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Aus nach 30 Jahren: Kult-Skateladen Brettwerk schließt

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Von: Kerstin Biehl

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Räumungsverkauf an der Rosenstraße: Mitte April wird der Skateladen zugemacht. Die Räume sollen künftig als Lager für den Onlinehandel dienen.
Räumungsverkauf an der Rosenstraße: Mitte April wird der Skateladen zugemacht. Die Räume sollen künftig als Lager für den Onlinehandel dienen. © -

Das Brettwerk war mehr als nur ein Geschäft – bald macht der Skateladen allerdings zu. Die Gründe für die Schließung sind vielfältig.

Hanau - „Ein Verlust für die Stadt“ – diesen Kommentar findet man unter dem Instagram-Post, in dem die Schließung des Brettwerks verkündet wird, gleich mehrmals. Es ist auch der Tenor der Kunden in dem Skaterladen an der Rosenstraße in Hanau, denjenigen, die noch mal reinschauen.

Nicht nur wegen des Räumungsverkaufs, auch um Tschüss zu sagen, ein „High Five“ dazulassen, wie es Geschäftsführer Siamak Djafarzadeh beschreibt. Die Entscheidung, das Brettwerk dichtzumachen, ist dem 47-Jährigen nicht leicht gefallen. „Ohne arrogant klingen zu wollen, aber mit dem Ende des Brettwerks nehmen wir Hanau etwas weg. Uns tut das sehr leid.“

Hanauer Stadtumbau und Eröffnung des Forums entfalten nicht die gewollte Wirkung für das Brettwerk

Doch es geht nicht anders. Die Tatsache, dass Kunden in der heutigen Zeit bevorzugt im Internet bestellen, ist ein Grund für die Schließung. Doch letztlich sei diese multikausal bedingt. „Es ist ein Prozess, der sich schon über zehn Jahre hinzieht. Hanau, das ist bekannt, war noch nie die kaufkräftigste und progressivste Stadt.“

Der Stadtumbau 2012 habe dem Brettwerk das erste Mal „den Boden unter den Füßen weggezogen. Vier Jahre lang. Damals hatten wir noch keinen Onlineshop. Wir hatten von heute auf morgen zwischen 30 und 50 Prozent weniger Umsatz.“ Auf einen Schub durch die Eröffnung des Forums Hanau hat Djafarzadeh seinerzeit gehofft, „der blieb aber leider aus.“

Schließung des Kult-Skateladens in Hanau: Onlinehandel bereitet Probleme

Vielmehr sei in den vergangenen Jahren der Onlinehandel steil nach oben gegangen. „Einer der größten Gründe, warum Geschäfte auf der ganzen Welt die Segel streichen“, sagt Djafarzadeh. Er selbst hat sich im Zuge der ausbleibenden Kunden auch zu einem Onlineshop entschlossen. „Wir verkaufen online, schon seit ein paar Jahren. Aber es macht uns keinen Spaß. Wir wollen die Interaktion mit den Kunden.“

Der Wind werde für unabhängige Einzelhändler immer rauer. „Unsere Lieferanten sind inzwischen zu unseren Konkurrenten geworden. Nike und Adidas haben die Zusammenarbeit gekündigt. Auch Vans habe angekündigt, die Belieferung einzustellen. Damit entzieht sich die Grundlage unseres Geschäfts immer mehr.“ Dazu die Pandemie, die Inflation. Das sind keine Vorzeichen, ein Geschäft weiterzuführen, das vorher schon schwer zu führen war.

Hanauer Brettwerk mehr als nur ein Laden: Ein Ort für die Skate-Community

Der Schritt fällt Djafarzadeh nicht leicht. Denn: „Das Brettwerk war so viel mehr als ein reiner Shop. Wir hatten hier eine richtige Community. Es gab Skate- und Wakeboardkurse, Snowboardfahrten. Der Laden war ein Ort der Begegnung. Alles über viele, viele Jahre gewachsen.

Ein Blick zurück zu den Anfängen: Damals hat wohl keiner so recht daran geglaubt, dass aus der verrückten Teenager-Idee, in Hanau einen Skateladen zu eröffnen, einmal nicht nur Realität, sondern 30 Jahre Firmengeschichte werden. Elf Jahre alt war Siamak Djafarzadeh, als er das erste Mal auf ein Skateboard stieg. „Skaten ist schnell zu meiner Leidenschaft geworden.“

1991 fing alles an - Mutter und Sohn eröffnen gemeinsam ersten Skateladen in Hanau

Vier Jahre später, 15 war er da, hat der ehemalige Hola-Schüler seine Mutter bequatscht, einen Skateladen zu eröffnen. Mama Irmtraud setzte die Idee des Sprösslings in die Realität um. Am 3. Juni 1991 eröffneten Mutter und Sohn ihren Skateladen, damals noch unter dem Namen „Street Style“ in der Krämerstraße 17.

