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Kommentar: Hanau und der 19. Februar - eine Frage der Verantwortung

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Von: Yvonne Backhaus-Arnold

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Yvonne Backhaus-Arnold mit einem Kommentar zur Kommunikation der Stadt Hanau in der Corona-Krise.
Yvonne Backhaus-Arnold mit einem Kommentar zum Jahrestag des rassistischen Anschlags von Hanau © Mike Bender (Archiv)

Drei Jahre nach dem rassistischen Anschlag von Hanau ist es an manchen Stellen in kleinen Schritten vorangegangen, an anderen tun sich unüberwindbare Gräben auf.

Hanau - „Nicht dass Sie denken, dass ich ein Rassist bin, aber es muss jetzt doch mal gut sein mit den Artikeln und den Forderungen.“ Anrufe in der Redaktion mit Sätzen wie diesem gibt es immer wieder. Aufarbeiten, erinnern, vergessen, weiterleben, trauern. Was ist richtig? Was falsch? Geht das eine ohne das andere? Drei Jahre nach dem rassistisch-motivierten Attentat vom 19. Februar 2020 ist es an manchen Stellen in kleinen Schritten vorangegangen, an anderen stockt es, tun sich unüberwindbare Gräben auf.

Anschlag von Hanau: Niemand übernimmt politische Verantwortung

Der Untersuchungsausschuss im Landtag, der 2021 seine Arbeit aufgenommen hat, um behördliches Versagen herauszuarbeiten, hat in Hunderten Stunden Angehörige, Überlebende, Polizeibeamte, Sachverständige, Gerichtsmediziner, Politiker und Juristen vernommen. Noch mindestens drei Sitzungen stehen aus, aber schon heute ist klar: Niemand übernimmt (politische) Verantwortung. Niemand entschuldigt sich.

Beispiel Notruf: Fast 20 Jahre gab es in Hanau keine Weiterleitung des Notrufs für nicht angenommene Anrufe. Vili Viorel Paun hat in der Tatnacht dreimal die 110 gewählt. Er kam nicht durch. Vielleicht hätte er die Verfolgung des Täters abgebrochen, vielleicht wäre er heute noch am Leben. Niemand weiß es. Was man weiß ist, dass die Technik veraltet war und nicht angepasst wurde, obwohl sich der Neubau des Polizeipräsidiums in Offenbach, der hier Verbesserung bringen sollte, um Jahre verzögerte. Die Polizeiführung will davon nichts gewusst haben. Eine Farce, die das Vertrauen in den Staat erschüttert hat.

Vielleicht gelingt es dem Ausschuss zumindest, Lehren aus Hanau zu ziehen, Mängel zu beheben: beim Umgang der Polizei mit Angehörigen, bei der Sensibilisierung der Beamten für andere Kulturkreise, bei der Informationspolitik, wenn es beispielsweise um das Waffenrecht geht.

Nach Terror in Hanau: Aus Sprachlosigkeit ist Aktion geworden

Und dann gibt es zarte Pflänzchen, die seit 2020 gewachsen sind: die Bildungsinitiative Ferhat Unvar zum Beispiel. Die Mutter eines Getöteten hat sie gegründet. Saida Hashemi und Ajla Kurtovic, deren Brüder getötet wurden, engagieren sich heute politisch in Stadt und Land. Aus Sprachlosigkeit ist Aktion geworden. Verantwortungsvoll ist das – und vorbildlich.

Am Ende sind wir alle aufgerufen, uns gegen Rassismus zu stellen, genau hinzusehen und hinzuhören, laut zu sein, wenn Minderheiten angegriffen werden. Hanau, drei Jahre nach dem 19. Februar 2020, ist und bleibt ein Kampf an vielen Fronten – für unsere Demokratie und unser Miteinander. (Yvonne Backhaus-Arnold)

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