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Mehr als körperliche Arbeit

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Von: Lisa Mariella Löw

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Vom Fachkräftemangel betroffen: Die Martin-Luther-Stiftung möchte dem mit einer Kampagne in den sozialen Medien entgegenwirken, während das Main Care Hanau Mitarbeiterwohnungen baut.
Vom Fachkräftemangel betroffen: Die Martin-Luther-Stiftung möchte dem mit einer Kampagne in den sozialen Medien entgegenwirken, während das Main Care Hanau Mitarbeiterwohnungen baut. © KNA

Am 12. Mai ist der internationalen Tag der Pflege. Hanauer Pflegekräfte erzählen über den Fachkräftemangel, die vielfältigen Anforderungen des Berufs, Karrieremöglichkeiten in der Branche und warum Kommunikation so wichtig ist.

Hanau – Frische Mahlzeiten kochen oder den Patienten künstlich ernähren, ihn bei Arztbesuchen und Behördengängen begleiten und immer ein offenes Ohr haben - Pflegekräfte haben vielfältige körperliche und mentale Aufgabenbereiche. Anlässlich des heutigen internationalen Tages der Pflege, der in diesem Jahr unter dem Motto „Our Nurses. Our Future.“ steht, erzählen Hanauer Einrichtungen von Vorurteilen, Nachwuchssorgen und warum Kommunikation so wichtig ist.

Fast 2 000 Menschen begleitet der Pflege- und Betreuungsdienst Kremer täglich. Durch die Angebote der ambulanten Pflege soll der Umzug in ein Pflegeheim verhindert oder verzögert werden: „Pflegebedürftige können in ihrem gewohnten Umfeld bleiben, werden durch unsere Pflegekräfte versorgt und durch unsere Alltagshelfer im Haushalt unterstützt“, sagt Geschäftsführungsassistentin Julia Schneider.

Auch eine Tagespflege gibt es: Mit einem Fahrdienst werden die Gäste morgens von zu Hause abgeholt, verbringen in der Einrichtung Zeit in Gemeinschaft und werden nachmittags wieder zurückgefahren.

„Leider werden Pflegekräfte noch immer häufig damit konfrontiert, dass sie nur „Popo-Abputzer“ seien“, bedauert Julia Schneider. Dabei gehe es neben der körperlichen Arbeit vor allem darum, Sterbende zu begleiten und die Fassung zu bewahren, wenn Angehörige an ihre Grenzen stoßen. Einen Fachkräftemangel sieht Julia Schneider zurzeit nicht.

Die Geschäftsleitung bestehe selbst aus Pflegekräften und habe daher eine besondere Branchenkenntnis: „Weil ich weiß, was Pflege bedeutet, können wir für unsere Mitarbeitenden ein guter Arbeitgeber sein.“ Thorsten Hitzel, Vorstandsvorsitzender der Martin-Luther-Stiftung Hanau, sucht hingegen aktiver nach Personal: „Um einem Mangel vorzubeugen, zeigen wir mit unserer Kampagne „Pflege rockt!“ dauerhaft Präsenz in den Sozialen Medien, aber auch mit Bannern und Printwerbung.“

Etwa 800 Menschen betreut die Stiftung. Insbesondere für Demenzkranke gibt es eine Gerontopsychiatrie und beschützendes Wohnen für Menschen mit Hinlauftendenz. Trotzdem hätten Angehörige oft Angst, wenn ihre Familienmitglieder pflegebedürftig werden. Hitzel findet: „Pflegebedürftigkeit ist nicht das Ende der Welt. Wichtig ist, dass man darüber redet und sich frühzeitig helfen lässt.“´

Ähnlich sieht das Melek Armutci, Pflegemanagerin von Main Care Hanau: „Es ist wichtig, seine Bedürfnisse und Erwartungen offen zu kommunizieren. Pflegebedürftige und Angehörige müssen sich nicht alleine fühlen.“ Es gebe viele Unterstützungsangebote, wie die Intensivpflege, parenterale Ernährung oder Wundversorgung von Main Care.

Um stets genügend Personal für die zu haben, habe die Main Care eine Rekrutierungsfirma beauftragt und arbeite mit einem Pflegeverbund zusammen. Außerdem sollen zukünftig Wohnungen für Pflegemitarbeiter gebaut werden: „Eine kurze Anreise der Pflegekräfte kann dazu beitragen, Stress und Belastung zu reduzieren und die Work-Life-Balance zu verbessern.“

Melek Armutci findet, dass der Beruf noch häufig stigmatisiert wird: „Es ist ein Vorurteil, dass Pflegekräfte keine Karrieremöglichkeiten haben.“ Es gebe viele Aus- und Weiterbildungen, die sie auch aktiv förderten.

Dass sich Pflegeberufe nicht mit Familie und Privatleben vereinen lassen, empfindet Kai Ebell vom Ambulanten Pflegedienst Ebell als weiteres Vorurteil. Er lege wert darauf, dass seine Mitarbeiter nicht ständig am Wochenende arbeiten müssen, nicht permanentem Zeitdruck ausgesetzt sind und angemessen entlohnt werden.

Mit Erfolg: Alle Stellen seien aktuell belegt, sodass die 120 Pflegebedürftigen, unter anderem in der häusliche Pflege, Essen auf Rädern und Palliativpflege, optimal versorgt seien. Alle Angebote seien unverbindlich: „Es lauern keine Knebelverträge oder Betrugsmaschen. Ambulante Pflege kann jederzeit ohne eine Frist gekündigt werden.“ Pflegebedürftigkeit kann jeden Menschen in jedem Alter treffen. Sie kann von Geburt an bestehen, sich langsam entwickeln oder unerwartet durch Unfall oder Schlaganfall eintreten, findet Heidi Andrée, leitende Pflegekraft im Palliative Care Team Hanau.

Dabei ist Pflege- nicht gleichzusetzen mit Hospizarbeit: „Am Anfang haben die Menschen Angst vor unserer Begleitung, in den Köpfen steckt die große Sorge, dass sie jetzt umgehend sterben müssen“, sagt Andrée. Daher nimmt sich ihr Team viel Zeit, damit ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Pflegebedürftige, Pflegekraft sowie den Angehörigen entstehen kann: „Unsere Pflege ist eine sehr am Menschen orientierte Pflege.“ Denn: „Pflege kann ein Leben nicht verlängern. Aber es kann aus steinigen Wegen sandige machen.“ (von Lisa Mariella Löw)

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