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Mit blauem Auge davongekommen

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Von: David Scheck

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Wie sieht die Zukunft des Einzelhandels aus angesichts Online-Konkurrenz und Corona-Krise? Die meisten Händler schauen optimistisch in die Zukunft.
Wie sieht die Zukunft des Einzelhandels aus angesichts Online-Konkurrenz und Corona-Krise? Die meisten Händler schauen optimistisch in die Zukunft. © Reinhard Paul

Hanau – Schon seit Jahren starke Konkurrenz durch den Online-Handel und schließlich noch zwei pandemiebedingte Lockdowns – vor welcher Zukunft steht der stationäre Einzelhandel im Rhein-Main-Gebiet angesichts der aktuellen Corona-Krise? Das wollte die Commerzbank im Rahmen einer Studie wissen. Ergebnis: Jeder fünfte Einzelhändler in der gesamten Rhein-Main-Region sah sich in seiner Existenz bedroht, zwei Drittel befürchten eine Verödung der Innenstädte durch die Schließung kleinerer Geschäfte.

Immerhin: Trotz anhaltender Herausforderungen schaut die Mehrheit (82 Prozent) optimistisch in die Zukunft. Auch bei den Hanauer Einzelhändlern scheint das Glas eher halb voll als halb leer zu sein.

„Wir sind mit einem blauen Auge davongekommen“, resümiert Mehmet Kandemir, der Vorsitzende des Hanau Marketing Vereins (HMV). im Gespräch mit unserer Zeitung die Zeit des Lockdowns im Winter 2020/2021. Was man dann für das Restjahr 2021 an Umsatzergebnissen erwartet habe, sei auch eingetroffen.

Dennoch lässt die Studie aufhorchen: 39 Prozent der Einzelhändler im Rhein-Main-Gebiet mussten im Zuge der Corona-Krise starke Umsatzeinbußen hinnehmen; bundesweit waren es sogar 47 Prozent. Für 21 Prozent war oder ist die Krise existenzbedrohend.

In der Region weniger Kündigungen ausgesprochen

Für die achte Unternehmerkunden-Studie im Auftrag der Commerzbank wurden zwischen Juni und August 2021 bundesweit insgesamt 3500 Einzelhandelsunternehmen mit einem Jahresumsatz von bis zu 15 Millionen Euro vom Meinungsforschungsinstitut Ipsos befragt, davon 100 im Rhein-Main-Gebiet, wie die Commerzbank Hanau mitteilt. „Der wiederholte Lockdown und der damit verbundene Kundenverlust haben zwei von fünf Einzelhändlern in der Region vor große Probleme gestellt“, wird Matthias Ahr, Leiter Unternehmerkunden der Commerzbank Hanau, in einer Mitteilung zur Studie zitiert. 40 Prozent der Unternehmen mussten auf vorhandenes Eigenkapital zurückgreifen, um Umsatzeinbußen auszugleichen. Gut jeder Vierte nahm staatliche Hilfen in Anspruch, jeder Elfte einen Bankkredit. Interessant ist, dass im Rhein-Main-Gebiet weniger Einzelhändler (27 Prozent) staatliche Hilfe in Anspruch nahmen als bundesweit (32 Prozent). Auch sprachen hier in der Region weniger Arbeitgeber im Handel Kündigungen aus als in der gesamten Republik (drei beziehungsweise sieben Prozent), dafür meldeten mehr Kurzarbeit an (38 gegenüber 33 Prozent).

Auffallend ist auch ein großer Unterschied bei der Rückkehr der Kunden nach dem Ende des letzten Lockdowns: Dem Punkt „Kunden kaufen jetzt mehr im Ladengeschäft ein als vor der Krise“ stimmten 18 Prozent der Rhein-Main-Händler zu, bundesweit lediglich neun Prozent. „Einerseits hat Corona im Einzelhandel einen Digitalisierungsschub ausgelöst, wie wir ihn auch als Commerzbank bei unseren Kunden feststellen“, erläutert Ahr. Auf der anderen Seite sehe man aber auch einen Nachholbedarf beim Konsum vor Ort. Denn jeder dritte Einzelhändler bemerke wieder mehr Bedarf an persönlicher Beratung. „Die Studie zeigt daher, dass Kunden beide Kanäle nutzen wollen – digital und persönlich“, so Ahr.

Kandemir: „Die Leute gehen wieder einkaufen“

Auch Kandemir, der selbst ein Modegeschäft in der Hanauer Innenstadt führt, hat beobachtet: „Die Leute gehen wieder gerne einkaufen.“ Vor allem die Stammkunden kamen wieder zurück. Bei der Wiederbelebung der Innenstadt nach dem Lockdown habe man beim HMV vor einer schwierigen Ausgangslage gestanden. „Wir wussten, wir müssen etwas machen – aber wie viel?“, sagt Britta Hoffmann-Mumme, beim Marketing-Verein zuständig für Innen- und Außenmarketing, gegenüber unserer Zeitung. Die Kunden sollten zurückkommen – aber man wollte Hanau auch nicht zu einem Corona-Hotspot machen. Der Schritt ins Internet war für viele einer der Wege aus der Krise: 23 Prozent der Unternehmen im Rhein-Main-Gebiet investierten den Zahlen der Studie zufolge in den Auf- oder Ausbau einer Website beziehungsweise App, weitere elf Prozent in einen Online-Shop. Die Zahlen decken sich weitgehend mit denen aus dem deutschlandweiten Vergleich. So wie aber auch diese: Knapp zwei Drittel der Einzelhändler nahmen während der Lockdown-Krise keine Investitionen in die Digitalisierung vor. Ein möglicher Grund: Die Rückmeldung vieler Händler sei, dass sie durch einen Online-Shop nicht mehr Umsatz hätten als vorher, sagt Kandemir. Zudem bedeutet der Aufbau eines Online-Zweigs gerade für kleinere Läden einen enormen, kaum leistbaren Aufwand. Auch Modeladen-Inhaber Kandemir sieht seine Position realistisch: „Wir können nicht mithalten mit Zalando und Co.“

Was bringt die Zukunft?

Was bringt die Zukunft? Viele Einzelhändler in der Region zeigen sich laut der Studie besorgt um die Entwicklung ihrer Innenstädte. Zwei Drittel befürchten in den kommenden fünf Jahren eine Verödung der Stadtzentren durch Schließungen kleinerer Läden und Restaurants. Diese Sorge treibe den Handel in Hanau nicht so sehr wie um wie vielleicht in anderen Städten, sagen Kandemir und Hoffmann-Mumme – der städtischen Unterstützung unter dem Schlagwort „Hanau aufLADEN“ sei dank. Mit dem Konzept der Pop-up-Läden will die Stadt Leerständen mit kreativen Ideen entgegentreten. Vorbildlich, findet nicht nur der HMV. Entsprechend deutlich bringt es Hoffmann-Mumme auf den Punkt: Wenn die Stadt nichts tun würde, „wären wir platt“. (Von David Scheck)

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