Mit Sex-Chat in die Falle gelockt: Hohe Haftstrafen gegen Hanauer Räuber-Duo verhängt

Für den brutalen Überfall auf einen 51-Jährigen im Oktober vergangenen Jahres muss der 33-jährige Sercan T. für acht Jahre und neun Monate in Haft, sein Komplize Eugen O. für sechs Jahre und drei Monate hinter Gitter. Dieses Urteil hat die 2. Große Strafkammer am Hanauer Landgericht verkündet.
Hanau - Dr. Katharina Jost, die Vorsitzende Richterin, wird in ihrer über einstündigen Urteilsbegründung sehr deutlich: „Man kann sich kaum einen schlimmeren Raub vorstellen.“ Was sich in der Nacht zum 24. Oktober vergangenen Jahres in der Annasiedlung geschehen ist, sei ein „ein perfides Vorgehen – ein brutaler und mit großer krimineller Energie geplanter Überfall“. Nach der mehrtägigen Verhandlung sind die Richter überzeugt davon, dass T. den ausgeklügelten Plan geschmiedet hat, seinen langjährigen Drogenlieferanten zu überfallen und auszurauben (wir berichteten).
Dafür nutzt das Duo die Zugangsdaten eines weiblichen Chat-Profils. Der Schlüssel zum Erfolg, denn das Opfer scheint auf die amourösen Angebote einzugehen. „Doch es war keine Prostituierte – hinter dem Chat steckten Sie beide“, stellt die Vorsitzende fest. Der 51-Jährige scheint von der erotischen und bebilderten Anmache überzeugt und will die angebliche Dirne noch in der Nacht zum Sex treffen.
Richter Hanauer Geistersiedlung bewusst als Hinterhalt ausgesucht
Wie detailliert T. das Verbrechen geplant hat, verdeutlicht die Richterin: „Sie hatten nicht nur eine scharfe Waffe mit Schalldämpfer und einen Elektroschocker dabei. Im Kofferraum hatten sie auch noch Klebeband und Kabelbinder zur Fesselung des Opfers.“ Auch die Auswahl des Hinterhalts spricht für den perfiden Plan. „Herr T. kennt das abgelegene Gelände mit den heruntergekommenen Wohnhäusern.“ So hätten beide ihr Opfer in den Bereich der Annastraße/Kinzigheimer Weg) gelockt. „Durch den Live-Standort in dem Chatprogramm wussten Sie genau, wann sich ihr Opfer nähert.“ Beide lauern im Gebüsch, überwältigen ihr Opfer und fesseln es. Dann fällt ein Schuss, der den 51-Jährigen ins Knie trifft. Dann wird es aber chaotisch. O., der Mittäter, entfernt sich vom Tatort, weil plötzlich eine Zeugin in der Geistersiedlung auftaucht. T. will seinen Plan durchziehen und holt sein Auto. Das Opfer soll weggebracht werden. Angeblich, um ihn woanders auszusetzen.
Doch auch dieses Vorhaben scheitert, weil ein anderer Zeuge auftaucht. Das Opfer bleibt verletzt zurück, das Duo nimmt 1000 Euro sowie den Wohnungsschlüssel an sich und holt sich in der Nähe des Bieberer Berges 1,3 Kilogramm Haschisch aus einem Versteck. Die Richterin verweist darauf, dass das Opfer durch den Schuss ins Knie bis heute an den Folgen leidet. Die Behauptung von T., er habe aus Versehen den Abzug betätigt, weil er angeblich von seinem Kontrahenten Angst gehabt habe, lässt das Gericht nicht gelten. „Der Nebenkläger war kein unbeschriebenes Blatt und ist bereits 151-mal polizeilich aufgefallen sowie mehrfach vorbestraft“, gibt sie zu bedenken. Dass T. aber nicht gewusst habe, wie die Waffe funktioniert? „Das ist lebensfremd“, sagt Jost.
So verurteilt die Kammer beide wegen besonders schweren Raubs, Besitzes von Betäubungsmitteln sowie Verstößen gegen das Waffengesetz. Beim Strafmaß bleibt die Kammer nur minimal unter der Forderung von Staatsanwältin Melissa Pfaffenberger, die in ihrem Plädoyer neuneinhalb Jahre Haft für T. gefordert hatte. Seine Anwälte beantragten eine Freiheitsstrafe von sechseinhalb Jahren. Für O., den Mitläufer, fällt die Strafe geringer aus. Ohne Geständnisse wäre es noch dicker gekommen. Beide müssen sich zudem einem Drogenentzug unterziehen.
Was wäre passiert ohne die beiden Zeugen?
Eine Frage können die Richter am Ende allerdings nicht beantworten, weil es dafür keine eindeutigen Beweise gibt: Was wäre mit dem Opfer tatsächlich geschehen, wenn nicht plötzlich zwei Zeugen in der gottverlassenen Gegend aufgetaucht wären? Doch das ist reine Spekulation. (Von Thorsten Becker)