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Viele Straßenschilder in Hanau stammen aus einer städtischen Werkstatt

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Von: Christian Spindler

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Beim Abziehen der überflüssigen Folie ist Fingerspitzengefühl gefragt, wie Jürgen Mell zeigt. Rund 400 bis 500 Schilder produziert der städtische Bauhof pro Jahr.
Beim Abziehen der überflüssigen Folie ist Fingerspitzengefühl gefragt, wie Jürgen Mell zeigt. Rund 400 bis 500 Schilder produziert der städtische Bauhof pro Jahr. © PATRICK SCHEIBER

Der Bedarf an neuen Straßenschildern ist höher als man denkt. Hanau ist eine der wenigen Städte, in denen Ersatz in einer eigenen Schilderwerkstatt angefertigt wird.

Hanau – Beim „l“ von Wilhelmsbad hakt es. Die Trägerfolie will sich nicht von den Buchstaben lösen. Aber Jürgen Mell hat genügend Erfahrung, sodass schließlich alles glatt abgeht. Unzählige offizielle Schilder hat er bereits beschriftet. Die neue Ortstafel wird in den nächsten Tagen an der Kesselstädter Straße unweit der Mittelbuchener Mehrzweckhalle ausgestellt.

„Das bisherige Schild wurde umgefahren oder gestohlen“, sagt Mell. Jedenfalls kam von der Straßenverkehrsbehörde der Auftrag, ein neues anzufertigen.

Dafür ist der städtische Bauhof zuständig, genauer: dessen Schilderwerkstatt. Die ist allein deswegen besonders, weil so etwas in vergleichbaren Städten rar ist. „Ich kenne jedenfalls keine Stadt, die so etwas hat“, sagt Matthias Barnikol. Als Leiter des städtischen Bauhofs ist er Chef von zwei Dutzend Mitarbeitern, darunter ein bis zwei in der Schilderwerkstatt. Was kaum jemand weiß: Alle Ortsschilder in der Brüder-Grimm-Stadt, alle Straßenschilder, Hinweistafeln auf Gebäuden oder die Festspiele, auf Anwohnerparken oder an Spielplätzen sind quasi haus- und handgemacht.

Straßenschilder in Hanau: Mit Fingerspitzengefühl die Folien anbringen

„Die Schilder nach der Straßenverkehrsordnung – also unter anderem Halteverbot- oder Vorfahrt-achten-Schilder – kaufen wir alle bei zertifizierten Firmen zu“, erläutert Barnikol. Alles andere wird im Bauhof am Alten Auheimer Weg selbst gefertigt – 400 bis 500 Schilder pro Jahr.

Die Folien für die Beschriftungen hängen an großen Rollen an der Wand der Werkstatt. Die jeweiligen Schilder müssen alle gleich aussehen, darum sind nur Farben nach der RAL-Palette zugelassen, erklärt Barnikol. Unterschiede gibt es zum Beispiel bei der Reflektionsstärke der Folien. Bei Schildern, die außerorts angebracht werden, wird eine Folie verwendet, die Licht in der Dunkelheit stärker reflektiert als bei Schildern innerorts.

Herzstück der Schilderwerkstatt ist ein sogenannter Plotter. Vereinfacht gesagt werden mit dem Gerät nach den zuvor am Computer eingestellten Werten und Maßen beispielsweise Buchstaben in die Folie gestanzt. Die so bearbeitete Folie wird dann auf eine transparante Trägerschicht geheftet und schließlich beides an der richtigen Stelle auf das Schild aufgebracht. Nach dem vorsichtigen Ablösen des Trägers bleibt nur das übrig, was übrig bleiben soll. Dabei ist Fingerspitzengefühl gefragt – und große Genauigkeit.

Unter anderem werden derzeit Straßenschilder für das Wohngebiet Pioneer-Park angefertigt.
Unter anderem werden derzeit Straßenschilder für das Wohngebiet Pioneer-Park angefertigt. © Patrick Scheiber

Neue Straßenschilder in Hanau: Bis zu zwei Stunden für ein Ortsschild

Eineinhalb bis zwei Stunden brauchen Jürgen Mell und Vorarbeiter Gerhard Friedmann im Schnitt, um ein beidseitig beschriftetes Ortsschild anzufertigen. Dessen zugekaufter Korpus mit brillant-gelber Grundfolie kostet immerhin 127,50 Euro. „Dazu kommen die Folien für die Beschichtung und die Arbeitskosten“, sagt Barnikol, während der Kollege mit einer Rolle die Trägerschicht für das Mittelbuchener Ortsschild vorbereitet.

Vorteil der hauseigenen Hanauer Schilderwerkstatt: Man ist flexibler und schneller. Bei einer Vergabe einzelner Schilderaufträge an Firmen könne es mitunter Wochen dauern, ehe geliefert wird, so der Bauhof-Chef.

Immerhin 360 Schilder mussten in Hanau voriges Jahr allein nach Unfällen oder Diebstählen ersetzt werden, weist die interne Statistik aus. „In 60 Prozent der Fälle machen sich diejenigen, die ein Straßenschild umgefahren haben, aus dem Staub“, weiß Barnikol. Ein Kavaliersdelikt ist das nicht. „Das bleibt Unfallflucht“ – und kann teuer werden. Bei dreisten Langfingern besonders gefragt sind „Temposchilder“ mit 30, 40 oder 50 drauf. Solche gestohlenen Schilder dürften sich in so manchem Partykeller von Jubilaren finden...

Bauhof-Chef Barnikol erklärt, dass jedes in der Werkstatt gefertigte Schild das Zeichen ST.H. (Stadt Hanau) trägt.
Bauhof-Chef Barnikol erklärt, dass jedes in der Werkstatt gefertigte Schild das Zeichen ST.H. (Stadt Hanau) trägt. © Patrick Scheiber

Neubaugebiet Pioneer-Park: Großer Bedarf an Straßenschildern

Neben Hinweistafeln auf die Maskenpflicht im Corona-Hotspot Hanau produziert die Werkstatt aktuell unter anderem Straßenschilder fürs neue Wohngebiet Pioneer-Park. In den Neubaugebieten der stark wachsenden Stadt ist viel zu beschildern. „Zum Glück kommt nicht alles auf einmal“, so Barnikol.

Ob bei der Schilderbeschriftung schon mal was schief gelaufen ist und falsch folierte Tafeln aufgehängt wurden? Barnikol grinst: Bei der Einweihung eines Platzes habe sich mal ein Buchstabe gelöst. Und bei den kleinen Erklärtafeln an Straßenschildern mit Namen bedeutender Personen komme es schon mal vor, dass etwas nicht korrekt ist. Das könne aber auch daran liegen, „dass wir eine fehlerhafte Vorlage bekommen haben“, sagen die Beschilderer vom Bauhof.

Die haben auch schon Anfragen von anderen Kommunen für Schilderaufträge bekommen - und sogar von Privatleuten. „Wir arbeiten aber nur für die Stadt“, sagt Matthias Barnikol. (Christian Spindler)

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