Ein Plausch mit der Kundschaft gehörte im Brettwerk schon immer dazu. Mitarbeiter Oliver Körner ist von Beginn an dabei.
Ein Plausch mit der Kundschaft gehörte im Brettwerk schon immer dazu. Mitarbeiter Oliver Körner ist von Beginn an dabei. © -

Gemeinsam standen die beiden hinter der Ladentheke – zumindest am Nachmittag, vormittags drückte Siamak brav die Schulbank – und unternahmen Einkaufsfahrten nach Münster – in den Neunzigern die Skaterhochburg der Republik – aber auch nach Kalifornien. Denn Streetwear steckte in Deutschland noch in den Kinderschuhen und typische Skatermarken gab es hierzulande noch nicht.

Aus Mitbewerbern werden Partner: Brettwerk in Hanau ein Laden für Skate- und Snowboards

„Auf gerade mal 30 Quadratmetern hatten wir eine Wand mit Decks, eine Kleiderstange mit Shirts, zwei Stapel Vans und ein paar Rollen, das war’s“, erinnert sich Djafarzadeh. 1997 vergrößerte sich der Skateshop und zog in Räumlichkeiten auf dem Freiheitsplatz. Parallel gab es in Großauheim einen Shop von Dirk Eckrich, der Snowboards aus der Garage raus verkaufte. Snowboarding war Anfang der Neunziger ein noch recht neuer Sport in Deutschland.

Eckrich zog mit seinem Shop 1995 an den Standort des heutigen Brettwerks in die Rosenstraße. „Unser Shop und Dirks Brettwerk waren einige Jahre lang Mitbewerber. Wir hatten aber einen guten Kontakt, haben uns nie als Konkurrenten gesehen, und das führte dazu, dass ich 2005 mit Street Style beim Brettwerk eingestiegen bin. Der Laden hieß dann nur noch Brettwerk, und Dirk Eckrich ist irgendwann ausgestiegen.“

Hanauer Brettwerk schließt nach über 30 Jahren: Alle Mitarbeiter sind selbst Skater oder Snowboarder

Die DNA des Brettwerks, wie Siamak Djafarzadeh es beschreibt, ist ein Crossover aus Skate- und Snowboarding. Gepaart mit der passenden Streetwear „und dem ganzen Vibe drum herum, inklusive Musik.“ Alle, die im Brettwerk arbeiten und gearbeitet haben, sind selbst Skater oder Snowboarder.

Lange wird Siamak Djafarzadeh nicht mehr hinter der Werkstatttheke stehen, um Rollen an Skateboards zu tauschen – sein Skateladen, das Brettwerk, schließt.
Lange wird Siamak Djafarzadeh nicht mehr hinter der Werkstatttheke stehen, um Rollen an Skateboards zu tauschen – sein Skateladen, das Brettwerk, schließt. © Patrick Scheiber

Siamak steht heute zwar nicht mehr auf dem Rollbrett. „Da gibt es dem Alter entsprechend mittlerweile eine Dissonanz zwischen Kopf und Körper“, schmunzelt er. Die Skaterszene verfolgt er aber nach wie vor. In Hanau allerdings gebe es diese nicht mehr. „Bis zur Jahrtausendwende hatten wir hier tolle Skatespots. Am Freiheitsplatz etwa war immer was los. Da bist du hin, und es war immer jemand mit Skateboard da. Es gibt heute in Hanau einfach keine coolen Spots zum Skaten mehr.“

„Es war ein toller Ritt“ - Hanauer Brettwerk schließt im April seine Pforten

Mitte April werden die Türen des Brettwerks endgültig schließen. Die Mitarbeiter sind bereits gekündigt. Das stationäre Geschäft endet damit. Den Onlineshop will Djafarzadeh alleine weiter führen. Das Ladenlokal wird als Lager genutzt. „Es war ein toller Ritt. Und so wollen wir ihn auch in Erinnerung behalten“, sagt Djafarzadeh zum Abschied. (Kerstin Biehl)

Dabei besteht bei der Jugend durchaus noch das Interesse am Skaten. In Obertshausen soll ein Skatepark entstehen - die Jugendlichen haben bereits viele Vorschläge, wie die neue Anlage aussehen soll.

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