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Wer Claus Kaminsky in den vergangenen Wochen auf Facebook, Instagram, Twitter und You Tube gefolgt ist, konnte leicht den Eindruck gewinnen, dass der Oberbürgermeister vor allem auf eines setzt: Corona-Krisenkommunikation gepaart mit einem ordentlichen Schuss Selbstdarstellung.
Da gab es Videos des OB, Masken-Posts, bunte Grafiken, Bilder von Kuchen, Geschenken und Spielen, die an den Krisenstab mit Sitz in der Hanauer Hauptfeuerwache übergeben wurden, täglich bis zu fünf Pressemitteilungen mit möglichst vielen O-Tönen des OB. Von den beiden anderen hauptamtlichen Dezernenten hörte man wenig bis gar nichts, auch nicht von Absprachen mit dem Main-Kinzig-Kreis und dem für Hanau zuständigen Gesundheitsamt.
Stadt engagiert zwei PR-Agenturen
Alles bestens, alles positiv. Grundtenor: Es läuft. Die Brüder-Grimm-Stadt ist weit vorn, Bund und Land immer eine Nasenlänge voraus. Damit dies alles so rundlaufen und auch entsprechend vermarktet werden kann, haben sich Kaminsky und sein Chef-Stratege Martin Bieberle externe Hilfe in den mehr als 20-köpfigen Krisenstab geholt. Neben der Agentur Ballcom mit Firmensitz in Heusenstamm gehört seit dem 13. März auch die Hanauer Agentur digitalnaturals dazu.
Instagram, Twitter & Co.: Claus Kaminsky und seine Statements zum Thema Corona sind seit Wochen allgegenwärtig.
Beide waren bereits unmittelbar nach dem Attentat am 19. Februar in die städtische Kommunikation eingebunden. Ein bis zwei Mitarbeiter von digitalnaturals kümmern sich im Krisenstab seit nunmehr acht Wochen fast ausschließlich um die Social-Media-Kommunikation des OB, stellen unter seinem Namen klar, dass das neu hochgeladene Facebook-Profilbild eigentlich schon „fünf Jahre alt ist“ – und ernten dafür jede Menge Likes und Lachgesichter. Kampagnen wie #hanauhelden und #hanaudaheim – das Online-Festival werden ebenfalls von Geschäftsführer Lutz Hanus und seiner GmbH digitalnaturals betreut.
PR-Agentur betreut Stadt schon seit Jahren
Die Agentur Ballcom, die seit vielen Jahren für die Stadt tätig ist und unter anderem den Wettbewerblichen Dialog, die Konversion, das Bürgerwochenende „Zukunft Hanau“ und zuletzt die Kommunikation nach dem Attentat am 19. Februar betreut hat, ist laut Aussage von Bieberle mit einem Mitarbeiter vertreten und im Stab für die „strategische Krisenkommunikation“ verantwortlich.
Obwohl auch Vertreter der städtischen Öffentlichkeitsarbeit im Gremium sitzen, sind die externen PRler von Ballcom unter anderem auch für die „Erstellung von Pressestatements“ und die „Begleitung von Interviews bei regionalen und nationalen Medien“ verantwortlich. Kommunikationskonzepte, die Bereitstellung von Presseunterlagen, Bürgertelefon, Homepage – der Leistungskatalog ist lang.
Beratung kostet 62 000 Euro im Jahr
Die Stadt lässt sich die externe Beratung durch Ballcom einiges kosten. „Im Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre belaufen sich die Kosten auf rund 62 000 Euro netto jährlich. Darin enthalten sind neben Honoraren unter anderem auch Fremdkosten wie Druck, Programmierung, Filmproduktion und Übersetzungen“, so Bieberle auf Anfrage unserer Zeitung.
Bei Negativ-Nachrichten darf auch mal der Bürgermeister Weiss-Thiel seinen Namen hergeben, um die schlechte Kunde unters Volk zu bringen.
Die Beauftragung für die Corona-Krisenkommunikation sei projektbezogen durch den OB im Rahmen seiner Befugnisse erfolgt. Die Beauftragung von Ballcom erfolgte ansonsten durch den Geschäftsführer der BAUprojekt Hanau GmbH und der Hanau Marketing GmbH, namentlich Martin Bieberle. Die Beauftragung sei, so heißt es auf Nachfrage, im Rahmen seiner Geschäftsführer-Kompetenzen erfolgt.
CDU kritisiert Kommunikation der Stadt mit anderen Politikern
Wurden die anderen politischen Vertreter über das Vorgehen informiert? Bieberle verweist hier auf Telefon- und Videokonferenzen des OB, in denen Magistrat, Präsidium sowie Haupt- und Finanzausschuss unterrichtet wurden, sowie E-Mails an Fraktionsvorsitzende und Ortsvorsteher.
