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Hanauer Tafel gibt überschüssige Lebensmittel an Bedürftige ab

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Von: Kerstin Biehl

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Einkaufen bei der Hanauer Tafel – wer einen Tafelausweis hat, kann gegenüber der Johanneskirche für zwei Euro einen Einkauf machen.
Einkaufen bei der Hanauer Tafel – wer einen Tafelausweis hat, kann gegenüber der Johanneskirche für zwei Euro einen Einkauf machen. © Moritz Göbel/Scheiber

Mit zwei Kellerräumen im Dietrich-Bonhoeffer-Haus fing 1999 alles an. Jutta Knisatschek, Geschäftsführerin der Stiftung Lichtblick, die die Tafel betreibt, erinnert sich noch genau. „Der damalige Dekan Hans Mener hatte Kontakt zu einer Supermarktkette und konnte dort Lebensmittel abholen, die noch verzehrbar, aber schon kurz vor dem Verfallsdatum waren.

Hanau - Am Anfang hat er diese aus seiner Haustür heraus an Bedürftige abgegeben.“ Das sei ihm aber schnell über den Kopf gewachsen, denn die Nachfrage war groß. „Er hat uns, also die Stiftung Lichtblick, gefragt, ob wir ihn bei seiner Arbeit unterstützen können. Das war der Beginn der Tafel in Hanau.“

Vor allem Frauen aus dem ehrenamtlichen Kirchenvorstand engagierten sich damals, holten die Waren teilweise mit ihren Privatautos ab. „Einmal in der Woche war Ausgabe. Donnerstagmittags. Damals war alles noch kostenlos“, erinnert sich Knisatschek. Bis die Tafelmacher von Anwohnern darauf aufmerksam gemacht wurden, dass Lebensmittel, die von den Bedürftigen nicht benötigt wurden, achtlos im Schlosspark entsorgt wurden. „Das hat uns wahnsinnig geärgert. Von da an haben wir uns anders organisiert. Wir haben die jeweilige Abgabemenge pro Person reduziert und pro Tafeleinkauf einen Euro verlangt“, erzählt die Geschäftsführerin.

Nach und nach habe sich das Projekt ausgebreitet, es kamen weitere Supermärkte, aber auch Bäcker hinzu. Und ein Umzug in das gegenüberliegende Gebäude – dort wo ehemals die Fahrschule Krebs angesiedelt war. Denn in den Kellerräumen war es auf Dauer zu kalt. „Tafelspitz“ nannte sich die Ausgabestelle damals, worauf der benachbarte Altstadtmetzger – so die Erinnerung Knisatscheks – trocken bemerkte, dass der Name ja wohl nicht ganz passe, schließlich sei Tafelspitz doch das Feinste vom Feinen.

Bis 2009 blieb die Tafel dort. „Wir sind über die Jahre immer mehr gewachsen. Haben einen alten VW Bus angeschafft, darauf war das Abendmahl von Dürer abgebildet. Die 80 Quadratmeter reichten aber bald nicht mehr aus. Und auch das Geld wurde knapp“, berichtet Knisatschek. Endlich gab es seitens der Stadt einen Mietzuschuss. 50 000 Euro. „Das hat uns ein bisschen gerettet“, sagt sie.

Es folgte der Umzug ins ehemalige Eon-Gebäude. „Wir sind damals bis nach Kassel gefahren, um den Laden zu bekommen. Und haben um den Mietpreis hart verhandel. Der OB hat sich auch eingeschaltet und den Eon-Vertretern noch abgetrotzt, dass sie vor Einzug noch den Fußboden reparieren.“ Der Mietvertrag über zehn Jahre und großzügige Räumlichkeiten sicherten die reibungslose Arbeit der Tafel.

2019 war ein erneuer Umzug von Nöten. Der Mietvertrag abgelaufen, das Haus verkauft, erneut begann die Suche, die sich schwer gestaltete. „Wir waren schon ganz verzweifelt. Da kam eines Tages Metzger Michaelis in seinen weißen Metzgerschuhen und Metzgerdress herein und sagte: ‘Ich bin euer Mann’. Er hatte eine Immobilie für uns, gegenüber der Johanneskirche, wo die Tafel heute ihren Sitz hat.“ Beim Umbau musste viel improvisiert werden, denn Geld war wenig vorhanden. Deshalb ist der Fußboden in der Tafel auch bunt. Denn dort, wo vormals die Waschbecken des Frisörs standen, der vor der Tafel die Räumlichkeiten gepachtet hatte, wurde der Boden kurzerhand mit buntem Linoleum geflickt.

Berechtigt, bei der Tafel einzukaufen, ist jeder, dessen Einkommen unterhalb der Pfändungsgrenze liegt. Um einen Tafelausweis zu erhalten, wird die Bedürftigkeit geprüft. Auch Studenten gehören beispielsweise zu den Tafelkunden. Rund 650 Tafelausweise sind derzeit ausgestellt, auf die im Schnitt 3,5 Personen kommen. Auf dem Ausweis wird vermerkt, für wie viele Personen man einkaufen kann. Die Tafel hat an drei Tagen in der Woche geöffnet. Eingekauft werden kann ein Mal pro Woche für zwei Euro, aufgeteilt nach sich abwechselnden Gruppen.

„Es gibt auch Kritik an der Tafel. Etwa, dass sie die Armut manifestiere. Oder, dass sich die Geschäfte auf diese Weise ihres Mülls entledigen. Tatsächlich ist es für die Geschäfte ein guter Deal, da Lebensmittelentsorgung sehr teuer ist“, so Knisatschek. Mittlerweile sind die Tafelmitarbeiter mit drei Autos im Einsatz, um die Waren von über 60 Geschäften in Hanau und dem Altkreis abzuholen. „Es steckt eine große Logistik dahinter, alleine um die Kühlketten nicht zu unterbrechen.“ Drei Wochen im Sommer und im Winter macht die Tafel Pause. „Das brauchen unsere Mitarbeiter, die ja größtenteils Ehrenamtler sind.“ Den Einkauf bei der Tafel kann man sich vorstellen wie in einem Tante-Emma-Laden. An jeder Station stehen Mitarbeiter, die die Waren ausgeben. „Es ist zwar nicht immer alles da, aber doch ausreichend. Außerdem müssen die Kunden Bescheid geben, wenn sie nicht kommen, dann können wir das in unsere Planung einbeziehen. Wir wollen, dass am Ende des Tages nichts übrig bleibt.“

Von Kerstin Biehl

Die Macher der Tafel: Jutta Knisatschek (links), Geschäftsführerin der Stiftung Lichtblick, und Annette Geier-Neugebauer, die gemeinsam mit Gordana Herzberger-Kapetanic die Hanauer Tafel leitet.
Die Macher der Tafel: Jutta Knisatschek (links), Geschäftsführerin der Stiftung Lichtblick, und Annette Geier-Neugebauer, die gemeinsam mit Gordana Herzberger-Kapetanic die Hanauer Tafel leitet. © -

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