„Krone“-Abriss: Hanauer Ex-Stadtbaurat erinnert sich

In diesen Tagen feierte die Kulturhalle Schanz in Mühlheim ihr 25-jähriges Bestehen – ein alternativer Kulturtreffpunkt, den eine Gruppe engagierter Leute aus einer alten Fabrikhalle geschaffen hat. Da wird bei manchem in Hanau Wehmut wach, dass in der Nachbarkommune etwas gelang, was vor über 42 Jahren in Mittelbuchen mit dem alten Dorfgasthaus „Krone“ gescheitert war: aus einem alten Bestandsgebäude einen Treffpunkt für Bürger und einen Ort für alternative Kulturprojekte zu machen.
Hanau - Die „Krone“ wurde geräumt und abgerissen. Diese Zeit rufen aktuell zwei Filmbeiträge auf YouTube ins Gedächtnis zurück (wir berichteten). Der damalige Hanauer Stadtbaurat Heinz Goss, der den Abriss nach außen vertreten musste, wurde damals von Teilen der Szene als Abrisskönig beschimpft. Heute, 42 Jahre später, wurde er beim Jubiläum der Kulturhalle Schanz dafür gefeiert, dass er mit seinem ehrenamtlichen Engagement für das Projekt dessen Realisierung mit ermöglicht hat. Die Gleichzeitigkeit der Ereignisse, YouTube-Filme und Jubiläumsfeier, haben uns mit Heinz Goss zusammengeführt, und wir haben mit ihm darüber gesprochen, weshalb sich die Stadt nicht in der Lage sah, die „Krone“ vor dem Abriss zu bewahren.
Der 87 Jahre alte Jurist und Stadtplanungsexperte lebt in Mühlheim und erinnert sich noch deutlich an die damalige Zeit. Beim Gespräch mit unserer Zeitung erklärt er, das Betrachten der Filme habe ihn sehr bewegt, besonders die Bilder von Ex-OB Hans Martin, mit dem er befreundet war und über viele Jahre eng und vertrauensvoll zusammengearbeitet habe.
„Ich bedaure es sehr, dass die "Krone" damals abgerissen wurde“, sagt Goss rückblickend. Aber die Situation sei damals eine ganz andere gewesen als heute. Die Rechtslage war mit dem vollzogenen Verkauf des Gebäudes mit Grundstück an die Leibrand-Gruppe eindeutig, beschreibt er die Situation.
„Mir ist die Entscheidung nicht leichtgefallen“, denn klar war schon, dass man Mittelbuchen einen wesentlichen Teil seines Ortsmittelpunktes nahm. „Die Eigentümer hätten die Stadt auf Schadenersatz verklagen können. Wir hätten das Vorhaben nur aufhalten können, wenn wir (also die Stadt Hanau) das Grundstück zu einem wesentlich höheren Preis gekauft hätten“, erklärt der damalige Stadtrat, der von 1969 bis 1981 dem hauptamtlichen Magistrat angehörte. Ergo musste die Bauverwaltung die Abrissgenehmigung erteilen, und er als Wahlbeamter unterlag dem Zwang, nach Recht und Gesetz zu handeln.
Zudem war die finanzielle Situation der Stadt nach mehreren aufwendigen Infrastrukturprojekten in den Sechziger- und Siebzigerjahren wie Straßen- und Schulbauten, der Kläranlage oder der Beseitigung des Schienenpanzers, nicht gerade rosig. Dazu kam, dass bei der Mehrzahl der Bürger und in der Politik das alternative Projekt und die Besetzung der „Krone“ auf wenig Gegenliebe stießen. Weder der damalige Jugenddezernent Oskar Ott noch OB Hans Martin als Finanzdezernent wollten sich für die „Krone“ einsetzen. Auch der Hanauer Magistrat war nicht von der Notwendigkeit einer Übernahme durch Kauf zu gewinnen. Und viele Mittelbuchener und Hanauer brachten wenig Verständnis für die jungen Leute auf, die die „Krone“ besetzt hatten. „Wieso greift ihr nicht durch, weshalb lasst ihr euch auf der Nase herumtanzen?“, war laut Heinz Goss ein häufig geäußerter Vorwurf.
Für den Stadtbaurat waren die Monate zwischen Verkauf und Räumung der „Krone“ beruflich wie persönlich eine schwierige Zeit. Teile der Szene hätten ihn als Überbringer der Abrissbotschaft angegriffen. Goss schildert, wie ihm an seinem vor der Stadthalle geparkten Auto kurz nach dem Abriss ein Reifen zerstochen wurde. „Dabei hatten wir als Stadt die Räumung der Krone nicht veranlasst. Die Eigentümer haben die Polizei mit der Begründung ins Spiel gebracht, dass ein strafrechtlicher Tatbestand des Hausfriedensbruchs vorläge“, sagt Goss. „Dass die Polizei räumte, war für mich eine Situation, die ich in Mittelbuchen auf keinen Fall haben wollte!“ Nach seiner Zeit in Hanau, in der er wertvolle Erfahrungen in Sachen Planungsrecht sammeln konnte, war Goss bei einer Bautochtergesellschaft der Hessischen Landesbank, der OFB Projektgesellschaft, tätig. Hier betreute er große Bauvorhaben in ganz Deutschland, darunter die Bebauung des Areals gegenüber der Binding-Brauerei in Frankfurt, die Errichtung des Maintowers oder die Umwandlung des Westhafens in ein Gewerbe- und Wohngebiet – eine spannende Zeit, voller herausfordernder Aufgaben. Bis vor vier Jahren war Goss noch als juristischer Berater für die OFB aktiv.
Als Ironie des Schicksals bezeichnet es Heinz Goss’ Sohn Simon, dass sein Vater, damals als Kulturverhinderer verspottet, knapp 20 Jahre nach dem „Krone“-Abriss mit anderen Kulturschaffenden den Trägerverein Kulturfabrik Eigenart e.V. in Mühlheim gründete. Dieser eröffnete 1998 die Kulturhalle Schanz südlich des Bahnhofs. Vater und Sohn Goss wollten mit einer Gruppe von Endzwanzigern – wie damals die „Krone“-Protagonisten voller Enthusiasmus – die leer stehende Industriehalle zu einem kulturellen Treffpunkt für junge Leute machen. Hier habe das Zusammenspiel zwischen Initiative, Eigentümer und Politik besser geklappt, sagen Vater und Sohn, es seien mehrere glückliche Umstände zusammengekommen, die jungen Initiatoren hatten die Unterstützung der Politik und konnten das Projekt mithilfe ihrer Familien finanziell stemmen.
Von Jutta Degen-Peters

