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Mord in der Gallienstraße: Zeugin wird zur Angeklagten

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Mord in der Gallienstraße: Zeugin wird zur Angeklagten
Mord in der Gallienstraße: Zeugin wird zur Angeklagten © Symbolbild: dpa

Hanau - Von der Lebensgefährtin und Zeugin zur Todesschützin? Der Prozess um die tödlichen Schüsse, die 2013 in der Hanauer Gallienstraße fielen, nahm gestern Morgen eine spektakuläre Wendung: Die Lebensgefährtin des Angeklagten steht nun ebenfalls unter Mord-anklage. Von Laura Hombach

Seit dem 8. November diesen Jahres wird vor dem Hanauer Landgericht der Prozess gegen einen 52-Jährigen geführt, der am 7. September 2013 seinen Schwager wegen Erbstreitigkeiten mit Schüssen durch die Haustür getötet haben soll. Hätte gestern Morgen in Saal A 215 alles seinen normalen Gang genommen, so wäre die Lebensgefährtin des Angeklagten erneut als Zeugin gehört worden. Mit ihrem Anwalt an der Seite hatte sie bereits am Zeugentisch Platz genommen, als alles ganz anders kam. Der Vorsitzende Richter Dr. Peter Grasmück forderte die Zeugin zum Verlassen des Saales auf und verkündete dann das, was selbst der erfahrene Richter als „überraschend“ bezeichnete: Die Staatsanwaltschaft hat gegen die Lebensgefährtin Mordanklage erhoben. Sie und der Angeklagte sollen das Tötungsdelikt in Mittäterschaft begangen haben. Die Kammer um Richter Grasmück war nach intensiven Beratungen am Mittwoch zu dem Schluss gekommen, der Auffassung der Staatsanwaltschaft zu folgen, dass ein ausreichender Tatverdacht gegen die 30-Jährige vorliege. Eine wesentliche Rolle hatten bei dieser Beurteilung auch zahlreiche neue Erkenntnisse gespielt, die sich im Prozessverlauf sowie durch eine erneute Auswertung von Handydaten ergeben hatten.

Motiv für den Mord in der Gallienstraße sollen Erbstreitigkeiten zwischen dem Angeklagten und seiner Schwester, der Frau des Opfers, gewesen sein. Die Schwester hatte nach dem Tod der Mutter 2009 ihren Bruder auf Zahlung ihres Anteils am Erbe verklagt. Unterstützt von ihrem Mann, der für seine Rolle in dieser Auseinandersetzung schließlich mit dem Leben gezahlt haben soll. Eben diese Erbstreitigkeiten hätten das gemeinsame Ziel von Angeklagtem und Lebensgefährtin gefährdet, ihren Lebensmittelpunkt nach Österreich in das von der Mutter geerbte Haus zu verlagern, erklärte Grasmück. Erbstreitigkeiten, bei denen ein Schreiben des Gerichts aus dem Mai 2013 darauf habe schließen lassen, dass die Schwester sich mit ihren Ansprüchen werde durchsetzen können.

Während die Lebensgefährtin sich nach eigenem Bekunden wenig mit den Erbstreitigkeiten befasst haben will, sprechen neue Erkenntnisse eine ganz andere Sprache. Sie selbst hatte nämlich, wie sich bei ihrer Befragung herausstellte, eine Krankmeldung für den Angeklagten gefälscht, um beim zuständigen Gericht die Verschiebung eines entscheidenden Verhandlungstermins zu erwirken. Ein deutlicher Hinweis darauf, dass die Lebensgefährtin ein erhebliches Interesse am Ausgang des Prozesses gehabt habe, so Grasmück.

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Neue Erkenntnisse hatten sich auch dank seit Ermittlungsbeginn verbesserter Auswertungsverfahren für die Handydaten der heute 30-Jährigen ergeben. Sie will am Tatabend mit ihrem Liebhaber in Bad-Schwalbach und Mainz unterwegs gewesen sein, während der Angeklagte in ihrer Wohnung Fernsehen geschaut haben will. Während ihre Handydaten zwar ihren Aufenthalt in Bad-Schwalbach und Mainz bestätigen, zeigte sich bei der erneuten Auswertung aber auch, dass ihr Handy am Tatabend ab 21.39 Uhr „im Nirwana“ (Grasmück) verschwindet und erst am frühen Morgen wieder auftaucht. Die Schüsse in Hanau fielen um 23.30 Uhr. Eine Uhrzeit, für die die Angeklagte lediglich das Alibi ihres Liebhabers hat. Denn bei einem Konzert, das das Paar gemeinsam mit einem Freund des Liebhabers besucht haben will, waren die beiden - so die Aussage des Freundes und damit eine weitere neue Erkenntnis - auch erst gegen 1 Uhr nachts eingetroffen. Gegen die 30-Jährige spricht auch ein weiterer Umstand, den die erneute Auswertung der Handydaten ergab: Danach ist die Angeklagte am 30. Juli 2013 - also rund fünf Wochen vor dem Mord - nach Hanau in die Gallienstraße gefahren.

Die neuen Erkenntnisse rückten damit auch Äußerungen der beiden Angeklagten gegenüber verdeckten Ermittlern in ein anderes Licht, so Grasmück. So etwa die des Angeklagten, er habe die Tat nicht begangen, sondern jemand, der ganz dicht dran sei. Er sei lediglich „instrumentativ“ beteiligt gewesen. Oder auch die Aussage, dass seine Lebensgefährtin, wenn sie jemanden auf dem Kieker habe, ziemlich grausam und massiv werden könne. Das Verfahren wurde zunächst ausgesetzt. Voraussichtlicher Neubeginn soll am 26. Januar sein. In dem neuen Verfahren wird dann zu klären sein, ob es am Ende die 30-Jährige war, die die Schüsse in der Gallienstraße abgefeuert hat und ob der 52-jährige Angeklagte Mittäter oder Anstifter war.

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