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Koalition schlägt sich auf Seite der Verwaltung und besiegelt Schließung

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Von: Kerstin Biehl

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Die sonnigen Zeiten für das Stadtteilservicebüro in Mittelbuchen sind vorbei: Es wird geschlossen bleiben – so wie die Pendants in Großauheim, Steinheim und Klein-Auheim. Archivfoto: Kerstin Biehl
Die sonnigen Zeiten für das Stadtteilservicebüro in Mittelbuchen sind vorbei: Es wird geschlossen bleiben – so wie die Pendants in Großauheim, Steinheim und Klein-Auheim. Archivfoto: Kerstin Biehl © -

Die Bürger aus Großauheim, Klein-Auheim, Steinheim und Mittelbuchen müssen künftig ohne ihre Stadtteilläden auskommen. Das hat am Montagabend die Koalition im Stadtparlament (SPD, CDU, FDP) beschlossen. Seit der Pandemie hatte die Stadt die Läden, begründet durch eben diese, geschlossen. Jetzt sollen sie für immer zu bleiben.

Hanau – Der ursprüngliche Antrag, den die in der Opposition sitzende Fraktion Die Fraktion gestellt hatte, zielte auf das genaue Gegenteil ab: Ein Votum des Stadtparlaments für den Erhalt der Stadtteilläden.

„Digitalisierung ist eine Erleichterung und hat durch die Corona-Pandemie einen Schub erhalten. Jedoch gibt es weitere Leistungen, die nicht digital angeboten werden beziehungsweise angeboten werden können. Zudem gibt es Hanauer, die aus verschiedenen Gründen nicht den Bürgerservice im Stadtladen nutzen. Die online nicht können oder nicht wollen. Auch diesen Hanauern sollte ein Angebot in den Stadtteilen zur Verfügung stehen“, begründete Jochen Dohn (Die Fraktion) und stellte die Frage: „Nur noch Citycenter, ist das noch bürgernah?“

Die Meinung der Koalition traf Dohn damit nicht. Dr. Maximilian Bieri (SPD) sprach sich im Namen der Koalitionspartner klar für einen konzentrierten Bürgerservice im Citycenter aus. „Dort hat man gebündelt alles im Blick“, so der Sozialdemokrat, der zudem auf die Pflicht von Städten hinwies, die Digitalisierung voranzutreiben. Damit einhergehend stellte er einen Änderungsantrag der Koalition vor, der das genaue Gegenteil des ursprünglichen Ansinnens der Fraktion Die Fraktion darstellte: Die Bündelung der Bürgerservices im Citycenter, mit dem Angebot „innovativer und effizienter kommunaler Dienstleistungen“, dem Ausbau des digitalen Melde- und Antragswesens, bürgerfreundlichen Öffnungszeiten und einer benutzerorientierten sowie einfach zugänglichen Terminvergabe. Immobilen Bürgern in der ganzen Stadt, denen der Besuch eines Bürgerbüros nicht möglich ist, sollen „alternative Präsenzmöglichkeiten und individuelle Lösungen zur Erledigung der Dienstleistungen, die eine persönliche Vorsprache benötigen“, zur Verfügung gestellt werden.

Die Grünen zeigten sich mit dieser Lösung wenig einverstanden. Fraktionsmitglied Angelika Gunkel erinnerte an große Verbesserungen für die Stadtteile, als die Stadtteilläden Ende der 90er Jahre eingeführt wurden. „Die Bürger konnten mit den Dienstleistungen der Stadt vor Ort versorgt werden“, lobte sie den damaligen Schritt. „Doch das, was jetzt passieren soll, ist ein Schritt zurück.“

Gunkel wies darauf hin, dass mit fortschreitender der Digitalisierung sich doch vielmehr die Möglichkeit der Dezentralisierung ergebe. „Wohnortnahe Anlaufstellen sind wichtig, auch wegen der Identität. Noch 2019 hat das die Verwaltung auch so gesehen“, erinnerte die Grünen-Politikerin. Es sei gar Teil des Konzepts des Umzugs ins Citycenter gewesen. Damals sei sogar die Rede von einer Prüfung der Schaffung eines weiteren Stadtteilladens auf Pioneer gewesen. „Die jetzt angedachte Schließung der Stadtteilläden gleicht einem Wortbruch“, sagte Gunkel und bat um die Verweisung des sensiblen Themas in den Haupt- und Finanzausschuss zur weiteren Beratung. Das wurde durch die Stimmenmehrheit der Koalition abgelehnt.

Sascha Feldes untermauerte das Unverständnis seiner Parteikollegin über die Schließung: „Die Stadt gibt verdammt viel Geld für Stadtteilentwicklungskonzepte aus und schließt die Stadtteilläden. Das passt nicht zusammen.“ Der Grüne regte eine mobile Lösung an.

Stadtrat Thomas Morlock bestätigte, eine mobile Lösung „auf dem Schirm“ zu haben. Diese scheitere derzeit noch an der Technik, solle aber kommen. Zudem verdeutlichte er die Sicht der Verwaltung auf das, wie er sagte, „emotional besetzte Thema“. Es seien „lieb gewonnene Gewohnheiten“ gewesen, die man im Stadtteilladen verrichten könne. Die Einrichtungen aber seien „hoch spezialisierte Einheiten, die sich um Pass- und Meldewesen gekümmert haben, und schon lange keine Verwaltungsstellen mehr“.

Seit dem Jahr 2017 sei es dort immer wieder zu Personalengpässen gekommen, sodass die Stadtteilläden nur noch eingeschränkt funktionsfähig gewesen seien. „Wir brauchen aber einen verlässlichen Bürgerservice. Und haben diesen mit einer Personalkonzentration im Citycenter geschaffen“, so Morlock. Der Stadtrat warb für den Standort mit Wartezeiten unter zehn Minuten, bezeichnete den Bürgerservice als „Leuchtturmprojekt“, dessen Organisation sich im Januar Vertreter des Main-Taunus-Kreises bei einem Besuch in der Grimmstadt anschauen wollen.

„Bürgerseitig gibt es bei mir keine Beschwerdelage zu den geschlossenen Stadtteilläden“, sagte der Stadtrat und betonte, dass diese nicht effizient seien. Zudem führte er das Argument an, dass andere Städte in der Größenordnung Hanaus auch über keine Stadtteilläden verfügten. Und weiter: „Nicht alle Stadtteilläden sind barrierefrei, was den immobilen Menschen nicht weiter hilft.“ Morlock zeigte auf, wie diese Menschen künftig versorgt werden sollen: „Wir werden die Stadtteilläden nicht ersatzlos streichen, sondern entwickeln ein spezielles Servicekonzept“, so sein Versprechen.

So solle für immobile Bürger der telefonische und briefliche Kontakt mit dem Bürgerbüro ausgeweitet werden. „Zudem wollen wir individuelle Termine anbieten und, wenn es gar nicht geht, in Ausnahmefällen einen Hol- und Bringservice.“ Der Service zur Abholung von gelben Säcken oder Müllkalendern im Stadtteilladen soll in privaten Geschäften in den Stadtteilen angesiedelt werden, mit denen die Verwaltung kooperieren will.

Von Kerstin Biehl

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