Hanauer Pfarrerinnen Margit Zahn und Katharina Scholl auf neuen Wegen

Ein aufblasbarer Swimmingpool unter Bäumen, Cocktails, Eis, Liegestühle, Musik und heitere Stimmung – im Sommer kein ungewöhnliches Bild. Stutzig wird der Betrachter erst durch die beiden Frauen, die im Talar am Pool oder gar im Wasser stehen. Das Bild haben Margit Zahn und Katharina Scholl erdacht. Die Pfarrerinnen, Zahn ist beim Kirchenkreis für besondere Aufgaben zuständig, Scholl als Pfarrerin in Großauheim tätig, wollen das Bild am Samstag, 17. September, mit Leben füllen. Für diesen Tag laden sie von 16 bis 20 Uhr zu einer ungewöhnlichen Taufaktion für Erwachsene an die Neue Johanneskirche ein.
Hanau –Diese soll Menschen ermuntern, mit Freunden oder alleine vorbeizukommen und sich auf Wunsch ganz spontan zur Taufe zu entschließen, im Garten am Pool, im Turm der neuen Johanneskirche oder auch im Kirchenraum eher traditionell am Taufbecken. „Wir wollen Menschen ihre Entscheidung möglichst einfach machen“, erklären Zahn und Scholl im Vorfeld der Veranstaltung. Eine längere Vorbereitung oder einen Taufkurs gibt es nicht. Es genügt, den Personalausweis mitzubringen. Allerdings gilt das Angebot nur für Erwachsene und nur für solche, die noch nicht getauft sind.
Die Idee, die Taufe aus dem normalen Gottesdienst – oder dem Gotteshaus – herauszulösen, ist nicht neu. Vor dem Hintergrund sinkender Mitgliederzahlen sucht Kirche allerorten nach neuen Möglichkeiten, Menschen für sich zu interessieren. Um Schwellenängste abzubauen, wird nach neuen Räumen und Formen für Gottesdienste, Sakramente und Feste gesucht. Bisweilen auch ganz unkonventionell. Die Ursprünge für eine Taufe, wie sie an der Neuen Johanneskirche am kommenden Samstag geplant ist, liegen laut Pfarrerin Zahn in Skandinavien. Doch auch in Deutschland hat man ähnliche Formate bereits angeboten. Gerade habe in Oldenburg eine Aktion unter dem Namen „Taufe-to-go“ großen Anklang gefunden.
Namen wie „Taufe-to-go“ oder „Pop-up-Taufe“ wollten Zahn und Scholl für ihr unkonventionelles Angebot nicht wählen. Doch neuen Formen und Wegen gegenüber sind die beiden Frauen aufgeschlossen. „Kirche ist überall und nicht nur im Kirchenraum“, betont Zahn.
Ursprünglich hätten Taufen in Flüssen stattgefunden, später zu Hause in den eigenen vier Wänden. Erst seit den Sechzigerjahren seien sie in den Gottesdienst integriert. Doch schon während der Corona-Pandemie, in der die klassischen Gottesdienste nicht möglich waren, suchten die Kirchen nach neuen Formen. Pfarrerin oder Pfarrer kamen zu den Menschen ins Haus oder in den Garten, wo sich Familie und Freunde versammelt hatten, und brachten Taufschale, Krug und Kerze dorthin mit.
Daraus entwickelten sich weitere Ideen. Zahn und Scholl berichten von Tauffesten auf dem Marktplatz in Bischofsheim, am Bärensee sowie am Licht- und Luftbad. Solche Feste kommen offenbar bei den Bürgern an. Am Bärensee ließen sich laut Margit Zahn zehn Personen taufen.
Die Kirche wartet nicht mehr darauf, dass Menschen in die Kirche kommen, sie kommt zu den Menschen. Vor diesem Hintergrund entwickelt der Kirchenkreis immer neue Ideen. In der Hanauer Innenstadt waren Zahn und eine Kollegin im Talar mit pinkfarbener Sprühflasche unterwegs, um Erfrischungen auszuteilen. „Der öffentliche Raum braucht schräge Aktionen“, sagt Scholl. Wer Aufmerksamkeit möchte, muss sich heutzutage etwas einfallen lassen. Das haben Zahn und Scholl auch mit ihrem Tauffest am Samstag getan. Im Garten der Johanneskirche kann sich jeder, der Interesse hat, mit Freunden oder alleine kommen und sich bei einem Drink und Musik ganz behutsam dem Gedanken an eine Taufe nähern. „Viele haben immer wieder mal dran gedacht, sich taufen zu lassen. Dann aber ist das Thema wieder weiter weggerückt“, sagt Zahn. Im spätsommerlichem Wochenendambiente können Interessierte den Pfarrerinnen Fragen zur Taufe oder zur Mitgliedschaft in der evangelischen Kirche stellen. Und wer sich dann ganz spontan entschließt, muss kein langes Prozedere durchlaufen. Die Zeit der Vorbereitung, die sonst üblich ist, entfällt.
Damit so viele Sinne angesprochen werden wie möglich, gibt es auch Musik. Drei Musiker werden vor Ort spielen und haben ein breites Repertoire an Stücken im Gepäck. Wie bei einer Jukebox können die Taufwilligen sich dann zwischen Rock, Pop, Klassik oder Kirchenmusik entscheiden.
Auch einen Taufspruch wird es geben. Und wer hier nicht schon eine eigene Idee im Kopf hat, kann sich im Innenraum der Johanneskirche umschauen. „Wir haben ein Kirchenmitglied, das Taufsprüche auf große Fahnen schreibt, die wir dann an die Wand hängen“, freut sich Margit Zahn. Obendrein soll es einen Eiswagen geben. Und damit die Aktion auch nachhaltig ist, wird jeder Täufling zum Schluss mit einer Bibel beschenkt.
„Kirche ist nicht nur Wissen, sondern auch spüren und erleben“, fasst Katharina Scholl die Mischung aus Tradition und Moderne zusammen. Sie und Zahn hoffen, dass sich am Samstag von 16 bis 20 Uhr möglichst viele Bürger an der Neuen Johanneskirche einfinden.
Von Jutta Degen-peters