wir müssen zu einem gesunden und konstruktiven Dialog finden“, ist die Pädagogin überzeugt. Die Gesellschaft befinde sich in einem Umbruch. Und nicht jede und jeder komme damit schnell mit. „Man sollte den Menschen auch etwas Zeit geben“, gibt sie zu bedenken. Zeit, sich an andere Lebensweisen zu gewöhnen, daran, dass sich Sprache verändern und auf Befindlichkeiten des Gegenübers Rücksicht nehmen muss.
Für ihr Märchen, das ein Theaterstück werden soll, hat die Studienrätin ein pädagogisches Begleitheft entwickelt. Darin geht es unter anderem darum, dass ein Perspektivwechsel hilfreich ist, um andere zu verstehen. Das Projekt, mit dem sie gerne an Schulen gehen würde, könnte sich Eva Bollandt-Ditzen auch anderswo gut vorstellen. „Vielleicht will die Initiative 19. Februar das Projekt unterstützen“, sagt sie.
Infos im Internet: sprachsalon.com
Von Jutta Degen-Peters