Isabelle Hemsley, die CDU-Fraktionsvorsitzende und damit Vertreterin der einzigen Oppositionspartei im Parlament, widerspricht: „So gut die Information an die Stadtgesellschaft funktioniert, so unzureichend ist diese im politischen Kontext. Es gibt den Krisenstab, aus dem heraus die Fraktionsvorsitzenden entsprechende Mitteilungen erhalten, meist jedoch zeitgleich oder erst nach Veröffentlichung in den Medien.“
CDU: Fraktionen wurden nicht über externe Berater informiert
Der Krisenstab sei besetzt mit Verwaltungsverantwortlichen und dem hauptamtlichen Magistrat. Kommunalpolitische Entscheidungsträger beziehungsweise Stadtverordnete oder Ausschussvorsitzende seien nicht involviert – auch nicht im Sinne eines beratenden Gremiums.
„Was an Aufklärungsarbeit innerhalb der politischen Gremien nach dem 19. Februar in einer herausragenden Art und Weise funktioniert hat, schlägt bei Corona leider vollkommen fehl“, so Hemsley. Auch über die Einsetzung externer Berater seien die Fraktionen nicht informiert worden. „Dies hat jedoch auch in der Vergangenheit schon nicht stattgefunden“, erklärt die Christdemokratin.
Pressestelle der Stadt bereits gut besetzt
Das Team der Pressestelle der Stadt Hanau besteht laut Nachfrage aus drei Personen. Die Kommunikation der Stadt ergänzt eine Internet-Redaktion, die mit zwei Personen besetzt ist. Warum braucht es also externe Kräfte, die zwar eine Verschwiegenheitserklärung unterschrieben, dennoch aber täglich mit sensiblen und kritischen Informationen konfrontiert werden?
Bieberle: „Die Stadt Hanau hat nach dem 19. Februar einen Krisenstab eingerichtet, der quasi ohne Unterbrechung ab dem 13. März als Krisenstab Corona fungiert. Die Mitarbeiter des Krisenstabes tagen in der Regel zwischen zehn und 14 Stunden täglich, in der Regel an sechs, manchmal auch an sieben Tagen in der Woche.“
Bieberle wehrt sich: Krisenstab muss 24 Stunden verfügbar sein
Ein Krisenstab müsse, so Bieberles organisatorische Planung, auch darauf ausgerichtet sein, 24 Stunden verfügbar zu sein. „In der oben beschriebenen Logik wäre es objektiv auch aus arbeitsrechtlichen Gründen nicht möglich gewesen, die gesamte Kommunikationsarbeit in der Corona-Krise mit eigenen Ressourcen zu stemmen.“
#coronavirus #hanau #aktuell
— Stadt Hanau (@brueder_grimm) April 25, 2020
"Wir tun alles uns Mögliche, um jetzt in der Krise im Baugewerbe regional Arbeitsplätze zu sichern.“ - Stadt Hanau auf dem Bausektor leistungsfähig wie immer. PM: https://t.co/nv0mFsO4Yy. #hanaustehtzusammen #WirvsVirus
Wie immer leistungsfähig, verkündet Kaminsky in einer Pressemitteilung. Darin darf natürlich er glänzen.
Hemsley sieht auch das kritisch. Es gelte, so die CDU-Fraktionsvorsitzende, abzuwägen zwischen gesellschaftlich notwendig, um alle Bürger einer Stadt zu erreichen, und reinen PR-Maßnahmen. „Wir haben innerhalb der städtischen Verwaltung eine gut funktionierende und aufgestellte Marketing-Mannschaft, noch dazu viele Presseverantwortliche, die seit jeher eine hervorragende Arbeit leisten. Natürlich erfordern besondere und außergewöhnliche Situationen auch entsprechende Maßnahmen, sicherlich auch mit Unterstützung von externen Beratern, dies jedoch in Maßen und nicht in der vollumfänglichen Entwicklung von Marketing- und Kommunikationsstrategien.“
Momentan erwecke jedoch vieles den Eindruck, dass hier mehr als nur ein präventives Vorgehen zur Eindämmung des Virus vollzogen werde. Die Frage sei, wo diese Ausgaben entsprechend in den noch kommenden Nachtragshaushalt eingestellt würden und welche Investitionen künftig darunter zu leiden hätten.
Offenbach und Frankfurt kommen ohne externe PR-Firmen aus
Martin Bieberle will von PR und Selbstdarstellung nichts wissen, verweist darauf, dass Politiker Verantwortung tragen und „in der aktuellen Krise auch kommunikativ besonders gefordert sind“. Dies gelte auch für den Hanauer Oberbürgermeister.
Frankfurts OB scheint das anders zu sehen; weder er noch sein Pendant aus Offenbach haben externe PR-Firmen in ihren Corona-Krisenstäben. Auch die Landkreise in Hessen kommen nach HA-Informationen ohne externe Kommunikatoren durch die Krise. Seit Montag ist es übrigens ruhiger geworden: Der Stab schickt nur noch etwa eine Pressemitteilung täglich und auch in den sozialen Medien ist der OB nicht mehr ganz so präsent – ob das mit unserer Anfrage zum Thema am Montag zu tun hat, darüber können wir nur spekulieren.
Hier geht es zum Kommentar von Yvonne Backhaus-Arnold, stellvertretende Chefredakteurin des HA.